In dieser zweiten Liste befinden sich Filme, die zwar vom Genre und Inhalt sehr unterschiedlich sind, denen aber eine ungewöhnliche und alles besiegende Liebe im Mittelpunkt der Handlung gemeinsam ist.
Der Sternwanderer (Stardust)
Ja ich gebe es zu, Stardust ist auf dem Papier nicht nur ein Fantasy-Film irgendwo zwischen Fluch der Karibik und dem Hobbit, sondern auch ein waschechtes und kitschiges Märchen. Trotzdem gehört der Film aus mehreren Gründen in diese Liste.
Der Film beginnt vor gut 100 Jahren in einem fiktiven Dorf in England, dass durch eine Mauer von einem sagenumwobenen Märchenland getrennt wird. Tristan (Charlie Cox), ein naiver und ungeschickter Lebensmittelverkäufer versucht die Zuneigung der oberflächlichen Dorfschönheit Victoria (Sienna Miller) zu gewinnen, die seine vermeintliche große Liebe ist. Gleichzeitig stirbt auf der anderen Seite der Mauer der alte König des Zauberlandes und wirft mit seinem letzten Atemzug sein königliches Amulett ins Weltall und verspricht demjenigen Sohn sein Königreich, der das Amulett zurückbringen kann. Das Amulett kollidiert mit einem Stern, der dadurch in das Märchenland abstürzt wo er sich in das Mädchen Yvaine (Claire Danes) verwandelt. Während Tristan seiner Victoria als Liebesweis verspricht innerhalb einer Woche den gefallenen Stern zurückzubringen, machen sich die Söhne des Königs ebenfalls auf den Weg, um das Amulett zu finden. Auch eine böse Hexe (Michelle Pfeiffer) und ihre beiden Schwestern sind auf der Suche nach dem fleischgewordenen Stern, dessen Herz ihnen ihre verlorene Jugend zurückgeben kann. Tristan und Yvaine mögen sich am Anfang überhaupt nicht, aber durch ihre vielen gemeinsamen Abenteuer entdecken sie langsam eine gegenseitige Zuneigung.
Diese Kurzbeschreibung des Films schreckt sicher viele ab, aber es steckt so viel mehr in der Geschichte, als nur typischer Fantasy-Kitsch. Der Film (nach der Vorlage des großartigen Buchs von Neil Gaiman) sprüht vor ansteckender Kreativität, nicht nur was die Fantasyelemente angeht, sondern auch in seinem ungewöhnlichen Humor und den liebenswert überzeichneten Charakteren. Neben vielen anderen exzentrischen Figuren sticht neben den fantastisch bösartigen Hexen besonders der Luftpirat Captain Shakespeare (großartig: Robert de Niro) hervor, der hinter einer grimmigen Fassade eine schillernde Persönlichkeit verbirgt.
Im Herzen des Märchens steht aber natürlich die langsam aufblühende Liebe zwischen Tristan und Yvaine. Der Stern verliebt sich schnell in den jungen Mann, aber Tristan braucht eine Weile um zu erkennen, dass seine wahre Liebe nicht die falsche Victoria, sondern der menschgewordene Stern ist, der in seiner Nähe immer heller aufleuchtet. Die beiden Liebenden sind dabei von Anfang an erfrischend anders als in so vielen Liebesfilmen. Tristan träumt nur von der großen Welt und der wahren Liebe, Yvaine dagegen kennt Liebe und Abenteuer nur aus ihrer Beobachterperspektive im Himmel. Beide stürzen sich dann bei erster Gelegenheit mit großen Augen und einer charmanten Naivität ins Abenteuer, die den Zuschauer einfach mitreißt. Dasselbe gilt auch für ihre alles mitreißende Liebe. Yvaine verrät ihre Gefühle durch ein ausgeprägtes Leuchten in Tristans Gegenwart und er trägt alle seine Gefühle offen als seine größte Stärke gegen die falschen und intrigierenden Nebenpersonen des Films. Am Ende siegt natürlich wie in jedem Märchen gut über Böse und die Liebe über den Hass, aber es ist der ungewöhnliche Weg zu diesem Ende und die aufregende Chemie zwischen den Claire Danes und Charlie Cox, die diesen Film hervorhebt und mich am Ende sogar offen mitfiebern, entgegen meiner besten Vorsätze.
Abbitte (Atonement)
Gute Buchverfilmungen sind selten. Sie machen etwas neues aus dem Buchmaterial, überspielen die Schwächen und nutzen die Vorteile des Filmmediums ohne dabei die ursprüngliche Geschichte zu zerstören. Atonement nach dem fantastischen Buch von Ian McEwan ist so eine Seltenheit. Wie das Buch erzählt auch die Verfilmung von Joe Wright (Stolz und Vorurteil, Wer ist Hanna?) eine überwältigende und mitreißende Geschichte von Liebe, Schuld und Sühne.
Die erfolgreiche Schriftstellerin Briony Tallis nutzt ein Fernseh-Interview anlässlich ihres neuen Buches von einem Fehler zu berichten, den sie in ihrer Kindheit begangen hat und der sie bis ins hohe Alter nicht mehr losgelassen hat. Von diesem Punkt aus entfaltet sich die eigentliche Handlung des Films in zwei Teilen vor und während dem zweiten Weltkrieg. Briony kommt aus einer wohlhabenden Familie und führt ein sorgloses Leben im Mittelpunkt des familiären Landsitzes. Der erste Teil des Films spielt nur im Laufe eines Tages und endet in einer Katastrophe nachdem Briony die geheime Liebe zwischen ihrer Schwester Cecilia (Keira Knightley) und Robbie (James McAvoy), dem Sohn des Hausdieners, fehlinterpretiert. Mit einer Lüge, geboren aus kindlichem Unverständnis und Eifersucht, zerstört das junge Mädchen ungewollt nicht nur die Beziehung der jungen Liebenden, sondern auch das Leben der Beiden für immer.
Der zweite Teil des Films setzt Jahre später ein und Brionys Lüge hat dafür gesorgt, dass Robbie zunächst im Gefängnis landet und jetzt im zweiten Weltkrieg kämpfen muss, während Cecilia jeglichen Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen hat und als Krankenschwester arbeitet. Briony versucht jetzt, nachdem sie die Schwere ihrer Taten als Kind verstanden hat, Busse zu tun, indem sie ebenfalls als Krankenschwester arbeitet und erneut die Nähe zu ihrer Schwester sucht. Während Cecilia, Robbie und Briony mit dem Grauen des Krieges konfrontiert werden, halten die beiden Liebenden ihre Liebe tapfer aufrecht, der durch die Umstände nie eine Chance gegeben wurde. Der Zuschauer sieht von der Liebe zwischen Cecilia und Robbie nur einen Tag voller Andeutungen und vielsagender Blicke. Den Rest des Filmes müssen sie getrennt verbringen und nur der Gedanke an den anderen und zahlreiche Briefe lassen sie die Ungerechtigkeiten des Lebens und den Horror des Krieges ertragen. Das reicht vollkommen um sich in die Liebe der beiden zu investieren und mehr zu verraten wäre dem Genuss des Films abträglich. Wir sehen die Beziehung der Liebenden durch die Augen von Briony, die sich im Laufe des Filmes wiederum in den Augen des Zuschauers rehabilitieren kann, nicht nur durch ihre guten Taten als Krankenschwester im Krieg oder der Einsicht ihrer Fehler als Kind, sondern vor allem, weil sie, wie der Zuschauer schon lange vorher, die Größe und Tragik der Liebe zwischen Robbie und Cecilia erkannt hat.
Was den Film noch viel schöner macht sind die filmischen Komponenten. Joe Wright filmt unvergessliche Szenen, zuerst auf dem malerischen Landsitz von Brionys Eltern, gefüllt mit wilder Natur und kräftigen Farben. Auch die Szenen im Krieg bewahren sich, trotz ihres grausigen Inhalts, durch ihre meisterliche Komposition eine eigene Schönheit, die noch unterstrichen wird von dem herzergreifenden und zu recht Oscar-gekrönten Soundtrack von Dario Marianelli. Der Film ist ein aufwendig inszenierter Historienfilm und ein großangelegtes, dramatisches Epos, doch im Herzen ein Film über eine ungewöhnliche Liebe.
Kammerflimmern
Kammerflimmern ist einer meiner Lieblingsfilme aus Deutschland und erzählt eine typisch deutsche Liebesgeschichte, die aber dennoch originell ist. Crash (Matthias Schweighöfer) verlor als Kind bei einem Autounfall beide Eltern, ein Vorfall, der ihn zu einem traumatisierten, hypersensiblen Einzelgänger gemacht hat. Als Rettungsassistent versucht er alle verletzten, kranken und sterbenden Menschen, die ihm begegnen zu retten. Doch das Elend, dass er sieht, wäre schon für hartgesottene Naturen zu viel und Crash droht daran zu zerbrechen. Jede Niederlage, jeden Toten nimmt er persönlich. Das einzige, dass ihn glücklich macht sind wiederkehrende Träume an deren Ende immer das lächelnde Gesicht einer ihm unbekannten Frau auftaucht.
November (Jessica Schwarz) ist hochschwanger und versucht den Vater ihres Kindes von den Drogen weg zu bekommen. Als dieser trotzdem an einer Überdosis stirbt, ist der herbeigerufene Rettungsassistent niemand anderes als Crash, der in November sofort die Frau aus seinen Träumen wieder erkennt. Die zarte Liebesgeschichte, die jetzt entsteht, scheint zunächst angesichts der vielen Hindernisse, die ihr im Weg stehen, mehr als unwahrscheinlich. November trauert um den toten Vater ihres ungeborenen Kindes und steht vor der Herausforderung ein Kind alleine und aus tiefster Trauer heraus groß zu ziehen. Crash dagegen ist immer noch nicht über den Tod seiner Eltern hinweg, wird täglich mit Leid konfrontiert, dass er weder verarbeiten noch filtern kann und sieht in November zunächst eine Art Traumwesen, dass ihn von all dem erlösen wird.
Das die Liebesgeschichte trotzdem schön und vor allem glaubwürdig bleibt, liegt in der Hauptsache an den beiden Hauptdarstellern. Schweighöfer und Schwarz waren zum Zeitpunkt von Kammerflimmern noch keine allgegenwärtigen Stars, sondern lediglich Hoffnungsträger des deutschen Films und bewiesen hier mit natürlichen Darstellungen bereits eindrucksvoll ihr Können. Die Chemie zwischen den beiden überaus fragilen Figuren ist großartig und hilft dem Film, der statt auf große Gesten und Kitsch lieber auf intime Szenen setzt, enorm.
Die zärtlichen und hoffnungsvollen Szenen zwischen Crash und November helfen auch den Rest des Films auszugleichen. Durch seine Arbeit trifft Crash nicht nur trauernde Angehörige, Sterbende und Menschen, die das Leben bereits lange aufgegeben haben, sondern, in der tragischsten Szene des Films, auch ein junges Mädchen, dass sich umbringen will. Der naive wunsch von Crash sie und all die anderen zu retten und die endgültige Vergeblichkeit seiner Bemühungen wiegen nicht nur schwer auf seinen Schultern, sondern in Verlängerung eben auch auf denen der Zuschauer. Das zerbrechliche Glück, dass er mit November bekommen hat, ist etwas in das man beim zuschauen schnell investiert ist. Diese Liebe ist nicht nur glaubwürdig, sondern auch verdient und notwendig für das Seelenheil aller Beteiligten. Selten habe ich so sehr auf ein Happy End gehofft und es den Filmfiguren von ganzem Herzen gegönnt...
Alles was wir geben mussten (Never let me go)
Eine Warnung vorweg: Dieser Film hat mich absolut zerstört.
In einer leicht abgeänderten Realität hat die Medizin so gewaltige Fortschritte gemacht, dass ein Leben von über 100 Jahren zur Normalität wird. Der Preis dafür ist das Klonen von Menschen, die nur als Organspender konzipiert werden. Kathy (Carey Mulligan), Ruth (Keira Knightley) und Tommy (Andrew Garfield) wachsen auf einem elitären, aber isolierten Internat auf und erfahren bereits als Kinder, dass sie nur bis ins frühe Erwachsenenalter leben werden und dann ihre Aufgabe als Organspender zu erfüllen haben. In drei Ettapen zeigt der Film dann Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter der drei Protagonisten, ein Leben was sie zwar langsam aber nie endgültig an die normale Gesellschaft heranführt. Die Vorstellung einer Gesellschaft in der menschliche Organspender nur zum Wohle anderer Menschen existiert ist erschreckend, schlimmer aber noch ist die Unbekümmertheit mit der der größte Rest dieser Gesellschaft, aber auch die Organspender selbst diese Tatsache hinnehmen. Die Indoktrination ist auch für Kathy, Ruth und Tommy so komplett, dass sie sich ihrem Schicksal größtenteils hingeben und nur wegen eines Gerüchtes, dass für Organspender, die echte Liebe gefunden haben, das Spenderdasein verzögert werden kann, gelegentlich von einem anderen Leben träumen. So verbringen sie ihr Leben erst in dem Internat, später auf einem Bauernhof in der malerisch schönen Landschaft Englands, die immer als starker Kontrast zu der Hässlichkeit dieser Klongesellschaft eingesetzt wird.
Das bemerkenswerte an Never let me go ist, dass die drei Protagonisten trotz dieser düsteren Lebensaussicht und ihrem scheinbar unausweichlichen Schicksal nicht aufhören zu träumen oder zu lieben. Kathy und Tommy sind scheinbar schon im Kindesalter füreinander bestimmt, aber die extrovertierte Ruth stellt sich ihnen in den Weg. Es entwickelt sich eine Dreiecksgeschichte, die sich über fast 20 Jahre spannt. Die drei zunächst unzertrennlichen Kinder entfernen sich langsam geistig voneinander und gehen dann auch getrennte Wege. Ruth und Tommy beginnen ihre Karriere als Organspender und Kathy macht eine Ausbildung als Pflegekraft für andere Organspender, die sich Operationen unterziehen. Das immens unfaire an dieser Geschichte ist der Zeitmangel der Drei, den man als Zuschauer immer mehr spürt im Laufe des Films. Die Protagonisten haben nicht nur deutlich weniger Zeit für die Liebe und alles wichtige im Leben, sie haben auch von klein auf ihren scheinbar unverrückbaren Lebensweg vor Augen an dessen Ende der unvermeidliche Tod steht. Erschwerend kommt hinzu, dass sie von ihrer Umgebung nicht als vollwertige Menschen angesehen werden und sich ihre Menschlichkeit und Einzigartigkeit erst erkämpfen müssen. Sie können versuchen, dass beste aus ihrem Leben zu machen oder sich ihrem Schicksal ergeben und auf den erlösenden Tod warten. Am Ende des Films sieht der Zuschauer, dass Liebe und Freundschaft eine dystopische Gesellschaft zwar nicht überwinden können, aber selbst ein kurzes Leben lebenswert und wertvoll machen können.
to be continued...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen