Sonntag, 7. August 2011

Ungewöhnliche „Liebes“-Filme / Filme über Liebe








Eigentlich wollte ich eine kleine Liste machen mit Filmen, die ich wirklich romantisch finde und die nicht so ganz in die Mulde der gradlinigen und vorhersehbaren Hollywoodfilme passen. Ziemlich schnell habe ich dabei festgestellt, dass die erste Gemeinsamkeit fast aller Filme, die mir spontan dazu einfielen, ein fehlendes Happy End war. Viel wichtiger ist aber dann doch, dass es in diesen Filmen weniger um die Liebe fürs Leben oder die Märchenhochzeit am Ende der Geschichte geht, sondern um Menschen, die aus einer zufälligen Begegnung oder einer ungewöhnlichen Beziehung etwas über sich selbst, die Liebe und das Leben erfahren und am Ende des Films reicher sind an unvergesslichen Erfahrungen, Lebensmut schöpfen konnten oder einfach nur einem kurzen Moment der Zweisamkeit und Geborgenheit erleben durften...


In Search of a Midnight Kiss

Der Inhalt von In Search of a Midnight Kiss ist schnell zusammengefasst: Wilson ist Ende Zwanzig, ein erfolgloser Drehbuchschreiber, der nach einer Trennung nach Hollywood zieht und jetzt zu Silvester einsam zuhause sitzt. Auf Drängen seines Mitbewohners und besten Freundes Jacob startet er mit wenig Hoffnung einen halbherzigen Versuch durch eine Kontaktanzeige im Internet noch ein Date für die Silvesternacht zu finden. Auf sein Gesuch meldet sich schnell die mysteriöse Schauspielerin Vivian und die beiden treffen sich zunächst unverbindlich auf einen Kaffee. Dieses Treffen scheitert bereits nach Minuten fast an Wilsons Unsicherheit und Vivians brutaler Ehrlichkeit, entwickelt sich dann aber auf einigen Umwegen zu einer unvergesslichen Nacht.

Anders als in so vielen anderen Filmen gleichen Schlags, handelt In Search of a Midnight Kiss nicht von unrealistisch attraktiven Erfolgsmenschen, die nach einigen vorhersehbaren Rückschlägen am Ende des Films nicht nur ihr große Liebe gefunden, sondern damit auch alle ihre Probleme gelöst haben. Wilson und Vivian dagegen haben jede Menge Schwächen und sind zutiefst menschlich. Das macht sie besonders zu Beginn des Films für die Zuschauer nicht immer sympathisch, aber dafür umso nachvollziehbarer. Wilson ist selbst-mitleidig, zynisch und planlos, Vivian exzentrisch, übermäßig misstrauisch und wankelmütig. Das sich die beiden im Laufe des Abends trotz all dieser Hindernisse schließlich doch näher kommen, liegt an den überraschenden Gemeinsamkeiten, die sich zwischen den beiden auftun. Wilson ist auf der Flucht vor den Geistern seiner großen Liebe und Liebeskummer und Depression haben ihn bis kurz vor den Selbstmord getrieben, Vivian ist auf der Flucht vor einem aggressiven und betrügerischen Ex-Freund und so erfolglos in Hollywood, dass sie das Schauspielern fast aufgegeben hat. Diese Hoffnungslosigkeit und Abgeklärtheit in der Liebe, dem Beruf und dem Leben insgesamt, sorgt dafür, dass Vivian und Wilson keine märchenhafte Erwartungshaltung an eine neue Beziehung oder das neue Jahr knüpfen und sich stattdessen resigniert aber offen in die letzte Nacht des Jahres stürzen. Sie wollen nur nicht allein sein. Befreit von diesen Zwängen und Hoffnungen schaffen es die Beiden aber auch das erste Mal komplett ehrlich zu einer anderen Person, aber auch zu sich selbst zu sein. Am Ende der Nacht haben Wilson und Vivian sich einander offenbart, Geheimnisse anvertraut und gegenseitig Mut gemacht einen neuen Abschnitt in ihrem Leben zu beginnen. Natürlich kommt es dabei auch zu all den spannenden Momenten einer aufregenden neuen Liebe (kontrastiert durch kurze Szenen aus der Silvesternacht von Wilsons Freund Jacob und dessen Langzeitfreundin), aber viel wichtiger ist der Mut und die Lebenskraft, die sich die Beiden geben konnten in einer Silvesternacht, die ausnahmsweise mal die absurden Erwartungen erfüllt, die in unserer Gesellschaft an diesen willkürlichen Tag geknüpft sind.


Lost in Translation

Lost in Translation ist kein Liebesfilm, sondern ein Film über Einsamkeit, Freundschaft und die Frage, wohin es im Leben gehen soll.
Bob Harris (Bill Murray in einer Rolle, die nicht nur wie für ihn geschrieben ist, sondern auch tatsächlich nur für ihn geschrieben wurde) ist ein amerikanischer Schauspieler, der weit entfernt von ehemaligen Erfolgen sein Geld mit einem Whiskey-Werbespot in Japan verdient. Seine Ehe von der wir nur etwas über das Telefon erfahren, ist ebenso festgefahren wie seine Karriere und in seinem japanischen Hotel wird er zwar dauernd bewundert, bleibt aber bis auf einige peinliche Begegnungen allein. Durch einen Zufall trifft er die junge Charlotte (Scarlett Johansson), die im selben Hotel ebenso einsam ihre Tage verbringt. Charlotte hat gerade ihr Philosophiestudium abgeschlossen und ist ihrem Mann nach Japan gefolgt. Dieser geht von einem zu nächsten Arbeitstermin und hat nur wenig Zeit für seine Frau, die fast ohne Freunde oder Zukunftspläne durch das kalte Hotel und die überwältigende Stadt Tokio schlafwandelt. Bob und Charlotte trennen fast 30 Jahre, aber durch ihre gemeinsame Einsamkeit und das Gefühl festzustecken im eigenen Leben, entwickeln sie schnell eine ungewöhnliche Freundschaft. Es geht in Lost in Translation nie um romantische Liebe oder Sex, die beiden Protagonisten helfen sich vielmehr gegenseitig durch eine schwere Zeit und zu einem kleinen Stück Vertrautheit in einer einer fremden Stadt, fremdartigen Kultur und dem fremd gewordenen eigenen Leben.

Bemerkenswert ist dabei auch die Chemie zwischen Murray und Johansson, die fast ohne sexuelle Spannung auskommt und dagegen immer von einer tiefen Zuneigung und Wärme zwischen diesen eigentlich so unterschiedlichen Personen geprägt ist. Am Schluss des Films müssen die Beiden aus dem Kokon ihrer unverhofften Freundschaft wieder hinaus in ihr jeweiliges Leben, aber sie konnten in der kurzen gemeinsamen Zeit voneinander Kraft und Lebensmut dafür schöpfen.


Once

Auch in Once geht es nicht um die große Liebe, sondern um den täglichen Kampf in einer normalen Beziehung und darum, wie die Kraft der Musik helfen kann Liebesschmerz und Depression zu verarbeiten und zu überwinden.
Ein erfolgloser irischer Straßenmusiker, der sich in der Staubsaugerwerkstatt seines Vaters den Lebensunterhalt verdient, lernt durch Zufall eine tschechische Einwanderin kennen, die als Putzfrau ein eher unscheinbares Leben führt, aber ein enormes musikalisches Talent versteckt. Der Rest des Films zeigt wie die beiden anfangen gemeinsam Musik zu machen und parallel dazu durch diese Lieder ihre jeweiligen Probleme zu verarbeiten lernen. Die junge Frau hat ihren Mann, mit dem sie eine gemeinsame Tochter hat, in Tschechien zurückgelassen und der Straßenmusiker (die beiden Figuren haben keinerlei Namen in dem Film) ist immer noch nicht über die Liebe seines Lebens hinweg, die ihn vor kurzem verlassen hat. Die beiden Hauptfiguren ergänzen sich nicht nur musikalisch außerordentlich gut, sondern kommen sich dabei auch persönlich näher. Doch bald erkennen sie, dass der Andere nur eine Ausflucht wäre und sie sich stattdessen ihren Dämonen stellen und um ihre beschädigten Beziehungen kämpfen müssen. Die wunderbare Musik des Films (die ausnahmsweise mal vollkommen zurecht auch einen Oscar und viele andere Preise bekommen hat) reflektiert Gefühle und Erkenntnisse der beiden Hauptfiguren und eine gemeinsam aufgenommene CD am Ende des Films erfüllt die Beiden mit neuer Lebenskraft und dem Mut, sich der Liebe wieder zu stellen.


Chasing Amy

Chasing Amy ist eine merkwürdige Mischung aus zwei Filmen. Auf der einen Seite ein Kevin Smith-Film (u.a. Clerks, Dogma) mit smart redenden, liebenswerten Losern und Frauenfiguren direkt aus der Nerd-Fantasie und auf der anderen Seite ein Liebesfilm, der sich auf dem schmalen Grat zwischen tiefgründig und kitschig bewegt. Holden (Ben Affleck) und Banky (Jason Lee) sind beste Freunde seit Kindertagen und arbeiten gemeinsam an einem recht erfolgreichen Comic. Sie sind im wesentlichen typische Smith-Figuren: Jungs, die nie erwachsen werden und sich ihr Leben lang in einer kleinen, bequemen Welt aufgehalten haben, aber trotz ihrer oft grenzwertigen Einstellung zu Frauen und der Welt an sich, eine gewisse Liebenswertigkeit ausstrahlen. Holden ist der sensiblere der Beiden und verliebt sich eines Tages unverhofft aber unsterblich in die Comicschreiberin Alyssa (Joey Lauren Adams). Was darauf folgt ist die oft gesehene Geschichte der unerwiderten Liebe, mit einem Unterschied: Alysssa ist lesbisch. Es entwickelt sich trotzdem schnell eine innige Freundschaft zwischen den Beiden, aber Holden kann seine wahren Gefühle nicht lange verbergen. Nach anfänglichem Zögern lässt sich Alyssa schließlich auf diese ungewöhnliche Beziehung ein. Doch natürlich ist das alles nicht so einfach. Zuerst wäre da Holdens Freund und Partner Banky, der Alyssa zuerst mit Homophobie, später mit offener Feindseligkeit begegnet. Das hinter diesem Verhalten mehr steckt, als nur Engstirnigkeit entdeckt Holden in seiner Verliebtheit erst zu spät und die Freundschaft droht zu zerbrechen.
Derweil driftet die Liebesgeschichte nicht in unglaubwürdiges „Liebe besiegt alles, Liebe ist blind“-Terrain ab, sondern stellt dieser letztendlich unrealistischen Liebesgeschichte die harsche Realität entgegen. Dabei ist das größte Problem nicht die Tatsache, dass Alyssa lesbisch ist (auch wenn es natürlich ihr eigenes Weltbild ebenso wie das ihrer Freunde erschüttert), sondern vielmehr die unterschiedlichen Erwartungen, die Holden und Alyssa an eine Beziehung knüpfen, die die Beziehung bald an den Rand des Scheiterns bringt. Holden erfährt zum ersten Mal richtige Liebe und fühlt sich zunächst in seiner Männlichkeit bestärkt, kann aber nicht mit Alyssas experimentierfreudiger Vergangenheit umgehen. Alyssa dagegen träumt von einer normalen und stabilen Beziehung, kann aber ihrer Vergangenheit und ihrem früheren Ich nicht entfliehen.
Dieses teilweise recht schwere Drama wird immer wieder aufgelockert von absurden Szenen, die man aus anderen Filmen von Smith kennt, die aber erstaunlicherweise nach einer Eingewöhnungsphase auch hier nicht fehl am Platz wirken. So kommt es das Holden und der Zuschauer eine wichtige Lehre über Beziehungen von niemand anderem als Jay und Silent Bob erhalten und der Film in einer Szene kulminiert, die so schnell zwischen absurder Komik und herzzerreißender Traurigkeit schwankt, dass einem ganz schwindlig wird. In erster Linie bleibt Chasing Amy aber dabei immer eine Liebesgeschichte und zwar eine verdammt Gute!


Adventureland

James (Jesse Eisenberg) hat 1987 gerade seinen Uniabschluss in Literaturwissenschaft gemacht und will als Belohnung mit Freunden auf eine Europareise gehen. Doch seine Eltern eröffnen ihm am Tag der Zeugnisübergabe, dass ihr Geld weder für die Reise noch für James geplante weiterführende Studien in New York reichen wird. Stattdessen muss er über den Sommer zurück nach Hause ziehen und im heruntergekommenen Freizeitpark „Adventureland“ arbeiten. Was sich zuerst wie ein Albtraum geriert, entpuppt sich nach und nach als wichtigster Sommer in James bisherigem Leben.
Der Film ist eigentlich eine typische Coming of Age-Komödie mit ernsten Untertönen in der die Liebesgeschichte nur einer von vielen Bausteinen ist. James ist intelligent und gebildet, aber in allen anderen Lebensbereichen jungfräulich und weltfremd. Im Sommer, in dem der Film spielt, lernt er nicht nur erstmals richtige Freunde kennen, sondern erhält dringend nötige Lebenserfahrungen und Selbstbewusstsein. Wichtig dafür ist auch Em (Kristen Stewart), in die sich James ziemlich schnell verliebt. Em erscheint ihm zuerst wie das Mädchen seiner Träume: Sie ist intelligent und humorvoll, teilt seinen ausgefallenen Musikgeschmack, ist sexuell offen und gleichzeitig irgendwie „Eine von den Jungs“. Im Laufe des Sommers lernt James dann nicht nur diese Traumvorstellungen von Frauen, sondern auch seine naiven Zukunftsträume mit der Realität zu vereinbaren. Em ist die erste „echte“ Frau (problembeladener und komplexer als er es zunächst sehen kann), die der weltfremde Student kennen lernt und seine Zeit im „Adventureland“ der erste Ausblick auf das echte Leben, dass so ganz anders ist als er es sich vorgestellt hat, aber letztendlich auch viel aufregender. Am Ende des Films kommt wenig überraschend ein Happy End (das man sich als Filmzuschauer und auch Leser dieser Liste ja mal verdient hat) für die Liebe zwischen James und Em. Wichtiger für die Beiden ist aber, dass ihnen der gemeinsame Sommer geholfen hat Probleme zu überwinden und den Weg gewiesen hat in einen neuen Lebensabschnitt und in die Selbstständigkeit.


Das Schreiben dieses Beitrags und das erneute Schauen der passenden Filme hat mir soviel Spaß gemacht, dass es wohl bald einen zweiten Teil geben wird, genug Filme habe ich auf jeden Fall schon :) 



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