Donnerstag, 29. Dezember 2011

Ausblick ins Jahr 2012 (Filme und Musik)

Filme:

Drive


Ein zurückgezogen lebender Stuntman bei Tag und Fluchtwagenfahrer bei Nacht (Ryan Gosling) muss nach einem schief gelaufenen Überfall seine Nachbarin (Carey Mulligan) und deren Sohn beschützen. Top besetzter, großartig gemachter Film zwischen Gewaltorgie und zärtlicher Romanze.

Shame


Der sexsüchtige Brandon (Michael Fassbender) wird von seiner Schwester Cissy (Carey Mulligan) aus seinem gut durchgeplanten Leben gerissen. Heftiger und sicherlich großartiger Film, der leider wahrscheinlich zu krass für die Oscars sein wird.

Girl with the Dragon Tattoo


Neuinterpretierung des schwedischen Thrillers von David Fincher mit Daniel Craig und Rooney Mara in den Hauptrollen und Musik von Trent Reznor und Atticus Ross.

Like Crazy


Gut besetztes Drama, in dem ein junges Paar nach einer kurzen Phase des Zusammenseins mit den Problemen einer Fernbeziehung kämpfen muss. Der Film wurde bereits mit wichtigen Preisen ausgezeichnet und sieht äußerst viel versprechend aus.

The Dark Knight Rises


Abschließender Teil von Nolans Batman-Trilogie wird erneut eindrucksvoll die Regel widerlegen, dass komplexe Qulitätsfilme keine Blockbuster sein können.

Prometheus


Ein düsterer Science Fiction-Thriller von Ridley Scott, der vielleicht ein Alien Prequel ist? Dazu Charlize Theron, Michael Fassbender, Noomi Rapace und Idris Elba und dieser Teaser?! I'm so in! 

Martha Marcy May Marlene


Die junge Martha zieht nach ihrer Flucht aus einer Sekte zu ihrer Schwester und deren Mann, kann aber die schlimmen Erinnerungen an ihre Vergangenheit nicht abschütteln.

Chronicle


Es sieht zumindest so aus, als ob das Superheldengenre immer noch Raum für interessante, neue Ideen hat.

Haywire

 

Ein Actionfilm von Steven Soderbergh mit einem grandiosen Cast und der wohl ersten glaubwürdigen Action-Heldin in Hollywood...

We bought a Zoo


Schamloses Feel Good-Movie von Cameron Crowe (Almost Famous) über einen Mann (Matt Damon), der nach dem Tod seiner Frau einen Zoo kauft, um seinen Kindern ein schöneres Leben zu geben. Mit einem Soundtrack von Jónsi (Sigur Ros).

The Hobbit - An Unexpected Journey


Ich war doch sehr skeptisch, doch bereits nach wenigen Sekunden fühlte mich wie vor elf Jahren(!), als der erste Herr der Ringe Teaser erschien...



Musik:


Sleigh Bells – Reign of Terror 14.2.
Nach dem nichts sagenden, aber extrem gut gemachten Album-Teaser und den vielversprechenden Aussagen der Band, freue ich mich doch sehr darauf.

Soap&Skin – Narrow 10.2.
Ein Minialbum als Nachfolger von Lovetune for Vacuum, meinem meist gehörten Album 2009 und wahrscheinlich auch überhaupt. Die Vorfreude ist extrem!

Sharon van Etten – Tramp 14.2.
Mit diesem Album wird Sharon van Etten hoffentlich richtig erfolgreich, die erste Hörprobe macht auf jeden Fall schon Lust auf mehr.

Shearwater – Animal Joy 14.2.
Der erste Song Breaking the Yearlings ist überraschend rockig, aber genau so groß angelegt und spannend wie alles von der Band bisher.

The Twilight Sad - No One Can Ever Know 7.2.
Ich habe ein wenig Angst vor dem angekündigten Stilwechsel und das bisher Gehörte war nicht sooo überzeugend, aber die Hoffnung bleibt... 
 


Hype:  
Egal wie gut oder schlecht ihr Album wird, Lana Del Rey wird 2012 nicht nur Chartstürmerin sein, sondern auch die Feuilletons weltweit noch mehr zu hochtrabenden Erörterungen über den Zustand der Musikindustrie, die Rolle der Frau darin und del Reys aufgespritzten Lippen animieren...
Azealia Banks wird, wenn nicht kommerziell erfolgreich, dann zumindest Kritikerliebling werden und als Retterin des Hip Hop/ R & B 2012 gefeiert werden.
Mumford & Sons werden mit ihrem neuen Album endgültig die neuen Kings of Leon werden (und hoffentlich, hoffentlich trotzdem ein gutes Album abliefern).
Die tollen Dog is Dead werden, wenn die Welt gerecht ist, dann die neuen Mumford & Sons, soll heissen: Die Jungs haben nur Hits, hoffentlich werden sie nächstes Jahr a) ein tolles Album rausbringen und b) dann in aller Munde sein! 
Ich persönlich werde sicher Dirty Ghosts am meisten hypen, die nach einigen sehr spaßigen Demo-Songs am 21. Februar endlich ihr Debüt-Album Metal Moon herausbringen werden!

Künstler, die wahrscheinlich oder auch ganz sicher irgendwann nächstes Jahr Alben herausbringen, auf das ich mich sehr freue: 
Neurosis, The Knife, The Walkmen, Stolen Babies, Bat for Lashes, Amenra, The xx, Cult of Luna, Mumford & Sons, El-P, The Unwinding Hours, Sigur Ros, Her Name is Calla, Metallica (hier ist es weniger Vorfreude und mehr eine Mischung aus Pflichtbewusstsein und morbider Faszination), Converge, Brand New, Ceremony, The Dillinger Escape Plan, Fanfarlo, Made out of Babies (mehr ein sehr starker Wunsch ohne offizielle Bestätigung), Mammút (auch keine offizielle Bestätigung gefunden, aber wenn nicht, muss ich weinen), Captain Planet (muss eigentlich was kommen, auch wenn sich ihr Label leider in Luft aufgelöst hat), Creep, Black Breath und Godspeed You! Black Emperor (Gerüchteweise)

Ich glaube, es wird ein gutes Jahr!

Dienstag, 27. Dezember 2011

Meine Lieblingsfilme 2011

Berücksichtigt habe ich nur Filme, die 2011 ihren Deutschlandstart hatten. Die Liste ist natürlich keineswegs vollständig, dieses Jahr war ich noch mehr als sonst eher ein Serien-Mensch. Aber folgend ein paar Filme, die auf irgend eine Weise besonders bei mir hängen geblieben sind in den letzten 12 Monaten... 


Winter's Bone



Winter's Bone war für mich gleichzeitig der beste und auch der überraschendste Film, den ich dieses Jahr gesehen habe. Er spielt in den Ozark Mountains, einer malerisch schönen Gegend der USA, die in Winter's Bone jedoch von Armut und Drogen zerfressen ist. Ree ist erst 17 muss aber ihre kranke Mutter pflegen, die beiden kleinen Geschwister erziehen und alles tun, damit ihre Familie überleben kann. Als ein Polizist zum Haus der Familie kommt und Ree mitteilt, dass ihr Drogen dealender Vater auf der Flucht ist und das Haus der Familie als Garantie für seine Kaution angegeben hat, macht Ree sich auf die Suche nach ihm. Die eigentlich Story ist aber zweitrangig, in Winter's Bone ist viel mehr eine Charakterstudie dieser Gemeinde am absoluten Rande der amerikanischen Gesellschaft. 


Die größte Überraschung des Films ist Newcomerin Jennifer Lawrence, die mit nicht mal 18 Jahren eine absolut organische und glaubwürdige Performance abliefert. Ihre Ree ist ein Mädchen, das viel zu früh erwachsen werden musste und jett in einer unfairen und unerbittlichen Umgebung eine ganze Familie durchbringen muss. Mit jugendlichem Starrsinn und sehr viel Mut kämpft sie sich durch eine zutiefst patriarchalische Gemeinschaft auf der Suche nach ihrem nichtsnutzigen Vater. Alle Menschen, auf die sie trifft, sind direkt oder indirekt in die Drogenproduktion und den Drogenhandel verwickelt und begegnen ihr mit Misstrauen oder offener Feindseligkeit. Es ist hart ein so sympathischen Mädchen, in einer ohnehin schon brutalen Welt, in einer brutalen Situation nach der Nächsten zu sehen. Aber es ist eine Wohltat Lawrence diese so verletzliche Figur mit einer solchen Stärke spielen zu sehen. John Hawkes präsentiert auch in diesem Film mal wieder sein enormes Talent und seine chamäleongleichen Schauspielfähigkeiten als Ree's Onkel Teardrop. Er verweigert seiner Nichte zunächst jegliche Hilfe und gibt ihr äußerst aggressiv zu verstehen, dass sie die Suche nach ihrem Vater abbrechen soll. Als sie sich aber trotzdem auf die Suche macht und immer weiter in Gefahr begibt, siegt seine familiäre Loyalität über seine Feindseligkeit. Ree's Stärke und der Zusammenhalt ihrer Familie sind die einzigen Lichtblicke in der dunklen und weitgehend hoffnungslosen Welt die von Regisseurin Debra Granik eindrucksvoll festgehalten wird. Untermalt wird der Film von altmodischem amerikanischen Folk, der melancholisch und ungeschönt von Anfang den Ton des Films vorgibt. Leider verlor Winter's Bone bei den meisten Preisverleihungen gegen auffälligere Filme von und mit mehr etablierten Hollywood-Akteuren, aber es bleibt die Hoffnung, dass Debra Granik und Jennifer Lawrence (auch außerhalb von Blockbustern) bald noch mehr gute Filme machen werden.

The Fighter


The Fighter ist mehr als solider Film, der, dank guter Schauspielleistungen und der Vorliebe von Preisverleihungskomitees für Sportlerdramen, überraschend große Aufmerksamkeit und Einspielergebnisse erzielen konnte.


Micky Ward (Mark Wahlberg) ist ein Amateurboxer, der das Zeug zum Profi hätte, aber durch eigene Zweifel und der ständigen Einmischerei seiner disfunktionalen Familie lange davon abgehalten wurde. Sein Bruder und Trainer Dicky (Christian Bale) ist ein irritiernder, drogensüchtiger und unzuverlässiger Ex-Boxer, seine Mutter (Melissa Leo), auch gleichzeitig seine Managerin, ist dominant und unprofessionell. Mickys unzählige Schwestern geben als gackernde und meckernde Zaungäste dazu noch ihren Senf aus dem Hintergrund ab. Als Micky sich in die selbstbewusste Kellnerin Charlene (Amy Adams) verliebt und mit ihrer Hilfe langsam aus der ungesunden Beziehung mit seiner Familie löst, kommt es zum großen Konflikt. Neben diesem Portrait einer extrem kaputten, aber doch irgendwie liebenswerten Familie, ist The Fighter eine typisch amerikanische Geschichte des kleinen Mannes, der es durch harte Arbeit an die Spitze schafft und nebenbei eben ein dramatischer, oft leicht kitschiger Boxfilm, der durch ein gutes Drehbuch und durchweg hervorragende Schauspieler zu einem sehr guten Film wird. Mark Wahlberg muss die einzig unauffällige Rolle spielen, die aber der notwendige Mittelpunkt und Gegenpol für all die die auffälligen und im direktem Vergleich teilweise fast aufdringlich wirkenden Nebenrollen bleibt. Er schultert diese Aufgabe adäquat (wie gut er es allerdings verkraftet hat, als Hauptrolle eines Filmes als Einzigster kaum Kritiker-Aufmerksamkeit bekommen zu haben, ist fragwürdig). Um ihn herum können Amy Adams, Melissa Leo und vor allem Christian Bale (es ist wirklich erstaunlich mit welcher scheinbaren Einfachheit Bales Körper von Film zu Film zwischen Bodybuilder- und Cracksüchtigen-Physik wechselt) deswegen neurotische und grellere Figuren spielen (und nebenbei die Preise und Lobeshymnen einstreichen). Am Ende wird so aus einem typischen Drama ein sehenswerter und immer spannender Film, der zwar teilweise dem typischen Hollywood-Storytelling folgt, aber sich immer einen sympathische Realismus bewahrt.

Alles was wir geben mussten 


Ein wunderschöner, unheimlich trauriger Film in dem zwei der momentan besten Jungschauspieler und kommende Superstars (Carey Mulligan und Andrew Garfield, wenn die Welt gerecht ist) und ein ehemaliger Fast-Superstar/Starlet auf dem langsamen Weg zurück zurück zur anerkannten Schauspielerei (Keira Knightley) ganz tolle Leistungen abliefern. Alles andere zum Film habe ich bereits hier geschrieben.

Black Swan


Nach dem nüchternen Realismus von The Wrestler kehrt Darren Aranofsky mit Black Swan wieder zu dem rauschartigen, visuellen Feuerwerk seiner vorherigen Filme zurück. Auf den ersten Blick ist der Film ein gewöhnlicher Psychothriller mit erotischen Elementen, der in weniger versierten Händen auch als Spätabendfilm auf RTL II hätten enden können. Es geht um eine Ballerina, die mit der Hauptrolle in einer modernen Produktion vom Schwanensee, endlich ihren Durchbruch erreichen könnte. Die zutiefst unerfahrene und unschuldige junge Frau, die ihr ganzes Leben zuvor ausschließlich für das Ballett lebte, wird nun von ihrem Regisseur angetrieben ihre wilde und dunkle Seite für eine bessere Darstellung der Rolle zu entdecken. Der unglaubliche Druck, denn sie dabei von ihm, ihrer dominanten Mutter und ihren Kolleginnen erfährt, sowie ihr Drang nach Perfektion, ziehen sie langsam in einen Strudel aus Wahnsinn in dem sie Realität und Fiebertraum nicht mehr unterscheiden kann.


Der Film erfüllt viele Klischees eines Psychothrillers: Alle Figuren wirken oft wie überdrehte Karikaturen, es gibt reichlich Schock- und Ekelmomente und jede Menge Sex. Doch alle Beteiligten hatten offenbar Spaß sich in ihren Rollen auszutoben und Aranofsky hebt durch seine meisterlichen Fähigkeiten den Film zu einem audiovisuellen Spektakel hinauf. Besonders hervorzuheben ist da natürlich Natalie Portman, die für ihre Rolle einen Oscar erhielt. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob das nicht eher ein Oscar für ihr bisheriges Lebenswerk war, aber Portman passt perfekt als die ängstliche, naive Ballerina, die langsam dem Wahnsinn verfällt. Auch ihrem Körper hat sie dabei mit vielen Tanzstunden und einer Abmagerungskur einiges abverlangt. Daneben glänzen Barbara Hershey als ihre Furcht erregende Mutter und Winona Ryder in einer kleinen Rolle als Portmans verbitterte Vorgängerin. Dazu kommen Vincent Cassell, der als Portmans Regisseur irgendwo zwischen lachaft und überzeugend umher wandelt und Mila Kunis, die erstmals beweist, dass sie nicht nur gut aussieht und sympathisch ist. Die Musik wurde von Aranofsky-Dauergast Clint Mansell um die Originalmusik des Schwanensee herum komponiert und verbindet das klassische Meisterwerk gekonnt mit elektronischer Spannungsmusik. Die fiebrigen, flirrenden Bilder und die großartigen Tanzchoreographien tun ihr übriges um aus einem gewöhnlichen Film ein großes Stück Filmkunst zwischen Gemälde und Drogentrip zu machen.

Blue Valentine


In Blue Valentine sieht der Zuschauer abwechselnd die aufregende und romantische Zeit als sich ein ungleiches Paar kennen lernt, verliebt und zusammen kommt und einige Jahre später als ein gemeinsames Kind, der ernüchternde Alltag einer Beziehung und die Unterschiede der beiden die anfängliche Euphorie ersetzt haben. Michelle Williams und Ryan Gosling beweisen wieder einmal, dass sie mit die besten Schauspieler ihrer Generation sind. Sie sind ebenso glaubwürdig als frisch verliebtes Paar voller Hoffnung und Energie wie als desillusionierte, müde und oft verzweifelte Menschen gefangen in einer unglücklichen Ehe. Der Film kontrastiert dabei Szenen aus der Anfangsphase dieser Beziehung mit welchen aus ihrem Ende und stürzt den Zuschauer in ein Stimmungschaos. Der Film ist so realistisch und glaubwürdig, dass man zwar sofort an diese Liebe glaubt, aber ebenso in der nächsten Szene schmerzhaft versteht, warum sie nicht mehr funktionieren kann. Der Realismus ist vor allem auch wegen der großartigen Schauspieler manchmal fast schon schmerzhaft.

127 Hours


Auf den ersten Blick hatte 127 Hours für mich drei Probleme oder eher abschreckende Aspekte. 1. Er basiert auf den realen Erlebnissen von Aron Ralston, einem Extremsportler, der durch eigenen Leichtsinn und Übermut in einem Felsspalt eingeklemmt wird. Eine solche Figur scheint nicht wirklich sympathisch oder bemitleidenswert. 2. Ein Film, der fast ausschließlich in dem engen Raum des Felsspalts spielt und zu 90% nur einen Schauspieler zeigt klingt langweilig und ermüdend. 3. James Franco in einer dramatischen Hauptrolle, die den ganzen Film tragen muss in einer Zeit, wo Franco a) hauptsächlich durch witzige Rollen bekannt geworden war und b) Gefahr lief sich durch seine ständige Präsenz überall schnell ab zu nutzen (siehe Your Highness).
Doch trotz allem funktioniert der Film und zieht den Zuschauer schnell und unweigerlich in einen fiebrigen und kurzweiligen Alptraum von einem Film. Das liegt zuerst einmal an Danny Boyles hervorragender Regie (bis jetzt hat der Mann wirklich ausschließlich gute bis sehr gute Filme gemacht, ohne Ausnahme!) und der perfekten Kameraarbeit von Enrique Chediak und Anthony Dod Mantle, die gemeinsam die Enge und Bedrängtheit des Felsspalts und die zunehmende Verzweiflung und Bedrängnis von Ralston eindrucksvoll einfangen. Die größte Überraschung ist aber James Franco, der mit einer realistischen Tour de Force-Performance den langsamen Abstieg in Panik und Wahnsinn eines hoffnungslos gefangenen Mannes eindrucksvoll darstellt und es scheinbar mühelos schafft aus einem auf dem Papier so unsympathisch wirkenden Menschen einen Helden zu machen, mit dem man als Zuschauer einfach mitfiebern muss. Das Ende des Films ist zuerst schockierend, auch wenn jeder vorher bereits weiß, was passieren wird und trotzdem ist 127 Hours ein Film der zeigt, zu was der menschliche Wille alles fähig ist.


Restless


Enoch ist ein vom Tod besessener junger Mann, der den frühen Unfalltod seiner Eltern verarbeitet indem er seine freie Zeit mit dem Geist eines japanischen Kamikazefliegers verbringt und auf den Beerdigungen fremder Menschen. Auf einer dieser Beerdigungen lernt er Anabell kennen, die todkrank ist, aber, absolut lebensfroh, jede Sekunde, die ihr noch bleibt in vollen Zügen genießt. Zwischen den Beiden entwickelt sich eine zärtliche Beziehung, die Anabell und Enoch hilft mit dem Tod umzugehen, aber gleichzeitig auch neuen Lebensmut gibt.
Der Film ist nicht frei von Klischees und läuft manchmal fast Gefahr eine Nicholas Sparks-Verfilmung für Alternative, Indie-Fans und Hipster zu werden. Was denn Film aber rettet, sind die unglaublich natürlichen und glaubwürdigen Hauptdarsteller. Mia Wasikowska schafft es, wie in allen ihren Filmen bisher, von der ersten Sekunde an zu strahlen und mich vollkommen einzunehmen. Zusammen mit Henry Hopper, der in diesem Film sein erstaunliches Debüt gibt, spielt sie diese zärtliche, unbeholfene erste Liebe wunderbar realistisch und trotzdem äußerst romantisch. Gemeinsam schaffen es die beiden aus diesem oft dramatischen und schweren Stoff trotz allem einen Film zu zaubern, der immer wieder ein Lächeln beim Zuschauer erzwingt.

Let me In


Let me in ist ein Remake des schwedischen Films Let the right one in und nebenbei eine der schönsten und seltsamsten Liebesgeschichten des Jahres. Owen Ist ein Trennungskind, Außenseiter und häufiges Mobbingopfer. Durch Zufall lernt er das Nachbarsmädchen Abby kennen und es beginnt eine vorsichtige und zärtliche Freundschaft zwischen den Beiden. Auf den ersten Blick haben sich hier zwei Außenseiter gefunden, die sich gegenseitig Stärke und Zuversicht schenken. Doch Abby ist ein Vampir und biologisch ebenso wie geistig auf eine gewisse Weise für immer im Körper eines Kindes gefangen ist. Viel mehr sollte auch nicht über den Inhalt verraten werden, aber der Film ist eine spannende und gekonnte Mischung aus Horrorfilm und Coming of Age-Drama mit äußerst talentierten Jungschauspielern.

Attack the Block


In einem Londoner Problembezirk treibt eine Jugendgang ihr Unwesen. Nachdem sie eine junge Lehrerin überfallen und beklaut haben, beobachten sie einen merkwürdigen Krater in ihrer Nachbarschaft. Als daraus ein hässliches Alien auftaucht, tötet der Anführer der Gang es in Notwehr und beginnt damit einen verzweifelten Kampf gegen eine Alien-Invasion. Vordergründig ist Attack the Block ein beeindruckender Low Budget-Film mit Humor und viel Adrenalin. Die eigentlich Leistung des Films ist es aber aus der klischeehaften, unsympathischen Jugendgang am Anfang des Films nach und nach echte, sympathische Personen zu machen, die unfreiwillig zu Helden ihres Blocks werden. Abgesehen von Nick Frost (Shaun of the Dead, Hot Fuzz, Paul) besteht der Cast nur aus unbekannten aber äußerst talentierten Jungschauspielern. Im Laufe der Nacht werden die zuvor überfallene junge Frau, zwei Drogendealer, ein Dauerkiffer, eine Gruppe Mädchen und zwei kleine Möchtegerngangster in den Überlebenskampf gegen die Aliens hineingezogen und sorgen für durchgehende Unterhaltung und Spannung.

X-Men: Erste Entscheidung / X-Men: First Class


Nach zwei gut besetzten und adäquat umgesetzten X-Men-Verfilmungen waren Teil 3 der X-Men-Reihe und besonders der erste Wolverine-Film seelenlose Machwerke, die eine gute Story gegen leeren und überfrachteten Bombast austauschten. Da ist es schön, dass für das neue Prequel Matthew Vaughn wieder Regie führte und ein neues Franchise begründete bei dem es wieder mehr um Stories und Personen geht. Durch den Prequel-Charakter des Films kann Vaughn problemlos bekannte und neue Figuren auftauchen lassen ohne Kontinuität der anderen Filme zu zerstören oder Comic-Laien zu verwirren. Dabei geht es hauptsächlich um die komplizierte Beziehung zwischen Charles Xavier und Erik Lehnsherr alias Professor X und Magneto. Gespielt werden die beide mit großartiger Leinwandchemie von James Mcavoy und Michael Fassbender, die zusammen schon mehr Schauspieltalent haben, als die meisten Darsteller in den vier bisherigen X-Men-Filmen. Dazu kommt ein junges Team von, für eine Comic-Verfilmung, überraschend talentierten Schauspielern. Der kalte Krieg bietet dabei einen spannenden Hintergrundkonflikt und auch eine schöne Spiegelung des „Mutantenproblems“.

Fright Night


Es hat mich doch überrascht, wie viel Spaß mir dieser Film bereitet hat. Ich kenne das Original nicht und kann den Film somit nur als selbstständiges Werk, nicht als Remake beurteilen. Charley lebt mit seiner Mutter in einem verschlafenen Vorort bei Las Vegas und hat gerade seine Nerdfreunde zurück gelassen für ein Leben mit seiner ersten Freundin und den „coolen“ Leuten an der High School. Als sein ehemaliger bester Freund Ed ihm vom Verschwinden vieler Klassenkameraden erzählt und behauptet Charleys neuer Nachbar Jerry sei ein Vampir, der mordend durch den Vorort zöge, glaubt Charley das natürlich zuerst nicht. Aber als auch Ed verschwindet, wird er plötzlich in den scheinbar aussichtslosen Kampf mit einem 400 Jahren alten Vampir gezogen.


Der Film hatte den Nachteil nicht nur ein Horror Remake in einer Flut von Remake-Filmen zu sein, sondern auch noch ein scheinbar typischer Teenie Horror Film in einer Flut aus Teenie Horror Filmen. Deshalb ging der Film kommerziell unter. Das ist schade, denn Fright Night ist ein schneller, lustiger und adäquat gruseliger Action Horror Film. Natürlich erfüllt Fright Night dabei jede Menge Klischees, aber doch immer augenzwinkernd ohne zur Selbstparodie zu verkommen. Vieles davon verdankt der Film seinen Schauspielern. Colin Farrell hat offensichtlich sehr viel Spaß als moderner, einschüchternder Macho-Vampir und metzelt sich mit einem breiten Grinsen durch den Film. David Tennant als lächerlicher, aber liebenswerter Möchtegernvampirjäger hat auch Spaß und sorgt für einige Lacher. Anton Yelchin und Imogen Poots im Mittelpunkt des Films haben auch angenehm viel Tiefe und Schauspieltalent für so eine Art von Film. Yelchin ist nie ganz Nerd, aber auch kein Superheld und Poots darf ihre typischen Girlfriend-Rolle mit überraschender Selbstständigkeit und „Ass-Kicking“ anreichern. Die Story an sich ist natürlich absolut berechenbar, aber der Film zeigt eindrucksvoll, was für einen Unterschied gute Schauspieler und solide Regiearbeit bringen können.

Filme, die es wahrscheinlich noch auf diese Liste geschafft hätten, zu denen ich aber noch nicht gekommen bin: 
Tree of Life, Another Earth, Melancholia, Jane Eyre, The Future.
...Hundert weitere Filme habe ich sicher verpennt oder vergessen... ;)

auch noch gut:

Kill the Boss / Horrible Bosses

Drei Freunde beschließen gegenseitig ihre Chefs umzubringen. Solide Komödie, die durch das enorme Talent der Beteiligten über den Durchschnitt hinauswächst.

Paul

Zwei Nerd-Freunde finden auf einem Road Trip ein Alien auf der Flucht vor der Regierung. Paul ist nicht auf einer Ebene mit Shaun of the Dead oder Hut Fuzz, aber Simon Pegg und Nick Frost alleine machen jeden Film gleich viel lustiger. Und Jason Bateman, Kristen Wiig und Seth Rogen sind natürlich auch nie schlecht.

Crazy, Stupid Love

Extrem ausgelutschtes Rom-Com-Thema wird überraschend ansprechend durch ein gutes, angenehm Nicht-Jugendfreies Drehbuch, einen guten Regisseur und überaus charmante Darsteller mit viel Chemie.

True Grit

Western-Action-Abenteuer-Komödien-Remake von den Coen-Brüdern mit einer eindrucksvollen Jungdarstellerin, die umgeben ist von Hollywoodveteranen: Ein überaus unterhaltsamer Film. 


Überraschungen: 

The Rite / Das Ritual

Ich hatte keinerlei Erwartungen an diese ausgelutschte Story eines skeptischen Jungpriesters, der sich widerwillig von einem skurrilen, alten Priester zum Exorzisten ausbilden lässt. Doch die Stimmung und die Drehorte des Films sind sehr gut gewählt, Anthony Hopkins hat eindeutig viel Spaß in seiner Rolle und es gibt mehr Gänsehautszenen als in den meisten vergleichbaren Filmen, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich das Konzept von Besessenheit immer noch unheimlich finde...

Scream 4

Überraschung in dem Sinne, dass es bei weitem nicht so schlecht war, wie ich erwartet hätte. Es gibt keinen Horrorfilm und keine Schockeffekte mehr, aber auch keinen reinen, schlechten Abklatsch. Stattdessen eben ein bis zum Gehtnichtmehr selbst- und Genre-referentielles Machwerk in dem die Akteure zwar alle Horrofilm-Regeln und -Klischees kennen, aber trotzdem noch extrem blöd sind. Neve Campbell ist erstaunlich erträglich, die Jungschauspieler größtenteils kompetent und das Ende zumindest für mich relativ überraschend und spaßig. 

Freunde mit gewissen Vorzügen / Friends with Benefits

Extrem ausgelutschtes Rom-Com-Thema wird überraschend ansprechend durch ein gutes, angenehm Nicht-Jugendfreies Drehbuch, einen guten Regisseur und überaus charmante Darsteller mit viel Chemie


Enttäuschungen:

Transformers 3


Enttäuschung natürlich nicht im Sinne von „ich dachte er wird einer der Filme des Jahres“. Aber ich gebe zu, ich mochte den ersten Teil trotz der Schauspieler größtenteils (CGI, Sound + Action), fand den zweiten Teil absolut furchtbar und peinlich und hoffte der dritte würde wieder etwas mehr zu den Stärken der Reihe zurückfinden. Doch auch wenn der Sound immer noch großartig ist, sind die Actionszenen nichts mehr neues und außerdem zu vollgestopft und hektisch. Schauspielerei und Dialoge waren natürlich noch nie die Stärke von Transformers, aber wenn Schleimbeutel Mc Dreamy (Patrick Dempsey) nach den Robotern der beste Schauspieler und komplexeste Charakter ist, hat der Film ein Problem. Diesmal bestehen dazu noch wirklich 70% der Dialoge aus den Namen „Optimus“ und „Sam“ in verschiedenen Lautstärken geschrien.

Sucker Punch

Regisseur Zach Synder ließ es sich im Vorfeld nicht nehmen diesen merkwürigen Filmmix aus Nerd- und Altmänner-Fantasien als feministisches Machwerk zu betiteln. Das hat natürlich niemand erwartet, aber nach den großartigen Trailern hatte ich zumindest ein Effektfeuerwerk erwartet. Die zugegeben beeindruckenden Actionszenen werden leider von der absolut hanebüchenen, sexistischen und pseudo-tiefgründigen „Story“ des Films ertränkt, die wie eine absurde Mischung aus Show Girls und Einer flog übers Kuckucksnest, aber ohne echte oder trashige Qualitäten wirkt.

Unknown Identity


Bei Actionfilm und Liam Neeson kommt sofort der Heidenspaß von Taken in den Sinn. Stattdessen gibt es bei Unknown Identity leider den schon tausendmal da gewesenen Mix aus Gedächtnisverlust und Verschwörungsthriller, sowie die extrem hölzerne Kombination aus January Jones und Diane Kruger. Immerhin dürfen ein paar altgediente deutsche Schauspieler in kleinen Rollen ran. Letztendlich bleibt die Frage, wem Liam Nesson eigentlich seine Seele verkauft hat, dass er einfach jede Rolle nimmt die ihm angeboten wird?

Your Highness


David Gordon Green begann seine Regisseur-Karriere mit interessanten Indie-Dramen (All the Real Girls, Snow Angels) und stieg dann um auf gute Comedy (Pineapple Express, „Eastbound and Down“). Your Highness kommt da wie ein Schock daher. Natürlich erwartet man bei dem Titel und der Beschreibung kein gehobenes Kino. In einer fiktiven Mittelalterwelt muss der nichtsnutzige Prinz Thadeous seinem heldenhaften Bruder Fabious helfen dessen Braut aus den Klauen eines bösen Zauberers zu befreien. Das Problem an dem Film: Es gibt keinen einzigen Lacher. James Franco führt sein gesetztes Ziel in jedem Film Hollywoods aufzutauchen fort und nutzt seinen hohen Sympathie-Bonus immer schneller ab. Natalie Portman (sowie ihr Po-Double) und Zooey Deschanel sind offensichtlich nur wegen dem Gehaltsscheck hier und Danny McBride ist definitv kein Leading Man-Material. Greens nächste Regie-Arbeit „The Sitter“ lässt leider auch wenig Hoffnung zu...

Sonntag, 25. Dezember 2011

Liebeserklärung an ein Album: A Day of Nights von Battle of Mice


Es gibt wohl kaum ein Album bei dem die Entstehungsgeschichte so gut zur Musik passt und auch scheinbar so essentiell für die Stimmung des Ganzen ist. Josh Graham (Grafikdesigner und zuständig für die Bühnenshow von Neurosis, Gründungsmitglied von Red Sparowes und Hauptsongwriter von A Storm of Light) und Julie Christmas (Sängerin von Made out of Babies) lernten sich während einer gemeinsamen Tour kennen und konnten sich laut eigener Aussagen von Anfang an nicht leiden. Irgendwie entstand aber aus der anfänglichen Abneigung doch irgendwie eine unbequeme Beziehung und dann wohl auch der Drang gemeinsam Musik zu machen. So wird Battle of Mice aus der Taufe gehoben. Doch während der Aufnahmen zerbricht das kurze Glück der Beiden und schlägt wieder in richtigen Hass um. Laut der Beteiligten war es wohl so schlimm, dass Christmas und Graham nicht zur gleichen Zeit aufnehmen konnten. Das dennoch eine ganze CD dabei heraus kam, ist verwunderlich, vor allem wenn man bedenkt, wie gut die Musik hier ist. Ich bin ein Fan der anderen Bands von Graham und Christmas, aber finde, dass sie so etwas Gutes und Einzigartiges wie A Day of Nights nie zuvor geschaffen haben und auch wohl nie mehr schaffen werden. Und die zerbrochene Liebe und die damit zusammen hängende Frustration, Wut und alle widerstrebenden Gefühle sind sicher ein wichtiger Teil für dieses perfekte Album.

Dabei ist A Day of Nights weder ein offensichtliches Trennungsalbum noch ein Album über Liebe oder Beziehungen (auch wenn manche Lieder durchaus als Liebeslieder aus der Hölle funktionieren). Stattdessen ist es eine verzweifelte, Blut triefende und absolut erschöpfende Verarbeitung von Schmerz. Die Musik dazu besteht hauptsächlich aus schleppendem und alles erschütternden Sludge, der sich basslastig in die Gehörgänge fräst und nur von atmosphärischen Keyboardteppichen unterbrochen wird. Das Gegenstück dazu ist die an Intensität wohl nicht zu überbietende Performance von Julie Christmas. Man hat das Gefühl, dass Graham die heftigste Musik seines Lebens geschrieben hat im verzweifelten Versuch den Gesangsparts auch nur ansatzweise ebenbürtig sein zu können. Dabei ist Christmas weder die extremste Sängerin der Welt, noch die "Beste". Stattdessen legt sie so viel Intensität und Persönlichkeit in ihre gesangliche Darbietung, dass die Aufnahmen sicher zu einem absoluten Erschöpfungszustand nach jeder Session geführt haben müssen. Sie singt, flüstert, schreit, kreischt haucht und verausgabt sich in jedem Song scheinbar weit über das menschenmögliche hinaus. Diese Darbietung wurde oft als "Björk nach einem Nervenzusammenbruch" zusammengefasst, aber das ist auf jeden Fall unzureichend. Christmas Stimme kann zwar auch hoch und exaltiert klingen, aber ansonsten gibt es da wenig Gemeinsamkeiten. Sie, ebenso wie Björk oft, nur auf ihre ungewöhnliche Stimme und ihre Seltsamkeiten zu reduzieren, wäre unfair. Christmas kann sehr gut singen und ist eine eindrucksvolle Shouterin. Aber dazwischen wechselt sie ebenso schnell, wie scheinbar von einer Persönlichkeit zur anderen. Da klingt sie eben noch wie ein verletzliches und geschundenes Opfer um dann plötzlich los zu brechen und alles in ihrer Umgebung kurz und klein zu schreien. Die Stimmungen, die A Day of Nights dabei ausstrahlen, sind oft verwirrend. Da wären einmal der Zorn und die Verzweiflung, die nur zu gut zu der schwierigen Beziehung von Christmas und Graham passen. Dazu gesellen sich aber neben einer immer fühlbaren Aura von Bedrohung auch Momente, von denen purer Sex ausgeht. Platt gesagt schwankt der Hörer deswegen immer wieder zwischen Erregung für und Angst vor dieser Frau. 

Auf einer anderen Ebene überwältigt einen das Ganze dann, reißt mit und sorgt für häufig wieder kehrende, unaufhaltsame Gänsehautschauer. Am Ende eines der Lieder gibt es dann noch einen gruseligen Telefonausschnitt, der die musikalisch herauf beschworenen Szenen eindrucksvoll untermalt und ihnen einen zusätzlichen Realitätsbezug gibt. Ein Polizist der Notrufzentrale versucht am Telefon die Adresse einer hysterischen Frau zu erfahren um ihr Hilfe schicken zu können, während der Streit mit einem Mann im Hintergrund zusehends eskaliert. Zu Ursprung und Authentizität dieser Aufnahme äußert sich die Band nicht und so kann sich der Hörer seinen Teil dazu selbst denken und das Gewaltdokument schlüssig in dieses gewalttätige und gewaltige Stück Musik einfügen.

Nach A Day of Nights gab es von Battle of Mice nur noch eine hervorragende Split-EP, deren Songs im gleichen Zeitraum entstanden waren. Danach widmeten sich die Beteiligten wieder ihren eigentlichen Bands. Das ist auf den ersten Blick zwar traurig, aber auch ebenso logisch wie verständlich. Das Graham und Christmas noch einmal zusammen arbeiten wollen oder gar können, erscheint unmöglich, wenn man nur genau hin hört. Und darüber hinaus wären die Stimmungen, die zur Entstehung dieses Meisterwerks führten, nicht reproduzierbar. Ein so gutes Album mit einem Nachfolger zu beschmutzen, der nur enttäuschen kann, wäre dazu noch unklug und würde dieser Lehrstunde an Intensität und Heaviness nur ihr Alleinstellungsmerkmal und ihre Einzigartigkeit rauben. 

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Meine Lieblingsmusik 2011 - Teil VII: Vergessene Schätze

Zum Abschluss dieser umfangreichen aber sicherlich keineswegs vollständigen Liste meiner Lieblingsmusik 2011 noch ein "wenig" Musik, die ich erst viel zu spät für mich entdeckt habe oder aber schlichtweg übersehen/ vergessen bis jetzt...Dazwischen gibt es noch ein paar tolle Videoclips aus diesem Jahr zur Auflockerung: 

Kate Bush – 50 Words for Snow  
(Singer-Songwriter/ Pop/ Alternative) 


Es ist schon komisch; Ich höre Musik von unzähligen Künstlerinnen, die immer wieder passender- oder viel öfter auch unpassenderweise mit Kate Bush verglichen werden. Wirklich gehört habe ich aber trotzdem kaum Musik von ihr selbt, auch wenn ich selbst auch durchaus mal den Kate Bush-Vergleich auspacke, wenn ich jemandem eine Künstlerin empfehlen will. Ich kenne natürlich so einige ihrer Hits, aber 50 Words of Snow ist, dank höchster Lobpreisungen in der gesamten Kritikerwelt, das erste Album von ihr mit dem ich mich ausführlich beschäftigt habe. Nicht nur vom Titel und der Aufmachung her ist es auf den ersten Blick das perfekte Winteralbum. Melancholisch, sehnsüchtig, verbreitet Bushs Stimme und das in allen Songs prominente Klavier immer auch eine wohlige Wärme in dieser kalten und einsamen Winterlandschaft.
Snowflake, der erste Song, zeigt bereits wo die Reise hinführen wird: Eine simple aber berührende, wiederkehrende Klaviermelodie und Kate Bushs variabler Gesang entführen den Hörer in einen Zustand irgendwo zwischen Weihnachtsstimmung und Winterdepression. Alle Lieder auf 50 Words for Snow sind zwischen sieben und vierzehn Minuten lang, erfordern also Geduld, entfalten dafür aber kleine Mikrokosmen, die den Hörer aus dem Alltag reißen und hinein in diese mystischen Geschichten bevölkert von Geistern, einem lebendigen Schneemann, dem Yeti und natürlich jede Menge Schnee.
Der Schneemann etwa taucht in Misty auf und verbringt eine leidenschaftliche Nacht mit der Erzählerin, bevor er am Morgen schmilzt. In anderen Händen wäre ein solches Thema lächerlich und albern, aber hier berührt dieser wunderschöne, dramatische, leidenschaftliche und tief traurige Song so schnell, dass man gerne bereit ist an diese Liebesgeschichte zu glauben. Wild Man ist ähnlich ausufernd, aber klingt viel mehr nach den 80ern und gleichzeitig ungemein jazzig. Kate Bush sympathisiert dazu in ihren lyrics mit einem gejagten und missverstandenen Yeti.
Der überraschendste Song aber ist Snowed in at Wheeler Street, ein Duett mit Elton John. Doch es passt und es wirkt. Und wie es wirkt! In einer gelegentlich zum epischen Rocksong ausufernden Klavierballade spielen John und Bush Liebhaber, die sich über Jahrtausende hinweg an wichtigen Ereignissen in der Geschichte treffen und immer wieder verlieren.
Nach diesem emotionalen Ritt zeigt der Titelsong wieder Bushs exzentrische Seite. Inspiriert von dem Mythos die Eskimos hätten 50 Wörter für Schnee, erfand sie selbst 50 Wörter und engagierte Stephen Fry diese zu rezitieren während sie selbst ihn im Hintergrund im wahrsten Sinne des Wortes anfeuert. Zum Ausgleich und Abschluss kommt dann noch Among Angels, eine wunderschöne Ballade, die gleichzeitig am Herzen zieht und es doch auch wieder wohlig warm einpackt. 50 Words for Snow ist sicher kein Album für alle Stimmungen oder jede Jahreszeit, aber es funktioniert wunderbar in der kalten und besinnlichen Winterzeit, für die es offenbar gemacht wurde und gibt nebenbei den vielen aufstrebenden Songwriterinnen ein neues Fernziel.


Evening Hymns – Dead Deer: Natürlich habe ich mit das schönste Video diesen Jahres in meiner Liste vergessen...(Achtung NSFW).

Jessica Lea Mayfield – Tell Me  
(Folk/ Singer-Songwriter)


Jessica Lea Mayfield ist erst 22 Jahre alt, macht aber schon seit sie 8 Jahre alt ist Musik. Und das merkt man auf Tell Me, ihrem zweiten Soloalbum, deutlich. Es klingt nicht nur reifer und runder als der Vorgänger With Blasphemy so Heartfelt, sondern auch viel weiser und erfahrener als eine 22-Jährige eigentlich klingen sollte. Im Mittelpunkt steht Mayfields so schwer greifbare Stimme. Oft singt sie leicht leiernd und resigniert, fast als ob sie es nicht richtig beherrschen würde, dann aber wieder kraftvoll, klar und schön. Die Musik dazu bewegt sich zwischen Folk, Country, und Rock. Höhepunkte sind der fast fröhliche Ohrwurm Blue Skies Again, der überraschend rockige Opener I'll be the One You want someday und das melancholische Run myself into the Ground, das klingt wie ein trauriger Popsong gespielt von einer Folk-Country-Band. Auch die anderen Songs auf Tell Me sind durchaus hörenswert und bewegen sich dabei zwischen entspannten und nachdenklichen Folk Songs, imemr aber mit einem melanchollischen Touch.

CREEP - Animals (feat. Holly Miranda): Creep zum Zweiten - Sexy & Unheimlich, mit einer ungewöhnlichen Gastsängerinnen-Performance. Großartig!

Black Tusk – Set the Dial 
(Sludge/ Stoner Rock)


Black Tusk kommen aus Savannah in Georgia, einem Ort mit gerade einmal 130.000 Einwohnern, der aber bereits Kylesa, Baroness und Circle takes the Square hervorgebracht hat. Das schafft also auch eine Erwartungshaltung, der die Band auf Set the Dial aber mühelos gerecht wird. Der heftige Sludge der Band ist durchzogen von großartigen, hymnischen und vor allem einprägsamen Passagen ohne Ende. Neben Stoner Rock gibt es auch Black Sabbath-Einflüsse, jede Menge Verbeugungen vor klassichem Metal und ein unwiderstehliches Rock and Roll-Feeling. Und die Riffs, mein Gott, die Riffs! Es ist einfach unmöglich zu dieser Musik nicht wild im Zimmer rum zu springen, das Haar zu schütteln und Luftgitarre zu spielen bis zur totalen Erschöpfung!

Charlotte Gainsbourg – Terrible Angels: Unheimlich, sexy & seltsam, unbedingt bis zum Ende schauen.

Wolfgang Müller – Ahoi 
 (Singer-Songwriter)


Wolfgang Müller macht auf Ahoi wunderbare deutsche Singer-Songwriter-Musik im elementarsten Sinne: Seine melancholische Stimme wird nur von einer verträumten und verspielten Akustik-Gitarre ergänzt. Der wahre Schatz sind aber die Texte, die poetisch, traurig, witzig und vor allem durchdacht sind ohne auch nur einen Funken Gefühl dabei zu verlieren. Neun der hier vertretenen elf Stücke gab es bereits auf den beiden Vorgängeralben zu hören, aber im intimen und zerbrechlichen Kontext der Akustikversionen entfalten diese Perlen eine noch größere Wirkung und sorgen für unaufhörliche Gänsehaut. Definitiv eines der schönsten Alben des Jahres.

 
Mammút - Leggdu Mig I Salt: Tolles, außergewöhnliches Live-Video Nr. 1

Trap Them – Darker Handcraft  
(Hardcore/ Crust)


Meine Fresse! Trap Them sind mit das heftigste, was ich dieses Jahr zu hören bekam. Leider habe ich ihnen erst viel zu spät eine Chance gegeben, als sie auf allen Best of Listen auftauchten und meine Neugier immer größer wurde. Dabei hatte die Band von Anfang so einiges, was sie genau richtig für mich machte. Darker Handcraft ist eine großartige Mischung aus Hardcore und Crust, eingängig, mitreißend und absolut brutal. Und für die Produktion ist mal wieder der allgegenwärtige Kurt Ballou (Converge) zuständig, der einen unheimlich dreckigen und fast schmerzhaft direkten Sound zaubert, perfekt zu Trap Them passend. Das Ergebnis ist ein Album, das dir gleichzeitig die Fresse poliert und zu fast schon zwanghaften Zuckungen führt.

O'Death - Black Dress: Tolles, außergewöhnliches Live-Video Nr. 2

The Rural Alberta Advantage – Departing 
 (Folk/ Singer-Songwriter/ Indie)


Ich habe The Rural Alberta Advantage erst dieses Jahr für mich entdeckt und Departing litt unfair darunter, dass ich seine Vorgänger Hometowns zuerst gehört hatte und sehr mochte. Im direkten Vergleich gab es dort mehr Hits und ich ließ Departing schnell links liegen und gab ihm keine Chance mehr. Erst mit etwas Abstand kann ich gegen Ende des Jahres erkennen, dass es vielleicht sogar das bessere Alben der Beiden ist. Denn wo Hometowns eine auf den zweiten Blick etwas zusammen gewürfelte Mischung aus unterschiedlichen Songs und Stimmungen ist, wirkt Departing einfach runder, geschlossener und deswegen auch dynamischer. Insgesamt ist die Musik natürlich immer noch dieselbe, aber das Album kann viel besser als Ganzes genossen werden. Der Sound ist darüber hinaus insgesamt überraschend rockig und mitreißend, es schwebt oft eine gewisse Wut in den Songs, die zu karthatischem Tanzen und lautem mitsingen einlädt.

Polyana Felbel - India: Tolles, außergewöhnliches Live-Video Nr. 3

Dark Castle - Surrender To All Life Beyond Form  
(Doom Metal/ Sludge)


Zuerst war ich enttäuscht vom zweiten Album von Dark Castle. Ich gab das Hören schnell auf und wagte erst am Jahresende wieder einen zweiten Versuch. Und siehe da, es zündet doch. Noch deutlich seltsamer und auch unzugänglicher als der Vorgänger Spirited Migration braucht Surrender To All Life Beyond Form mehr Geduld. Aber dann gibt es erneut eine extrem fette und dreckige Doom/Sludge-Walze um die Ohren. Es ist schon verblüffend, dass nur zwei Menschen/Instrumente und Stevie Floyds eindrucksvolles Shouting einen so massiven Sound erzeugen können. Nach einer Eingewöhnungsphase hat Surrender To All Life Beyond Form neben dem monströsen Sound auch eine größere Vielfalt und Dynamik als sein Vorgänger zu bieten und macht einfach viel Spaß!


  Austra - Lose It (Paperbag Session): Tolles, außergewöhnliches Live-Video Nr. 4


Harm's Way - Isolation 
(Hardcore)


Harm's Way aus Chicago klingen als ob Napalm Death gemeinsam mit Entombed ein Hardcore-Album aufgenommen hätten. Es ist unglaublich wie viel Energie und Testosteron die Band in ihren Sound packt. Das ganze klingt so tonnenschwer, brutal und dreckig, dass es unmöglich scheint die Faust dazu nicht in den Himmel zu strecken und durchs Zimmer zu springen wie ein Irrer. Solche Musik gibt es einfach viel zu selten: Man fühlt sich, davon angestachelt, für kurze Zeit in der Lage ganze Staaten zu stürzen, 500 Kilo zu stemmen oder zumidnest ein Hotelzimmer kurz und klein zu schlagen...Der Sänger sieht muskelbepackt und von Kopf bis Fuß tätowiert zwar sehr prollig, aber auch angemessen furchteinflößend aus und klingt wirklich wie Barney Greenway auf Steroiden. Er kotzt seine hasserfüllten Lyrics dem Hörer förmlich entgegen, bleibt dabei aber überraschend variabel: Er wechselt immer wieder zwischen angepisst, sehr angepisst und ultra angepisst. Das simple, aber extrem effektive Songwriting, die ultratief gestimmten Gitarren und der fette Sound tun ihr übriges um Isolation zu einem der brutalsten und besten Hardcore-Alben diesen Jahres zu machen.

Und in allerletzter Minute noch reingerutscht:

    
Moritz Krämer – Wir können nix dafür: Leider erst auf dem Fest van Cleef richtig entdeckt als er von Thees Uhlmann als „Deutschlands Joni Mitchell mit Haaren auf der Brust“ angekündigt wurde. Ehrliche, schräge Musik mit tollen deutschen Texten in denen ich mich absolut wiederfinden kann.

WU LYF - Go tell Fire to the Mountain: Trotz oder auch wegen merkwürdigem Image, durchdachtem Konzept und meistens unverständlicher Texte ist dieses Album dynamischer, aufregender Indie Rock, der mich schon beim ersten Hören in Euphorie versetzt hat.

The Civil Wars - Barton Hollow: Zwei schöne Menschen machen wunderschöne Folk Music mit toll harmonierenden Stimmen.

Clickclickdecker - Du Ich Wir Beide Zu Den Fliegenden Bauten: Eine Band, die live viel direkter, bewegender und einfach viel besser sind, bringen ein Live-Album raus - Sehr gut! 


Sigur Rós - Inni: Für alle, die noch keine Chance hatten die überwältigenden Live-Shows der Isländer zu erleben gibt mit der Cd/Dvd-Komination Inni die nächstbeste Entschädigung.

Danny Brown - XXX: Danny Brown hat eine für Rap absolut ungewöhnliche Stimme und sieht so "uncool" aus, dass G-Unit ihn nicht signen wollten. Wem das als Argument nicht reicht, sei gesagt, auf XXX gibt es dazu noch lustige/intelligente/hektische/mitreißende/ansteckende/wirre Raps, sehr gute Beats und herrlich viel Exzentrik...und das alles auch noch für umme! 

Kembe X - Self Rule: Noch mal Hip Hop, noch mal umsonst. Eher konventionell und Old School, klingt der erst 17-jährige Kembe schon wie ein Rap-Veteran mit tollem Flow, einem Talent für Storytelling und einer sehr guten Produktion für ein Self Release.