Montag, 19. Dezember 2016

Meine 100 Lieblings-Songs 2016

Dieses Jahr war es schwer...meine 100 Lieblingssongs des Jahres, begrenzt auf einen Song pro Album/Künstler. Unter der Liste sind vier Spotify-Listen mit allen Songs und noch ein paar mehr. Songs, die es nicht bei Spotify gibt, sind hier verlinkt. Enjoy! 



1. Carseat Headrest - The Ballad Of The Costa Concordia: Ein knapp 12-minütiger Song, darüber wie schwierig es ist (richtig) zu leben. Will Toledo beschreibt witzig und treffend, wie er (und wir alle) immer wieder am Leben scheitert und verflucht die fehlende Bedienungsanleitung. Der Song steigert sich immer weiter, baut mühelos ein paar Takte von Dido und eine Parallele zum Kapitän des Unglücksschiffs Costa Concordia ein, um schließlich in einem trotzigen "I give up!" zu kulminieren.

2. Pinegrove - Cadmium: Cadmium handelt von dem inneren Druck, der sich aufbaut, wenn man nicht sagt, was man denkt und plädiert für Offenheit und Ehrlichkeit. Diese Beschreibung ist perfekt für die Musik von Pinegrove - absolut ehrlich, zutiefst menschlich und gerade dadurch einfach wunderschön.

3. Hazel English - I'm Fine: Verzerrte Gitarren, verträumte Synths und eine eindringliche Stimme mit dem Mantra "I'm Fine", das natürlich für alles nur nicht für "Es geht mir gut" steht. Hazel English zaubert einen täuschend simplen, enorm berührenden Song über Depression und Unwohlsein.

4. Camp Cope - Lost (Season One): Georgia Maq singt über die verschiedenen Arten, auf die wir verloren sein können - vorübergehend oder grundlegend, in der Liebe oder im Leben und unwiederbringlich oder absichtlich. Ihre erderschütternde Stimme führt dabei eindrucksvoll durch die verschiedensten Stimmungen, die damit einhergehen.

5. Cobalt - King Rust: Nach einem Intro, das erhaben und vage orientalisch klingt, stürzen sich Cobalt trotzig und breit grinsend in den Abgrund. Der explosive, gigantische Song suhlt sich freudig im Dreck der menschlichen Existenz und ist dabei so absolut Metal, dass es unmöglich ist nicht mit den Füßen zu stampfen und die Fäuste in den Himmel zu strecken.

6. Flume - Numb And Getting Colder (feat Kučka): Flume macht zwei Arten von Songs auf seinem neuen Album: Eingängige, glatte Popsongs und eher experimentelle, kühle Electrosongs. Numb and Getting Colder ist Beides und deshalb für mich sein mit Abstand bester Song.  

7. Aesop Rock - Shrunk: Der Besuch beim Therapeuten als Videospiel mit Endgegner. Lustig, clever, voller toller Beobachtungen und beeindruckender Wortakrobatik. Die Therapeutin von Aesop Rock ist gleichzeitig sehr beneidens- und bemitleidenswert. 

8. Margaret Glaspy - No Matter Who: Margaret Glaspy macht mit ihrer genialen Stimme und ein paar absolut effektiven Riffs aus der alten "Kann nicht ohne die Liebe, kann nicht mit ihr"-Geschichte mitreißende, kleine Meisterwerke.

9. Rihanna - Needed Me: "Fuck Your Horse and your Carriage" ist definitiv eine meiner Lieblings-Lyrics des Jahres und der dazugehörige Song schafft es gleichzeitig Sex, Schmerz, Bedauern und Kraft auszustrahlen.

10. Jenn Champion - No One: Jenn Ghetto aka S heißt jetzt Jenn Champion und hat auf dem neuen Song den elektronischen Anteil und die Eingängigkeit erhöht. Das Ergebnis ist ebenso verwirrend, wie beeindruckend. Nie war augenscheinlich poppige, fast tanzbare Musik so erschütternd und traurig.


11. Martha - Chekhov's Hangnail: Martha sind textlich wie musikalisch eine unglaublich perfekte Mischung aus den Stärken von Pop Punk und Emo. Checkhov's Hangnail ist eingängiger Rocksong mit ganz viel Herz, etwas Schmerz und Selbstmitleid, aber auch einer guten Portion Humor und Augenzwinkern.

12. Vince Staples - Big Time: Vince Staples ist ein überaus selbstbewusster Rapstar, intelligenter, witziger aber auch zynischer Kommentator des Weltgeschehens, aber auch ein Künstler an dem trotz der Erfolge Depression und Unsicherheit nagen. Diese Aspekte und Widersprüche machen ihn gerade zu einem der aufregendsten Rapper der Welt. Sein traumwandlerischer Flow und die außerirdische Produktion auf Big Time helfen natürlich auch.

13.Emily Reo - Spell: Dieser Song ist eine Offenbarung! Emily Reo strickt aus den Zeilen “I can’t feel anything/ I don’t heal anything,” einen trügerisch simplen, aber schließlich überwältigenden Song über psychische Erkrankungen. Das bemerkenswerte ist, sie schafft das Ganze fast nur mit ihrer Stimme. Mit Hilfe von Vocoder und Loops lässt Reo sie zu einem ganzen Orchester heranwachsen, bevor ein echtes Orchester den Song übernimmt und langsam ins Unterbewusstsein hinüber führt.  

14. Charli XCX - Paradise (feat. Hannah Diamond): Die schräge, manchmal verstörende PC Music von Sophie trifft auf den Breitwandpop von Charli XCX. Heraus kommt ein absurder, gleichzeitig erhabener Monsterhit wie Paradise, der manchmal an Eurodance erinnert und eigentlich auf keinen Fall so gut funktionieren sollte, wie er es tut.

15. Radiohead - Daydreaming: Eine einfache Klaviermelodie und Thom Yorke's gespenstisches Falsetto - und sofort spüre ich diese Mischung aus Druck auf dem Herzen und seltsamer Erhebung - alles umfassende Melancholie mit einem Hauch von Euphorie. Das kann keine Band so gut wie Radiohead.

16. Nick Cave & The Bad Seeds - Magneto: Ein einsames Piano, immer wieder fast erdrückt von an- und abschwellendem Bass und nur kleine Fetzen anderer Instrumente setzt Nick Cave's vor Schmerz und Trauer triefende Stimme eindrucksvoll in Szene. Ein Song, der zum zuhören zwingt, auf einem wichtigen, aber fast unerträglich traurigen Album.

17. Danny Brown - Really Doe (feat. Kendrick Lamar, Ab-Soul, Earl Sweatshirt): Vier der besten Rapper der Welt spornen sich gegenseitig zum absolut Besten an, heraus kommt der seltene Posse-Track ohne Schwachpunkt und dafür ganz vielen Highlights.

18. Angel Olsen - Shut Up Kiss Me: Angel Olsen war schon immer ein absoluter Rockstar und eine göttliche Diva. Auf Shut Up Kiss Me lässt sie diesen Instinkten erstmals freien Lauf und das Ergebnis ist eine Hymne, die nur Tote nicht mitreißend oder sexy finden.

19. Solange - Cranes In The Sky: Ich habe selten RnB, oder generell Musik gehört, die so einfühlsam, gefühlvoll, erhaben und einfach nur schön ist. Solange macht zutiefst menschliche, aber trotzdem absolut magische Songs.

20. Young M.A - OOOUUU: Es ist sicher aufregend, dass Young M.A. in jeder Hinsicht den Stereotypen von Frauen im Rap entgegen läuft aber noch viel aufregender, dass sie eine absolut fantastische Rapperin mit großer Zukunft ist..


21 Anna Wise - BitchSlut

22. Oathbreaker - Needles In Your Skin: Das neue Album ist ein kleiner Quantensprung für Oathbreaker und hebt ihre Mischung aus Hardcore und Black Metal auf ein ganz neues Level. Aber das alles wäre nur halb so beeindruckend ohne Caro Tanghe, deren markerschütternde Schreie die flehende Frage "How could You go without me?" umrahmen und dabei so emotionsgeladen bleibt, dass die Gänsehaut gar nicht mehr weg gehen will.

23. Priests - JJ: Priests haben eine merkwürdige Mischung aus wütendem Punk und Surf Rock perfektioniert, die eigentlich nicht funktionieren dürfte, aber einfach großartig ist. Katie Alice Greer schreit und singt sich dazu die Seele aus dem Leib bis sich die Stimme überschlägt oder versagt.

24. Tinashe - Ride Of Your Life: Tinashe ist am besten, wenn sie nicht versucht Radio-Pop zu machen. Dann klingen sogar vermeintlich oberflächliche Songs über "The Good Life" nicht nur verdammt eingängig, sondern auch sexy und ein wenig düster und gefährlich.

25. Planes Mistaken For Stars - Fucking Tenderness

26. Poliça  - Berlin

27. Nothing - A.C.D. - Abcessive Compulsive Disorder

28. Maggie Rogers - Alaska: Alaska ist etwa auf halber Strecke zwischen Radiopop und Grimes, doch diese Beschreibung greift definitiv zu kurz. Besser ist es sich das Video anzuschauen, das den Song berühmt gemacht hat: Rogers stellt als Studentin den Song schüchtern Pharrell Williams vor, der sich vor Begeisterung kaum halten kann.

29. Subrosa - Despair Is A Siren

30. Brand New - I Am A Nightmare


31. Jenny Hval - Conceptual Romance: Das neue Album von Jenny Hval beschäftigt sich mit Vampiren und Menstruationsblut und sie wirft dabei mit Wörtern wie Abstract Romantisiscm und Sexual Holding Pattern um sich. Hval ist nicht nur die einzige Person, die scheinbar mühelos über solche Themen, Wörter und Konzepte singen kann, sie macht auch noch fantastische Songs daraus.

32. Joyce Manor - Eighteen: Ich habe selten einen Rocksong gehört, der so treffend Nostalgie, Reue und Melancholie vertont.

33. Frightened Rabbit - Get Out

34. Beyoncé - Freedom (feat. Kendrick Lamar) 

35. Moderat - Finder

36. Frank Ocean - Nikes

37. Austra - Utopia

38. Snow tha Product - Nights (feat. W. Darling)

39. Mitski - Your Best American Girl

40. Hamilton Leithauser + Rostam - In A Black Out: Wie der Name schon sagt ist dieses Projekt eine geniale Mischung aus The Walkmen und Vampire Weekend. Leithauser's einzigartige Stimme transportiert Gefühle irgendwo zwischen Melancholie und Euphorie, während Rostam und er darum tolle Songs aus unzähligen Ideen und Genres zusammen kombinieren.


41.Nails - Life Is A Death Sentence: Bei der Beschreibung von Metal- und Hardcorebands verfällt man oft in die Falle holpriger, übertriebener Vergleiche. Aber wie soll man dieses Monstrum anders beschreiben als unaufhaltsame Naturgewalt?

42. Lisa Hannigan - Snow: Lisa Hannigan hat eine der schönsten Stimmen überhaupt, gleichzeitig Balsam für die Seele und zutiefst aufwühlend. Ein Song wie Snow klingt so schön und mühelos, dass man beim Hören leicht vergisst, wie überwältigend und beeindruckend er eigentlich ist.

43. Japanese Breakfast - Heft

44. Crying - Revive: Wer altmodischen Stadionrock mit nostalgischem Synth Pop zu etwas Explosiven und Spaßigen vermischt und dabei noch ganz modern und eigenständig klingt, hat definitiv einen Platz auf dieser Liste verdient.

45. Kanye West  - FML

46. Kendrick Lamar - untitled 02 06.23.2014

47. Suuns - UN-NO

48. Blood Orange - Best To You (feat. Empress Of)

49. Audio88 & Yassin - Weshalb ich Menschen nicht mag: In einem Jahr in dem Nationalismus, Postfaktische Politik und Empathielosigkeit deprimierend erfolgreich waren, sind Songs wie dieser leider sehr wichtig.

50. The Avalanches - Because I'm Me


51. Anohni - Drone Bomb Me: Auf Albumlänge ist mir die Mischung aus der gleichförmigen, elektronischen Produktion von Hudson Mohawke, der dramatischen, weinerlichen Stimme und den gut gemeinten, aber mit hohem Fremdschäm-Potential versehenen Texten eindeutig zu viel. Aber die majestätische, vor Emotionen brodelnde Stimme von Ahnoni kann auch hier immer noch für absolute Gänsehautmomente sorgen.

52. Okkervil River - Judey On The Street

53. P.O.S - Sleepdrone / Superposition (feat. Allan Kingdom, Astronautalis, Eric Mayson, Kathleen Hanna, Hard_R, Lydia Liza, Lizzo & Nicholas L. Perez): Bei diesem Rap-Monstrum kann man quasi in Echtzeit beobachten, wie Stef Alexander versucht wieder ins Leben und zur Musik zu finden, nach dem ihn seine versagenden Nieren fast das Leben gekostet haben. Er hadert mit dem Leben und seiner Musik, aber kommt am anderen Ende noch motivierter und stärker wieder hervor.

54. PUP - Sleep in Heat

55. Shearwater - A Long Time Away

56. Trentemøller - River In Me: Ein dänischer Electro-Produzent brachte das beste Post-Punk Album des Jahres heraus und zusammen mit der hypnotischen Jenny Beth von Savages auch einen unwiderstehlichen Hit.

57. Trixie Whitley - Closer

58. White Lung - Kiss Me When I Bleed

59. Mannequin Pussy - Hey, Steven

60. Slothrust - Horseshoe Crab


61. Allison Crutchfield - Dean's Room

62. The Body - Shelter Is Illusory: Wie hässlich und verstörend kann man Musik machen, ohne das die Schönheit und Erhabenheit ganz begraben werden? Shelter is Illusory lotet die Grenzen eindrucksvoll aus.

63. Faber - Alles Gute

64. Loamlands - Restless One

65. Gordi - Avant Gardener: Gordi macht aus der Slacker Hymne von Courtney Barnett eine tieftraurige Pianoballade. Nicht nur wunderschön, sondern auch überraschend gut passend zur Geschichte einer ziellosen Frau, die eine Panikattacke bekommt.

66. Jennifer Rostock - Hengstin: Die Musik ist irgendwo zwischen M.I.A.-Kopie und Trap-Beat, aber auch euphorisierend. Der Text ist mal holprig, mal zum Fremdschämen, aber für eine deutsche Popband, die Teenagerinnen zu ihrer Hauptzielgruppe zählt auch absolut begrüßenswert. 

67. Whitney - No Matter Where We

68. Swain - Kiss Me Hard

69. Swet Shop Boys - Shottin

70. July Talk - So Sorry: Neben Peter Dreimanis' whiskeygetränkter Röhre blieb Leah Fay bisher immer nur die Rolle zwischen Unschuld und Verführung. So Sorry profitiert enorm davon, dass sie endlich mal richtig aufdreht und ihren Aggressionen freien Lauf lässt.


71. Clams Casino - A Breath Away (feat. Kelela): Ein RnB-Song, der sich Zeit lässt und dann wunderschön aufblüht und sich öffnet.

72. Die Höchste Eisenbahn - Blume

73. Dinosaur Jr. - Be a Part: Dinousaur Jr. haben die Kombination aus epischem Rock und alles durchdringender Melancholie perfektioniert und ruhen sich mittlerweile etwas auf ihren Lorbeeren aus. Trotzdem sind sie immer noch zu kleinen Wundern wie diesem fähig.

74. Super Unison - Broken

75. Tim Hecker - Black Phase: Die Musik von Tim Hecker war schon immer mystisch, magisch, fremdartig. Doch mit Kirchenchor und Orgel in seinem Ambient-Sound wird dieser Eindruck noch deutlich verstärkt und das Ergebnis ist beeindruckend.

76. Abi Reimold - Stars -> Video

77. Totenmond - Fort von Gott: Es ist absurd, dass Totenmond mal mit Bands wie Rammstein verglichen wurden...trotz ihres minimalen Setups und auf dem Papier simplen Songstrukturen, bleibt die Band eine der mächtigsten Metalbands und Sänger Pazzer der beeindruckendste 'Sänger' im deutschsprachigen Metalraum.

78. Strand Of Oaks - Radio Kids

79. Skepta - Corn on the Curb (feat. Wiley)

80. Cult of Luna and Julie Christmas - Chevron: Julie Christmas ist immer noch eine der aufregendsten Sängerinnen in der härteren Musik und auch wenn Cult of Luna hier nicht ganz die Höhen von Christmas' bisherigen Mitstreitern erreichen, ist Chevron immer noch ein beeindruckender Showcase.


81. LUH. - Lost Under Heaven

82. Altarage - Cultus

83. Captain Planet - Kreisel

84. The Chainsmokers - Don't Let Me Down (feat. Daya): The xx-Melodien + Rihanna-Typ-Stimme + EDM-utz utz utz = Brutaler Ohrwurm und der mit Abstand beste Song einer unerklärlich populären Band.

85. Minor Victories - Scattered Ashes (Song For Richard): Eine Post-Rock/Alternative Super Group holt sich einen der einzigartigsten Sänger aus diesen Genres als Gast. Das Ergebnis ist wenig überraschend ebenso episch wie erhebend.

86. Mothers - It Hurts Until It Doesn't

87. Self Defense Family - In Those Dark Satanic Mills

88.2 Chainz - Gotta Lotta (Feat. Lil Wayne)

89. Alicia Keys - Blended Family (What You Do For Love)(feat. A$AP Rocky): Ihr fantastischer La Blogothèque-Auftritt hat mich bekehrt und dieser wunderschöne, vor Liebe überschäumende Song über Keys' Patchwork-Familie macht mich endgültig zu einem Fan.

90. Låpsley  - Love Is Blind


91. Ariana Grande - Into You 

92. Braids - Joni

93. Local Natives - Past Lives

94. Carly Rae Jepsen - Higher: Die B-Seiten von Carly Rae Jepsen klingen noch mehr nach 80er Jahren, aber genauso frisch und euphorisierend, wie ihr Album aus dem letzten Jahr. Besser als 99% der Pop-Musik aus diesem Jahr...

95. Emma Ruth Rundle - Protection

96. For Everest - The Body

97. M83 - Go!

98. Schoolboy Q - Ride On (Feat. Vince Staples): ich konnte mich nie wirklich anfreunden mit der Musik von Schoolboy Q, aber die Anwesenheit von Vince Staples macht einfach alles besser und spornt alle zu Höchstleistungen an.

99. Lucy Dacus - I Don't Wanna Be Funny Anymore

100. M.I.A.  Go Off

Sonntag, 11. Dezember 2016

Meine 20 Lieblingsalben 2016

Ein beschissenes Jahr für die Welt, ein sehr gutes Jahr für die Musik. Meine Top 20 Alben des Jahres 2016 in alphabetischer Reihenfolge...


Aesop Rock - The Impossible Kid

'You pack up all your manias, you're sitting in the waiting room. You're dreaming of arcadia, you're feeling like a baby tooth. Awaiting panacea, channeling your inner Beowulf.
In purgatory just before you pay up to filet yourself and others, in the name of help, coal on a conveyor belt.'

Aesop Rock rappt wahrscheinlich immer noch über ähnliche Themen wie schon immer: das Älter werden, Depressionen, seine Familie, sein Leben und seine Katze. Die größte Neuerung auf The Impossible Kid ist, dass man ihn jetzt auch verstehen und nachvollziehen kann. Denn bisher war er neben seinem gigantischen Wortschatz und Raptalent, vor allem dafür bekannt, eben jene für einen unterhaltsamen, aber fast vollkommen unverständlichen Stream of Conciousness-Stil einzusetzen.

Auf dem neuen Album tauscht Rock das Kryptische gegen eine leichter verständliche Selbstreflektion ein. Ansonsten hat sich wenig in der Musik geändert und das ist auch gut so. Der Humor ist immer noch zentral, ebenso wie die übersinnliche Gabe für Wortspiele und Sprachbilder. Einem Song über den Alltag seiner Katze, versieht der Rapper mit ebenso viel Liebe zum Detail und Beobachtungsgabe wie Songs über psychische Probleme und die Orientierungslosigkeit im Leben. In allen Themen scheint Aesop Rocks trockener Humor durch, aber auch eine Tiefe, die fast allen anderen Rappern abgeht.
Die größte Stärke aber ist, dass das lyrische Talent und die zentrale Rolle der Texte aus dem Album keine schwerfällige, anstrengende oder akademische Musik macht. Impossible Kid ist ein wirklich überraschend unterhaltsames und eingängiges Album.  

Highlights: Lotta Years, Blood Sandwich, Dorks, Shrunk, Kirby, Water Tower



Beyoncé - Lemonade

'What are you doing my love?'

Wenn ein scheinbar perfekter und unantastbarer Popstar ein enorm persönliches und intimes Album über Untreue und die Konsequenzen veröffentlicht, erregt das natürlich große Aufmerksamkeit. Viel wichtiger als mögliche Parallelen zu ihrem echten Leben aber ist, dass Beyoncé mit Lemonade ein enorm abwechslungsreiches und ambitioniertes Pop-Album heraus gebracht hat, das einfach unglaublich stimmig und zeitlos wirkt. 

Liebligslieder: Pray You Catch Me, Don't Hurt Yourself (feat. Jack White), Forward (feat. James Blake), Freedom (feat. Kendrick Lamar), Formation



Camp Cope - Camp Cope
 

'I wanna be losers forever. Drink coffee in bed together.
And not talk to anyone and figure out what it is that we had lost.'

Camp Cope sind ein Trio aus Melbourne, das aus dem Soloprojekt von Sängerin und Gitarristin Georgia Maq entstanden ist. Sie machen im weitesten Sinne Indie Rock mit Emo- und Pop Punk Sensibilitäten. Zwei Dinge hebt die Band weit über die zahllosen Bands, die ähnliche Musik machen. Erstens ist da der ungewöhnliche Rollentausch der Instrumente. Während Maqs eher unauffällige Gitarre die Songstruktur aufrecht erhält, ist Kelly-Dawn Hellmrichs Bass praktisch ein großartiger Lead Gitarren-Ersatz.

Und zweitens ist da Maqs umwerfende Stimme - kraftvoll, unglaublich gefühlvoll und durch den australischen Akzent irgendwie noch eindringlicher. Ihre Stimme eskaliert, zusammen mit den Songs, von resigniertem Singer-Songwriter Flüstern zu schmerzhaft intensiver Rockröhre. Die Texte befassen sich mit Verlust, Schmerz, Orientierungslosigkeit im Leben und den unzähligen Ungerechtigkeiten des Lebens. Maqs Texte sind persönlich, direkt und bildgewaltig - es gibt unzählige Textzeilen, die sofort im Gedächtnis hängen bleiben. Vor allem auch, weil ihre Stimme eine Ehrlichkeit ausstrahlt, die selbst Einkaufszettel, wie epische Liebesgeschichten wirken lassen würde.

Highlights: Done, West Side Story, Lost (Season One), Stove Lighter



Car Seat Headrest - Teens Of Denial
 

'Good people give good advice: Get a job, eat an apple, it'll work itself out.
It's a phase, It's chemistry, It's your own fault.
Well don't listen to us. We're just people too.'

Das beste, kreativste und ambitionierteste Rockalbum des Jahres handelt ironischerweise zu großen Teilen vom Aufgeben, Rumhängen und einer Orientierungs- und Planlosigkeit, die mal romantisiert und mal verteufelt wird.

Doch gerade das macht die Musik von Will Toledo so resonant und großartig. Fast jeder hat sich schon mal gefühlt wie der Ich-Erzähler von Teens of Denial. Er stolpert durch Parties, Beziehungen und das Leben. Er macht Fehler, sucht seinen Weg und muss sich anhören, dass er nichts aus seinem Leben macht. Er rebelliert ohne zu wissen warum oder wogegen eigentlich und am Ende gibt er auf, aber mit erhobenem Mittelfinger. Das alles ist immer verständlich und nachvollziehbar, aber es macht eben auch einfach enorm Spaß!

Denn, auch wenn Toledo eine manchmal nölige und jammernde Stimme hat, ist seine Musik nie bloßes Selbstmitleid. Stattdessen verpackt er seine Reflektionen in expansive, explosive Rocksongs mit mehr Ideen und Hakenschlägen als viele Musiker in ihrer ganzen Karriere hervor bringen.

Highlights: Fill In The Blank, Not What I Needed, Drunk Drivers/Killer Whales, The Ballad Of The Costa Concordia



Cobalt - Slow Forever

'And bodies unmend. And hearts unmend.
And prayers unattended. And the animals rule.'

In einer Musikwelt, in der Bands sich immer mehr in der Kombination von Genres als Sport versuchen, transzendiert das vielleicht beste Metalalbum des Jahres Genres einfach völlig. Slow Forever ist Black Metal, Crust Punk, Doom Metal und vieles mehr, aber Cobalt klingen nicht so vielfältig, dass sie nicht einzuordnen wären, sondern machen aus den unzähligen Metal-Bausteinen einen so vollständigen und massiven Sound, dass vollkommen irrelevant wird, nach was ein bestimmter Song gerade klingt.

Die einfachste Möglichkeit die Band trotzdem zu kategorisieren, wäre einfach die Bezeichnung 'Metal' und am besten mit ein paar '!' Die Songs sind brutal, wütend, episch, überwältigend und einfach verdammt gut. Sänger Charlie Fell schafft es wie ein absolut von Dämonen geplagter Mann zu klingen und gleichzeitig wie der Dämon aus der Hölle selbst. Er schreit, knurrt und fleht sich durch absolut monumentale Songs und bleibt dabei eine durchweg beeindruckende Präsenz.

Begleitet wird dieser Weg in die Dunkelheit von Erik Wunder, der ein Album komplett alleine geschrieben hat, das sowohl an Ambition und purer Kraft eher klingt wie fünf Alben. Slow Forever hat lange Songs und ist selbst sehr lang, doch Wunder packt so viel Großartiges in jeden einzelnen Song, ohne das es auch nur eine Sekunde nach zu viel klingt oder nach dem oben erwähnten 'Genre Hopping'. Stattdessen erschuf er ein endlos hörbares Metalalbum, wie sie es viel zu selten gibt.

Highlights: Hunt The Bufallo, Beast Whip, King Rust, Cold Breaker



Danny Brown - Atrocity Exhibition

'Your worst nightmare for me is a normal dream. And if I learned anything.
Is don’t nod off with ya motherfucking cigarette burning.
Knocking on my door but I won’t answer. Residue on mirrors, Jojo dancer.'

Die Musik von Danny Brown war schon immer ein manisch-depressiver Höllenritt in die dunkelsten Ecken seiner Psyche. Doch bisher standen den autobiographischen Texte über Drogen und Depressionen auch welche über Browns wildes Partyleben gegenüber, die zwar auch nie wirklich fröhlich, aber doch in überzeugende Hip Hop-Banger verpackt waren. Damit ist auf Atrocity Exhibition endgültig Schluß, die berüchtigte "Downward Spiral" scheint fast ganz unten angekommen zu sein. 

Das Album hat immer noch so etwas wie Hits oder Banger und Danny Brown ist nach wie vor ein fantastischer Old School Rapper. Doch wohl niemand sonst würde sich trauen über Beats und Produktion zu rappen, die so verrückt und fremdartig sind. Noise-Anleihen und abgefahrene Samples machen aus den Tracks so etwas wie vertonte Neurosen und Zusammenbrüche. Brown rappt dazu energiegeladen und doch resigniert, euphorisch und kaum klar - alles mit traumwandlerischer Sicherheit. Seine manische, höhere Stimmlage überwiegt, doch Brown nutzt seine tiefere Stimmlage ebenso effektiv für die etwas gedämpften Songs. Atrocity Exhibition ist ein anstrengendes und forderndes Album, aber auch ein zutiefst lohnendes.    

Lieblingslieder: Tell Me What I Don't Know, Really Doe (feat. Kendrick Lamar, Ab-Soul and Earl Sweatshirt), Ain't It Funny, From The Ground (feat. Kelela), When It Rain



Flume - Skin/Skin Companion EP I
 

'What I would do to take away this fear of being loved. Allegiance to the pain.
Now I'm fucked up and I'm missing you.'

Flume macht guten, poppigen EDM, produziert Hip Hop Songs und düstere, nervöse elektronische Musik. Er kann das alles sehr gut, aber manchmal ist es etwas zu viel, wenn diese so verschiedenen Stile nebeneinander stehen. Vielleicht wären deshalb drei EPs besser gewesen als ein Album Aber es lässt sich auch nicht leugnen, dass Skin einige großartige Songs hat und zusammen mit der ersten Begleit-EP kann man aus Flumes Output ein fantastisches Album zusammen basteln.

Never Be Like Me ist ein überraschend kraftvoller EDM Song, der es zurecht bis ins Radio geschafft hat und Smoke & Retribution ist auch dank Vince Staples ein absoluter Banger. Doch es sind vor allem die düsteren, unzugänglicheren und seltsameren Songs, die wirklich fesseln. Numb & Getting Colder klingt wie eine euphorische Parallel-Welt-Version von fka twigs. Und Songs wie Helix oder Wall Fuck ist EDM durch die Mangel genommen bis zum Delirium. Das Album hat insgesamt zu viele Gastsänger und ein paar beliebige Popmomente, aber wenn es gut ist, dann richtig. Die EP setzt diesen Trend fort, mit zwei Popsongs und zwei etwas Experimentellen, aber mit einer noch höheren Trefferquote.     

Lieblingslieder: Never Be Like (feat, Kai), Numb & Getting Colder (feat. Kučka), Wall Fuck, Smoke & Retribution (feat. Vince Staples and Kučka), Free, Trust (Isabella Manfredi), v



Loamlands - Sweet High Rise
 


'Gotta keep on walking, gotta keep on walking.
I know it's hard to do, but you just start with your left foot..'

Kym Register und Will Hackney machen kraftvollen, optimistischen und fußstampfenden Folk-Rock mit einer guten Portion Punk. Ihre Songs haben vieles was typisch nach Folk und Country klingt, aber von Klischees oder Vorhersehbarkeit sind Loamlands sehr weit entfernt, dafür klingt alles viel zu ehrlich. Dazu kommt, neben dem Punk auch eine gehörige Portion Rock n Roll und eine deutlich hörbare Fleetwood Mac-Anbetung. Die Musik und die Texte von Sweet High Rise sind dazu tief mit Durham verbunden, wo Register und Hackney leben und tief in der Musik- und DIY-Szene verwurzelt sind. Registers Texte erzählen die Geschichte von Durham mit LBGTQ, Polizeigewalt, Unterdrückung, aber auch Liebe und Freundschaft. Sie sind persönlich, kraft- und hoffnungsvoll.

Die Musik dazu ist überraschend eingängig und hat viel mit populärer Folk- und Rockmusik zu tun, geht aber in jeder Hinsicht viel tiefer.     

Lieblingslieder: Another Reason, Restless One, What Kind Of Love, Folk Hero, Get Ready



Mannequin Pussy - Romantic
 

'I pledge allegiance to myself and nothing else, oh nothing.'

Ich habe selten eine so erfolgreiche Fusion aus Punk, Hardcore, Noise, Grunge und Pop gehört wie bei Mannequin Pussy. Die Songs sind zuckende, wütende Energieschübe, die vor Ideen nur strotzen und nie still stehen.

Dazu ist Sängerin Marisa Dabices Stimme eine beeindruckende Allzweckwaffe. Sie ist Rockröhre, kann vollkommen hysterisch schreien, aber auch (mal mit Augenzwinkern und mal eindeutig vor Ironie triefend) süß und schön singen. Die Musik hält mit ihr Schritt, ist mal kraftvoller Indie Rock, mal rotziger Punk und dann wieder Nirvana auf Steroiden oder irgendwas zwischen Noise und Metal. Erschöpfend, aber berauschend.

Highlights: Romantic, Emotional High, Pledge, Hey, Stephen



Margaret Glaspy - Emotions And Math


'Still in love.
I'm still in love.
Are you?'

Margaret Glaspy spielt auf einer kaum verzerrten E-Gitarre simple, aber clevere Melodien und singt dazu. Sie macht also Musik, die zunächst trügerisch nach introspektiver Singer-Songwriterin klingt. Aber eigentlich verbirgt sich dahinter wilde Rockmusik und Glaspy ersetzt süße Klänge durch kantige Riffs und ihre gigantische, raue Stimme.
Und diese Stimme ist ein kleines Wunder: Verletzlich und schön, aber auch kratzig und kraftvoll. Sie singt direkt und explizit über Liebe, Sex und die unzähligen Probleme, die damit einher gehen. Es sind vielleicht die gleichen Themen, wie bei typischer Singer-Songwriter Musik, aber mit dieser ungewöhnlichen Stimme, bringt Glaspy auch eine absolut erfrischende Persönlichkeit in ihre Texte.  

Highlights: Emotions and Math, You And I, No Matter Who, Memory Street, Parental Guidance



Martha - Blisters In The Pit Of My Heart


'I won't take a compliment, but I will ruminate for hours on a single mean remark.
Collecting them like ornaments, the nasty things that people say that I save up to think about when it gets dark.'

Martha aus Pity Me(!) in County Durham machen unwiderstehlich eingängigen, humorvollen und intelligenten Pop Punk mit wunderbar dickem nordenglischen Akzent. Das Quartett schafft es dabei den uralten Themen wie Aufwachsen in der Kleinstadt oder junger Liebe wieder etwas Neues und aufregendes zu verpassen. 

Das liegt neben der bereits beschrieben Eingängigkeit der Songs vor allem an der ansteckenden Energie der Band und ihrer perfekt dosierten Mischung aus Ernsthaftigkeit und Augenzwinkern. Alle vier Bandmitglieder wechseln sich mit dem Gesang ab und nach einer Eingewöhnungsphase erhöht das den Spaßfaktor des Albums noch deutlich - vor allem wenn man auf die unzähligen, fantastischen Textzeilen achtet, die sich in den scheinbar so simplen Songs verbergen. Während die Band, die sich selbst als DIY, Straight Edge, Vegan und Anarchistisch bezeichnet, sicher am besten mit der Bezeichnung "Punk" bedient ist, überwiegt musikalisch sogar oft der Popanteil. Immer wieder gibt es aber auch einen mächtigen Refrain und überraschend explosive Gitarrensoli, die Martha irgendwie noch einzigartiger machen... 

Highlights: Chekhov's Hangnail, Do Whatever, The Awkward Ones, Curly & Raquel



Nails - You Will Never Be One Of Us


'You don't fucking stand for shit. Die.'

You Will Never Be One Of Us ist der perfekte Soundtrack für ein politisch und gesellschaftlich wirklich beschissenes Jahr. Nails destillieren ihren mittlerweile perfektionierten Sound zwischen Grindcore, metallischem Hardcore und Death Metal zu brutalen Songmonstern, die fast immer deutlich unter zwei Minuten bleiben. Die Musik strahlt pure Wut aus und hämmert erbarmungslos auf den Hörer ein.

Im Gegensatz zu den meisten Grindcore- oder auch nur "richtig brutalen" Bands, haben Nails aber jede Menge Hooks und jede Menge Abwechslung, die über bloße Tempowechsel hinaus geht (auch wenn Nails auch diese, wie kaum eine andere Band beherrschen).

Lieblingslieder: Friend To All, Life Is A Death Sentence, In Pain, They Come Crawling Back   



Nick Cave & The Bad Seeds - Skeleton Tree


'I used to think that when you died you kind of wandered the world.
In a slumber till you crumbled, were absorbed into the earth.
Well, I don't think that any more.'

Der 15-jährige Sohn von Nick Cave starb bei einem Unfall während den Aufnahmen von Skeleton Tree und es ist unmöglich das Album ohne diese sinnlose Tragödie im Hinterkopf zu hören. Auch wenn die meisten Songs schon vorher geschrieben waren und die Texte offenbar andere Themen haben, sind es Trauer und Verlust, die aus jeder Sekunde von Skeleton Tree heraus ragen und das Album zu einem fantastischen, aber oft auch fast unhörbar erdrückenden und traurigen Hörerlebnis machen.

Nick Caves Stimme ist immer noch kraftvoll, doch hier klingt er resigniert und traurig. Man fühlt sich wie ein seelischer Voyeur, doch diese Stimme und die brutalen, aber poetischen Texte, machen ein Weghören unmöglich. Die Musik um Caves Stimme ist eine an- und abschwellende Kakophonie aus Klavier, Streichern, Drones, Noise und den Überresten einer Rockband, die sich irgendwie schlüssig um diese magische Stimme sortieren und die Gefühle noch weiter verstärken.

Highlights: Magneto, Anthrocene,  I Need You



Nothing - Tired Of Tomorrow

'Watch out for those who dare to say, that everything will be okay.
Watch out for those who want to be anything at all.'

Was kommt heraus, wenn Veteranen der Hardcore-Szene mit düsterer Vergangenheit ein Shoegaze-Album machen? Ein seltsamer Hybrid aus schwebend-ätherischem und doch mitreißendem Sound und eine Stimmung, die immer wieder seltsam heiter ist, obwohl einen der depressive Grundton meistens zu erdrücken droht beim Hören.

Der Sound der Band lässt sich mit zwei gegensätzlichen Fragen gut beschreiben: Was wäre, wenn Shoegaze wirklich eingängig wäre? Und: Wie ausgewaschen und fremdartig kann Indie Rock klingen und immer noch poppig sein? Dass die Antwort auf beide Fragen Nothing ist, macht Tired of Tomorrow so gut...

Lieblingslieder: Fever Queen, A.C.D. - Abcessive Compulsive Disorder, Nineteen Ninety Heaven, Our Plague



Pinegrove - Cardinal


'I resolve to make new friends.
I liked my old ones. But I fucked up, so I'll start again.'

Pinegrove klingen auf ihrem Debüt-Album als ob sie das schon ganz lange machen und trotzdem neu und aufregend. Die Songs erinnern an ganz viele andere Bands und sind doch mitreißend und einzigartig. Musikalisch sind Pinegrove eine Rockband, die aber vom Sound mehr an eine alternative Country Band erinnert und daneben an eine optimistischere Version der besten Emobands der letzten 20 Jahren.

Evan Stephens Hall hat diesen typischen Country "Twang" in der Stimme, aber auch mehr Leidenschaft und Herz als praktisch jeder andere Sänger. Dazu schreibt er sehr persönliche Texte über bekannte Themen, aber mit einem ungewöhnlichen Blickwinkel und Vokabular. Musik, die so direkt und ehrlich ist, kann oft auch kitschig oder peinlich sein, doch Pinegrove schaffen es mit ihrer vertrauten und trotzdem spannenden Art Musik zu machen den Zuhörer sofort einzufangen. Es ist diese Verbindung, die Cardinal zu einem so tollen Album macht.

Um Hall als Hauptsongwriter und faszinierenden Mittelpunkt, sind Pinegrove aber auch eine eingespielte Band, deren Musik trotz aller Vertrautheit immer wieder unerwartete Wendungen und Details erkennen lässt.

Diese Band läd ein zum obsessiven Hören, auch ihr vorheriger Output und vor allem ihre fantastischen Live-Auftritte sollten gehört werden. Trotzdem komme ich immer wieder zu diesem fantastischen Album zurück.

Highlights: Old Friends, Cadmium, Aphasia, Size Of The Moon



Poliça - United Crushers
 

'Whatchya wanna be when you’re big enough to see it’s all shit?'

Poliça machen eine nur schwer beschreib- oder fassbare Mischung aus RnB, elektronischer Musik, zwei prominenten Schlagzeugen und der einzigartigen Stimme von Sängerin Channy Leaneagh.  Trotz oft massiver Bearbeitung ihres Gesangs und der eher kühlen Atmosphäre der Musik um sie herum, strahlt Leaneagh eine spürbare Wärme und Melancholie aus. Gleichzeitig zieht sie mit ihrer gefühlvollen Stimme die Aufmerksamkeit auf sich und begleitet den Hörer durch die sich ständig wandelnde, spannungsgeladene musikalische Welt von 
Poliça.   

Highlights: Someway, Wedding, Top Coat, Lately, Berlin, Lose You



Solange - A Seat At The Table


'I hope my son will bang this song so loud that he almost makes his walls fall down.
Cause his momma wants to make him proud. Oh, to be us.'

Solange war bisher für mich vor allem die kleine Schwester von Beyoncé, bekannt durch eine gewaltsame Auseinandersetzung mit Jay-Z in einem Aufzug und als deutliche Stimme gegen die Diskriminierung von Schwarzen in den USA.

Das fantastische A Seat At The Table hat aber ziemlich wenig mit dem Breitwand-Pop ihrer Schwester zu tun und ist auch kein wütendes Protestalbum. Stattdessen ist es eine wunderschöne, einfühlsame Meditation über die Kultur und das Leben von Schwarzen geworden - politisch, aber auch persönlich.

Wie auch Beyoncé hat sich Solange für ein so ambitioniertes Werk jede Menge beeindruckende Künstler in das Boot geholt. Doch anders als auf Lemonade, klingt A Seat At The Table weniger nach Spektakel und mehr nach umfassenden und tiefgründigem künstlerischen Statement. Die Songs sind alle Hits, fließen aber auch wunderbar zusammen zu einem Gesamtkunstwerk, ebenso wie zu einem mutigen Statement. Und im Mittelpunkt steht unverkennbar Solange und ihre beeindruckende Vision und Stimme. 

Lieblingslieder: Weary, Cranes in the Sky, F.U.B.U.(feat. The-Dream, BJ The Chicago Kid), Scales (feat. Kelela)



Subrosa - For This We Fought The Battle Of Ages


'Paradise is a lie if we have to burn you at the stake to get inside.
Paradise is a lie if you’re not by my side.'

Ein Doom Metal Album, das sich thematisch mit einem 100 Jahre alten dystopischen Roman aus Russland befasst? Klingt verkopft und anstrengend. Stattdessen ist es aber ein fantastisches, zu Tränen rührendes Ungetüm geworden.

Das liegt sicher daran, dass Subrosa keine typische Doom Metal Band sind. Die Band hat zwei elektronische Violinen, die kein Gimmick, sondern zentraler Bestandteil des Sounds sind und drei Sängerinnen in deren Mittelpunkt mit Rebecca Vernon eine der beeindruckendsten (Metal)-Sängerinnen steht. 

Wobei die Bezeichnung Metal viel zu einschränkend ist. Vernon schreit auch mal und hat generell eine gewaltige Stimme, aber sie kann unglaublich gefühlvoll und variabel singen. Das gilt auch für den Rest der Band. Subrosa sind äußerst heavy und Meister der langen, schleppenden, oft erdrückenden Songs. Aber noch mehr als bei den Vorgängeralben, wird dieser Sound hier durch Folk, Grunge und generell ein Gespür für Melodien erweitert. Die Band kann den Hörer erdrücken, aber auch zutiefst rühren und bewegen.

Lieblingslieder: Despair Is A Siren, Killing Rapture, Troubled Cells



Suuns - Hold/Still


'Resist!'

Hold/Still wirkt wie ein Experiment von Suuns, wie sperrig und schräg ein Rock(?)-Album sein kann, ohne seine Faszinationskraft zu verlieren. Die Songs entfalten sich aus Repetition und verschiedensten Bruchstücken, dann kommt plötzlich eine absurd eingängige Melodie oder ein beeindruckender Groove, bevor das Ganze wieder zersplittert und sich neu zusammen setzt. Ist das Art Rock, Psychedelic oder Kraut Rock? Noise oder gar irgendwie elektronische Musik? Von allem etwas und eigentlich auch egal, plötzlich wackelt der Fuß, der Kopf nickt und auf einmal tanzt du und kannst nicht mal beschreiben wozu eigentlich oder warum...

Highlights: Instrument, UH-NO, Resistance, Translate 



Vince Staples - Prima Donna


'All the homies say I'm different, police say I raise suspicion.
Buy a million dollar home and blow my dome to paint the kitchen.'

Summertime '06 ist eines meiner Lieblingsalben aus dem letzten Jahr und auch eines meiner Lieblings-Rapalben überhaupt. Vince Staples verpackt düstere Geschichten über das Gangleben und den allgegenwärtigen Rassismus in komplexe, vor Selbstbewusstsein strotzende und mit einer guten Portion schwarzen Humor versehene Rapsongs.

Auf seinem neuen Mini-Album(?) geht er diesen Weg konsequent weiter, wird dabei aber noch ein ganzes Stück persönlicher und auch düsterer. Die Depression und Resignation blitzt nicht nur in den fast suizidalen Kinderreimen durch, die zwischen die Songs gestreut sind, sondern auch in den fast durchweg dunklen Songs. Das bemerkenswerte ist, dass Prima Donna trotzdem keine rein deprimierende Angelegenheit ist. Staples ist immer noch ein absurd fähiger und charismatischer Rapper und alte Weggefährten sowie James Blake(!) schneidern ihm dazu aufregende, überdrehte Beats auf den Leib.   


Lieblingslieder: War Ready, Loco (feat. Kilo Kish), Big Time