Ein beschissenes Jahr für die Welt, ein sehr gutes Jahr für die Musik. Meine Top 20 Alben des Jahres 2016 in alphabetischer Reihenfolge...
Aesop Rock - The Impossible Kid
'You pack up all your manias, you're sitting in the waiting room. You're
dreaming of arcadia, you're feeling like a baby tooth. Awaiting panacea,
channeling your inner Beowulf.
In purgatory just before you pay up to filet yourself and others, in
the name of help, coal on a conveyor belt.'
Aesop Rock rappt wahrscheinlich immer noch über ähnliche Themen wie
schon immer: das Älter werden, Depressionen, seine Familie, sein Leben und
seine Katze. Die größte Neuerung auf The Impossible Kid ist, dass man ihn jetzt
auch verstehen und nachvollziehen kann. Denn bisher war er neben seinem
gigantischen Wortschatz und Raptalent, vor allem dafür bekannt, eben jene für
einen unterhaltsamen, aber fast vollkommen unverständlichen Stream of Conciousness-Stil
einzusetzen.
Auf dem neuen Album tauscht Rock das Kryptische gegen eine leichter
verständliche Selbstreflektion ein. Ansonsten hat sich wenig in der Musik
geändert und das ist auch gut so. Der Humor ist immer noch zentral, ebenso wie
die übersinnliche Gabe für Wortspiele und Sprachbilder. Einem Song über den
Alltag seiner Katze, versieht der Rapper mit ebenso viel Liebe zum Detail und
Beobachtungsgabe wie Songs über psychische Probleme und die
Orientierungslosigkeit im Leben. In allen Themen scheint Aesop Rocks trockener
Humor durch, aber auch eine Tiefe, die fast allen anderen Rappern abgeht.
Die größte Stärke aber ist, dass das lyrische Talent und die zentrale
Rolle der Texte aus dem Album keine schwerfällige, anstrengende oder
akademische Musik macht. Impossible Kid ist ein wirklich überraschend
unterhaltsames und eingängiges Album.
Highlights: Lotta Years, Blood Sandwich, Dorks, Shrunk, Kirby, Water Tower
Beyoncé - Lemonade
'What are you doing my love?'
Wenn ein scheinbar perfekter und unantastbarer Popstar ein enorm
persönliches und intimes Album über Untreue und die Konsequenzen
veröffentlicht, erregt das natürlich große Aufmerksamkeit. Viel wichtiger als
mögliche Parallelen zu ihrem echten Leben aber ist, dass Beyoncé mit Lemonade
ein enorm abwechslungsreiches und ambitioniertes Pop-Album heraus gebracht hat,
das einfach unglaublich stimmig und zeitlos wirkt.
Liebligslieder: Pray You Catch Me, Don't Hurt Yourself (feat. Jack
White), Forward (feat. James Blake), Freedom (feat. Kendrick Lamar), Formation
Camp Cope - Camp Cope
'I wanna be losers forever. Drink coffee in bed together.
And not talk to anyone and figure out what it is that we had lost.'
Camp Cope sind ein Trio aus
Melbourne, das aus dem Soloprojekt von Sängerin und Gitarristin Georgia Maq
entstanden ist. Sie machen im weitesten Sinne Indie Rock mit Emo- und Pop Punk
Sensibilitäten. Zwei Dinge hebt die Band weit über die zahllosen Bands, die
ähnliche Musik machen. Erstens ist da der ungewöhnliche Rollentausch der
Instrumente. Während Maqs eher unauffällige Gitarre die Songstruktur aufrecht
erhält, ist Kelly-Dawn Hellmrichs Bass praktisch ein großartiger Lead
Gitarren-Ersatz.
Und zweitens ist da Maqs umwerfende Stimme - kraftvoll, unglaublich
gefühlvoll und durch den australischen Akzent irgendwie noch eindringlicher.
Ihre Stimme eskaliert, zusammen mit den Songs, von resigniertem
Singer-Songwriter Flüstern zu schmerzhaft intensiver Rockröhre. Die Texte
befassen sich mit Verlust, Schmerz, Orientierungslosigkeit im Leben und den unzähligen Ungerechtigkeiten des Lebens. Maqs Texte sind persönlich, direkt und
bildgewaltig - es gibt unzählige Textzeilen, die sofort im Gedächtnis hängen
bleiben. Vor allem auch, weil ihre Stimme eine Ehrlichkeit ausstrahlt, die selbst Einkaufszettel,
wie epische Liebesgeschichten wirken lassen würde.
Highlights: Done, West Side Story, Lost (Season One), Stove Lighter
Car Seat Headrest - Teens Of
Denial
'Good people give good advice: Get a job, eat an apple, it'll work
itself out.
It's a phase, It's chemistry, It's your own fault.
Well don't listen to us. We're just people too.'
Das beste, kreativste und ambitionierteste Rockalbum des Jahres handelt
ironischerweise zu großen Teilen vom Aufgeben, Rumhängen und einer
Orientierungs- und Planlosigkeit, die mal romantisiert und mal verteufelt wird.
Doch gerade das macht die Musik von Will Toledo so resonant und
großartig. Fast jeder hat sich schon mal gefühlt wie der Ich-Erzähler von Teens
of Denial. Er stolpert durch Parties, Beziehungen und das Leben. Er macht
Fehler, sucht seinen Weg und muss sich anhören, dass er nichts aus seinem Leben
macht. Er rebelliert ohne zu wissen warum oder wogegen eigentlich und am Ende
gibt er auf, aber mit erhobenem Mittelfinger. Das alles ist immer verständlich
und nachvollziehbar, aber es macht eben auch einfach enorm Spaß!
Denn, auch wenn Toledo eine manchmal nölige und jammernde Stimme hat,
ist seine Musik nie bloßes Selbstmitleid. Stattdessen verpackt er seine
Reflektionen in expansive, explosive Rocksongs mit mehr Ideen und Hakenschlägen
als viele Musiker in ihrer ganzen Karriere hervor bringen.
Highlights: Fill In The Blank, Not What I Needed, Drunk Drivers/Killer Whales, The Ballad Of The
Costa Concordia
Cobalt - Slow Forever
'And bodies unmend. And hearts unmend.
And prayers unattended. And the animals rule.'
In einer Musikwelt, in der Bands sich immer mehr
in der Kombination von Genres als Sport versuchen, transzendiert das vielleicht beste
Metalalbum des Jahres Genres einfach völlig. Slow Forever ist Black Metal,
Crust Punk, Doom Metal und vieles mehr, aber Cobalt klingen nicht so
vielfältig, dass sie nicht einzuordnen wären, sondern machen aus den unzähligen
Metal-Bausteinen einen so vollständigen und massiven Sound, dass vollkommen
irrelevant wird, nach was ein bestimmter Song gerade klingt.
Die einfachste Möglichkeit die Band trotzdem zu kategorisieren, wäre
einfach die Bezeichnung 'Metal' und am besten mit ein paar '!' Die Songs sind brutal, wütend,
episch, überwältigend und einfach verdammt gut. Sänger Charlie Fell schafft es
wie ein absolut von Dämonen geplagter Mann zu klingen und gleichzeitig wie der Dämon
aus der Hölle selbst. Er schreit, knurrt und fleht sich durch absolut monumentale
Songs und bleibt dabei eine durchweg beeindruckende Präsenz.
Begleitet wird dieser Weg in die Dunkelheit von Erik Wunder, der ein
Album komplett alleine geschrieben hat, das sowohl an Ambition und purer Kraft
eher klingt wie fünf Alben. Slow Forever hat lange Songs und ist selbst sehr
lang, doch Wunder packt so viel Großartiges in jeden einzelnen Song, ohne das
es auch nur eine Sekunde nach zu viel klingt oder nach dem oben erwähnten
'Genre Hopping'. Stattdessen erschuf er ein endlos hörbares Metalalbum, wie sie
es viel zu selten gibt.
Highlights: Hunt The Bufallo, Beast Whip, King Rust, Cold Breaker
Danny Brown - Atrocity
Exhibition
'Your worst nightmare for me is a normal dream. And if I learned
anything.
Is don’t nod off with ya motherfucking cigarette burning.
Knocking on my door but I won’t answer. Residue on mirrors, Jojo dancer.'
Die Musik von Danny Brown war schon immer ein manisch-depressiver
Höllenritt in die dunkelsten Ecken seiner Psyche. Doch bisher standen den
autobiographischen Texte über Drogen und Depressionen auch welche über Browns
wildes Partyleben gegenüber, die zwar auch nie wirklich fröhlich, aber doch in
überzeugende Hip Hop-Banger verpackt waren. Damit ist auf Atrocity Exhibition
endgültig Schluß, die berüchtigte "Downward Spiral" scheint fast ganz
unten angekommen zu sein.
Das Album hat immer noch so etwas wie Hits oder Banger und Danny Brown ist nach wie vor ein fantastischer Old School Rapper. Doch wohl niemand sonst würde sich trauen über Beats und Produktion zu rappen, die so verrückt und fremdartig sind. Noise-Anleihen und abgefahrene Samples machen aus den Tracks so etwas wie vertonte Neurosen und Zusammenbrüche. Brown rappt dazu energiegeladen und doch resigniert, euphorisch und kaum klar - alles mit traumwandlerischer Sicherheit. Seine manische, höhere Stimmlage überwiegt, doch Brown nutzt seine tiefere Stimmlage ebenso effektiv für die etwas gedämpften Songs. Atrocity Exhibition ist ein anstrengendes und forderndes Album, aber auch ein zutiefst lohnendes.
Das Album hat immer noch so etwas wie Hits oder Banger und Danny Brown ist nach wie vor ein fantastischer Old School Rapper. Doch wohl niemand sonst würde sich trauen über Beats und Produktion zu rappen, die so verrückt und fremdartig sind. Noise-Anleihen und abgefahrene Samples machen aus den Tracks so etwas wie vertonte Neurosen und Zusammenbrüche. Brown rappt dazu energiegeladen und doch resigniert, euphorisch und kaum klar - alles mit traumwandlerischer Sicherheit. Seine manische, höhere Stimmlage überwiegt, doch Brown nutzt seine tiefere Stimmlage ebenso effektiv für die etwas gedämpften Songs. Atrocity Exhibition ist ein anstrengendes und forderndes Album, aber auch ein zutiefst lohnendes.
Lieblingslieder: Tell Me What I Don't Know, Really Doe (feat. Kendrick
Lamar, Ab-Soul and Earl Sweatshirt), Ain't It Funny, From The Ground (feat.
Kelela), When It Rain
Flume - Skin/Skin Companion EP I
'What I would do to take away this fear of being loved. Allegiance to
the pain.
Now I'm fucked up and I'm missing you.'
Flume macht guten, poppigen EDM, produziert Hip Hop Songs und düstere,
nervöse elektronische Musik. Er kann das alles sehr gut, aber manchmal ist es etwas
zu viel, wenn diese so verschiedenen Stile nebeneinander stehen. Vielleicht
wären deshalb drei EPs besser gewesen als ein Album Aber es lässt sich auch
nicht leugnen, dass Skin einige großartige Songs hat und zusammen mit der
ersten Begleit-EP kann man aus Flumes Output ein fantastisches Album zusammen
basteln.
Never Be Like Me ist ein überraschend kraftvoller EDM Song, der es
zurecht bis ins Radio geschafft hat und Smoke & Retribution ist auch dank Vince
Staples ein absoluter Banger. Doch es sind vor allem die düsteren,
unzugänglicheren und seltsameren Songs, die wirklich fesseln. Numb &
Getting Colder klingt wie eine euphorische Parallel-Welt-Version von fka twigs. Und
Songs wie Helix oder Wall Fuck ist EDM durch die Mangel genommen bis zum
Delirium. Das Album hat insgesamt zu viele Gastsänger und ein paar beliebige
Popmomente, aber wenn es gut ist, dann richtig. Die EP setzt diesen Trend fort,
mit zwei Popsongs und zwei etwas Experimentellen, aber mit einer noch höheren
Trefferquote.
Lieblingslieder: Never Be Like (feat, Kai), Numb & Getting Colder
(feat. Kučka), Wall Fuck, Smoke & Retribution
(feat. Vince Staples and Kučka), Free, Trust (Isabella Manfredi), v
Loamlands - Sweet High Rise
'Gotta keep on walking, gotta keep on walking.
I know it's hard to do, but you just start with your left foot..'
Kym Register und Will Hackney machen kraftvollen,
optimistischen und fußstampfenden Folk-Rock mit einer guten Portion Punk. Ihre
Songs haben vieles was typisch nach Folk und Country klingt, aber von Klischees
oder Vorhersehbarkeit sind Loamlands sehr weit entfernt, dafür klingt alles viel
zu ehrlich. Dazu kommt, neben dem Punk auch eine gehörige Portion Rock n Roll
und eine deutlich hörbare Fleetwood Mac-Anbetung. Die Musik und die Texte von
Sweet High Rise sind dazu tief mit Durham verbunden, wo Register und Hackney
leben und tief in der Musik- und DIY-Szene verwurzelt sind. Registers Texte
erzählen die Geschichte von Durham mit LBGTQ, Polizeigewalt, Unterdrückung, aber auch Liebe und Freundschaft. Sie
sind persönlich, kraft- und hoffnungsvoll.
Die Musik dazu ist überraschend eingängig und hat
viel mit populärer Folk- und Rockmusik zu tun, geht aber in jeder Hinsicht viel
tiefer.
Lieblingslieder: Another Reason, Restless One, What Kind Of Love, Folk
Hero, Get Ready
Mannequin Pussy - Romantic
'I pledge allegiance to myself and nothing else, oh nothing.'
Ich habe selten eine so erfolgreiche Fusion aus Punk, Hardcore, Noise,
Grunge und Pop gehört wie bei Mannequin Pussy. Die Songs sind zuckende, wütende
Energieschübe, die vor Ideen nur strotzen und nie still stehen.
Dazu ist Sängerin Marisa Dabices Stimme eine beeindruckende
Allzweckwaffe. Sie ist Rockröhre, kann vollkommen hysterisch schreien, aber
auch (mal mit Augenzwinkern und mal eindeutig vor Ironie triefend) süß und
schön singen. Die Musik hält mit ihr Schritt, ist mal kraftvoller Indie Rock,
mal rotziger Punk und dann wieder Nirvana auf Steroiden oder irgendwas zwischen
Noise und Metal. Erschöpfend, aber berauschend.
Highlights: Romantic, Emotional High, Pledge, Hey, Stephen
Margaret Glaspy - Emotions And
Math
'Still in love.
I'm still in love.
Are you?'
Margaret Glaspy spielt auf einer kaum verzerrten E-Gitarre simple, aber
clevere Melodien und singt dazu. Sie macht also Musik, die zunächst trügerisch
nach introspektiver Singer-Songwriterin klingt. Aber eigentlich verbirgt sich
dahinter wilde Rockmusik und Glaspy ersetzt süße Klänge durch kantige Riffs und
ihre gigantische, raue Stimme.
Und diese Stimme ist ein kleines Wunder: Verletzlich und schön, aber
auch kratzig und kraftvoll. Sie singt direkt und explizit über Liebe, Sex und
die unzähligen Probleme, die damit einher gehen. Es sind vielleicht die
gleichen Themen, wie bei typischer Singer-Songwriter Musik, aber mit dieser
ungewöhnlichen Stimme, bringt Glaspy auch eine absolut erfrischende
Persönlichkeit in ihre Texte.
Highlights: Emotions and Math, You And I, No Matter Who, Memory Street,
Parental Guidance
Martha - Blisters In The Pit Of
My Heart
'I won't take a compliment, but I will ruminate for hours on a single
mean remark.
Collecting them like ornaments, the nasty things that people say that I
save up to think about when it gets dark.'
Martha aus Pity Me(!) in County Durham machen unwiderstehlich eingängigen,
humorvollen und intelligenten Pop Punk mit wunderbar dickem nordenglischen
Akzent. Das Quartett schafft es dabei den uralten Themen wie Aufwachsen in der
Kleinstadt oder junger Liebe wieder etwas Neues und aufregendes zu verpassen.
Das liegt neben der bereits beschrieben Eingängigkeit der Songs vor allem an der ansteckenden Energie der Band und ihrer perfekt dosierten Mischung aus Ernsthaftigkeit und Augenzwinkern. Alle vier Bandmitglieder wechseln sich mit dem Gesang ab und nach einer Eingewöhnungsphase erhöht das den Spaßfaktor des Albums noch deutlich - vor allem wenn man auf die unzähligen, fantastischen Textzeilen achtet, die sich in den scheinbar so simplen Songs verbergen. Während die Band, die sich selbst als DIY, Straight Edge, Vegan und Anarchistisch bezeichnet, sicher am besten mit der Bezeichnung "Punk" bedient ist, überwiegt musikalisch sogar oft der Popanteil. Immer wieder gibt es aber auch einen mächtigen Refrain und überraschend explosive Gitarrensoli, die Martha irgendwie noch einzigartiger machen...
Das liegt neben der bereits beschrieben Eingängigkeit der Songs vor allem an der ansteckenden Energie der Band und ihrer perfekt dosierten Mischung aus Ernsthaftigkeit und Augenzwinkern. Alle vier Bandmitglieder wechseln sich mit dem Gesang ab und nach einer Eingewöhnungsphase erhöht das den Spaßfaktor des Albums noch deutlich - vor allem wenn man auf die unzähligen, fantastischen Textzeilen achtet, die sich in den scheinbar so simplen Songs verbergen. Während die Band, die sich selbst als DIY, Straight Edge, Vegan und Anarchistisch bezeichnet, sicher am besten mit der Bezeichnung "Punk" bedient ist, überwiegt musikalisch sogar oft der Popanteil. Immer wieder gibt es aber auch einen mächtigen Refrain und überraschend explosive Gitarrensoli, die Martha irgendwie noch einzigartiger machen...
Highlights: Chekhov's Hangnail, Do Whatever, The Awkward Ones, Curly
& Raquel
Nails - You Will Never Be One Of
Us
'You don't fucking stand for shit. Die.'
You Will Never Be One Of Us ist der perfekte Soundtrack für ein
politisch und gesellschaftlich wirklich beschissenes Jahr. Nails destillieren
ihren mittlerweile perfektionierten Sound zwischen Grindcore, metallischem
Hardcore und Death Metal zu brutalen Songmonstern, die fast immer deutlich
unter zwei Minuten bleiben. Die Musik strahlt pure Wut aus und hämmert
erbarmungslos auf den Hörer ein.
Im Gegensatz zu den meisten Grindcore- oder auch nur "richtig
brutalen" Bands, haben Nails aber jede Menge Hooks und jede Menge
Abwechslung, die über bloße Tempowechsel hinaus geht (auch wenn Nails auch
diese, wie kaum eine andere Band beherrschen).
Lieblingslieder: Friend To All, Life Is A Death Sentence, In Pain, They
Come Crawling Back
Nick Cave & The Bad Seeds -
Skeleton Tree
'I used to think that when you died you kind of wandered the world.
In a slumber till you crumbled, were absorbed into the earth.
Well, I don't think that any more.'
Der 15-jährige Sohn von Nick Cave starb bei einem Unfall während den
Aufnahmen von Skeleton Tree und es ist unmöglich das Album ohne diese sinnlose
Tragödie im Hinterkopf zu hören. Auch wenn die meisten Songs schon vorher
geschrieben waren und die Texte offenbar andere Themen haben, sind es Trauer
und Verlust, die aus jeder Sekunde von Skeleton Tree heraus ragen und das Album
zu einem fantastischen, aber oft auch fast unhörbar erdrückenden und traurigen
Hörerlebnis machen.
Nick Caves Stimme ist immer noch kraftvoll, doch hier klingt er
resigniert und traurig. Man fühlt sich wie ein seelischer Voyeur, doch diese
Stimme und die brutalen, aber poetischen Texte, machen ein Weghören unmöglich.
Die Musik um Caves Stimme ist eine an- und abschwellende Kakophonie aus Klavier,
Streichern, Drones, Noise und den Überresten einer Rockband, die sich irgendwie
schlüssig um diese magische Stimme sortieren und die Gefühle noch weiter
verstärken.
Highlights: Magneto, Anthrocene,
I Need You
Nothing - Tired Of Tomorrow
'Watch out for those who dare to say, that everything will be okay.
Watch out for those who want to be anything at all.'
Was kommt heraus, wenn Veteranen der Hardcore-Szene mit düsterer
Vergangenheit ein Shoegaze-Album machen? Ein seltsamer Hybrid aus
schwebend-ätherischem und doch mitreißendem Sound und eine Stimmung, die immer
wieder seltsam heiter ist, obwohl einen der depressive Grundton meistens zu
erdrücken droht beim Hören.
Der Sound der Band lässt sich mit zwei gegensätzlichen Fragen gut
beschreiben: Was wäre, wenn Shoegaze wirklich eingängig wäre? Und: Wie ausgewaschen
und fremdartig kann Indie Rock klingen und immer noch poppig sein? Dass die
Antwort auf beide Fragen Nothing ist, macht Tired of Tomorrow so gut...
Lieblingslieder: Fever Queen, A.C.D. - Abcessive Compulsive Disorder,
Nineteen Ninety Heaven, Our Plague
Pinegrove - Cardinal
'I resolve to make new friends.
I liked my old ones. But I fucked up, so I'll start again.'
Pinegrove klingen auf ihrem Debüt-Album als ob sie das schon ganz lange
machen und trotzdem neu und aufregend. Die Songs erinnern an ganz viele andere
Bands und sind doch mitreißend und einzigartig. Musikalisch sind Pinegrove eine
Rockband, die aber vom Sound mehr an eine alternative Country Band erinnert und
daneben an eine optimistischere Version der besten Emobands der letzten 20
Jahren.
Evan Stephens Hall hat diesen typischen Country "Twang" in
der Stimme, aber auch mehr Leidenschaft und Herz als praktisch jeder andere
Sänger. Dazu schreibt er sehr persönliche Texte über bekannte Themen, aber mit
einem ungewöhnlichen Blickwinkel und Vokabular. Musik, die so direkt und
ehrlich ist, kann oft auch kitschig oder peinlich sein, doch Pinegrove schaffen
es mit ihrer vertrauten und trotzdem spannenden Art Musik zu machen den Zuhörer
sofort einzufangen. Es ist diese Verbindung, die Cardinal zu einem so tollen
Album macht.
Um Hall als Hauptsongwriter und faszinierenden Mittelpunkt, sind
Pinegrove aber auch eine eingespielte Band, deren Musik trotz
aller Vertrautheit immer wieder unerwartete Wendungen und
Details erkennen lässt.
Diese Band läd ein zum obsessiven Hören, auch ihr vorheriger Output
und vor allem ihre fantastischen Live-Auftritte sollten gehört werden. Trotzdem
komme ich immer wieder zu diesem fantastischen Album zurück.
Highlights: Old Friends, Cadmium, Aphasia, Size Of The Moon
Poliça - United Crushers
'Whatchya wanna be when you’re big enough to see it’s all shit?'
Poliça machen eine nur schwer beschreib- oder fassbare Mischung aus
RnB, elektronischer Musik, zwei prominenten Schlagzeugen und der einzigartigen
Stimme von Sängerin Channy Leaneagh.
Trotz oft massiver Bearbeitung ihres Gesangs und der eher kühlen
Atmosphäre der Musik um sie herum, strahlt Leaneagh eine spürbare Wärme und Melancholie
aus. Gleichzeitig zieht sie mit ihrer gefühlvollen Stimme die Aufmerksamkeit
auf sich und begleitet den Hörer durch die sich ständig wandelnde,
spannungsgeladene musikalische Welt von
Highlights: Someway, Wedding, Top Coat, Lately, Berlin, Lose You
Solange - A Seat At The Table
'I hope my son will bang this song so loud that he almost makes his
walls fall down.
Cause his momma wants to make him proud. Oh, to be us.'
Solange war bisher für mich vor allem die kleine Schwester von Beyoncé,
bekannt durch eine gewaltsame Auseinandersetzung mit Jay-Z in einem Aufzug und
als deutliche Stimme gegen die Diskriminierung von Schwarzen in den USA.
Das fantastische A Seat At The Table hat aber ziemlich wenig mit dem
Breitwand-Pop ihrer Schwester zu tun und ist auch kein wütendes Protestalbum. Stattdessen
ist es eine wunderschöne, einfühlsame Meditation über die Kultur und das Leben
von Schwarzen geworden - politisch, aber auch persönlich.
Wie auch Beyoncé hat sich Solange für ein so ambitioniertes Werk jede
Menge beeindruckende Künstler in das Boot geholt. Doch anders als auf Lemonade,
klingt A Seat At The Table weniger nach Spektakel und mehr nach umfassenden und
tiefgründigem künstlerischen Statement. Die Songs sind alle Hits, fließen aber
auch wunderbar zusammen zu einem Gesamtkunstwerk, ebenso wie zu
einem mutigen Statement. Und im Mittelpunkt steht unverkennbar Solange und ihre
beeindruckende Vision und Stimme.
Lieblingslieder: Weary, Cranes in the Sky, F.U.B.U.(feat. The-Dream, BJ
The Chicago Kid), Scales (feat. Kelela)
Subrosa - For This We Fought The
Battle Of Ages
'Paradise is a lie if we have to burn you at the stake to get inside.
Paradise is a lie if you’re not by my side.'
Ein Doom Metal Album, das sich thematisch mit einem 100 Jahre alten
dystopischen Roman aus Russland befasst? Klingt verkopft und anstrengend. Stattdessen
ist es aber ein fantastisches, zu Tränen rührendes Ungetüm geworden.
Das liegt sicher daran, dass Subrosa keine typische Doom Metal Band
sind. Die Band hat zwei elektronische Violinen, die kein Gimmick, sondern
zentraler Bestandteil des Sounds sind und drei Sängerinnen in deren Mittelpunkt
mit Rebecca Vernon eine der beeindruckendsten (Metal)-Sängerinnen steht.
Wobei die Bezeichnung Metal viel zu einschränkend ist. Vernon schreit auch mal und hat generell eine gewaltige Stimme, aber sie kann unglaublich gefühlvoll und variabel singen. Das gilt auch für den Rest der Band. Subrosa sind äußerst heavy und Meister der langen, schleppenden, oft erdrückenden Songs. Aber noch mehr als bei den Vorgängeralben, wird dieser Sound hier durch Folk, Grunge und generell ein Gespür für Melodien erweitert. Die Band kann den Hörer erdrücken, aber auch zutiefst rühren und bewegen.
Wobei die Bezeichnung Metal viel zu einschränkend ist. Vernon schreit auch mal und hat generell eine gewaltige Stimme, aber sie kann unglaublich gefühlvoll und variabel singen. Das gilt auch für den Rest der Band. Subrosa sind äußerst heavy und Meister der langen, schleppenden, oft erdrückenden Songs. Aber noch mehr als bei den Vorgängeralben, wird dieser Sound hier durch Folk, Grunge und generell ein Gespür für Melodien erweitert. Die Band kann den Hörer erdrücken, aber auch zutiefst rühren und bewegen.
Lieblingslieder: Despair Is A Siren, Killing Rapture, Troubled Cells
Suuns - Hold/Still
'Resist!'
Hold/Still wirkt wie ein Experiment von Suuns, wie sperrig und schräg
ein Rock(?)-Album sein kann, ohne seine Faszinationskraft zu verlieren. Die
Songs entfalten sich aus Repetition und verschiedensten Bruchstücken, dann
kommt plötzlich eine absurd eingängige Melodie oder ein beeindruckender Groove,
bevor das Ganze wieder zersplittert und sich neu zusammen setzt. Ist das Art
Rock, Psychedelic oder Kraut Rock? Noise oder gar irgendwie elektronische
Musik? Von allem etwas und eigentlich auch egal, plötzlich wackelt der Fuß, der
Kopf nickt und auf einmal tanzt du und kannst nicht mal beschreiben wozu
eigentlich oder warum...
Highlights: Instrument, UH-NO, Resistance, Translate
Vince Staples - Prima Donna
'All the homies say I'm different, police say I raise suspicion.
Buy a million dollar home and blow my dome to paint the kitchen.'
Summertime '06 ist eines meiner Lieblingsalben aus dem letzten Jahr und
auch eines meiner Lieblings-Rapalben überhaupt. Vince Staples verpackt düstere
Geschichten über das Gangleben und den allgegenwärtigen Rassismus in komplexe,
vor Selbstbewusstsein strotzende und mit einer guten Portion schwarzen Humor
versehene Rapsongs.
Auf seinem neuen Mini-Album(?) geht er diesen Weg konsequent weiter,
wird dabei aber noch ein ganzes Stück persönlicher und auch düsterer. Die
Depression und Resignation blitzt nicht nur in den fast suizidalen Kinderreimen
durch, die zwischen die Songs gestreut sind, sondern auch in den fast durchweg
dunklen Songs. Das bemerkenswerte ist, dass Prima Donna trotzdem keine rein deprimierende Angelegenheit ist. Staples ist immer noch ein absurd fähiger und
charismatischer Rapper und alte Weggefährten sowie James Blake(!) schneidern
ihm dazu aufregende, überdrehte Beats auf den Leib.
Lieblingslieder: War Ready, Loco (feat. Kilo Kish), Big Time
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