Dienstag, 1. November 2011

Liebeserklärung an einen Film: Kiss Kiss Bang Bang

Kiss Kiss Bang Bang war ein erstaunlich wichtiger Film für viele der Beteiligten. Es war ein Comeback und auch ein Neuanfang für Drehbuchschreiber und Regisseur Shane Black. In den 80ern und 90ern war er verantwortlich für einige große Action-Blockbuster (u.a. Lethal Weapon), bevor er gänzlich von der Bildfläche verschwand. Kiss war seine erste Regiearbeit und transportierte seinen unnachahmlichen Schreibstil in eine gleichzeitig moderne und wunderbar altmodische Actionkomödie. Danach wurde es zwar seltsamerweise schnell wieder still um Black, aber dieser Film sicherte ihm immerhin Regie- und Schreiberposten für Iron Man 3. Für Robert Downey Jr. war Kiss natürlich noch wichtiger. Erst Iron Man machte ihn zwar erneut zum Superstar, nachdem er durch Drogen seine Karriere zwischenzeitlich scheinbar zerstört hatte, aber es war dieser Film, der zeigte, dass er wieder oder immer noch das Zeug zum Hollywoodstar hatte. Auch für Hauptdarstellerin Michelle Monaghan war Kiss der Beginn einer größeren Karriere, die sie zwar nicht ganz an die Spitze Hollywoods, aber doch relativ nahe daran katapultierte. Am traurigsten ist aber im Zusammenhang des Films die Karriereentwicklung von Val Kilmer. Kiss Kiss Bang Bang war mit der letzte gute Film von einem durchaus begabten Schauspieler. Seitdem wurde Kilmer nur noch dicker und hat es sich scheinbar zum Ziel gesetzt in möglichst vielen B- und C-Movies zu erscheinen.

Dafür, dass er so zentral für die Beteiligten war blieb der Film überraschend erfolglos und ist auch heute noch abgesehen von einem gewissen Kultstatus erschreckend unbekannt. Immerhin taucht Kiss in vielen Listen als einer der besten Filme des letzten Jahrzehnts auf, aber für den Mainstream scheint es eine zu wilde Mischung verschiedener Genres zu sein. Aber zunächst kurz zum Inhalt.

Harry Lockhart (Downey Jr.) ist ein Kleinganove, der beim Versuch Weihnachtsgeschenke für seinen Sohn zu kaufen erwischt wird. Während sein Partner angeschossen wird, flüchtet Harry aus Versehen in ein Vorsprechzimmer für einen Hollywoodfilm. Seine Nervosität und Verzweiflung wird für schauspielerisches Können gehalten und er erhält die Rolle. Schnell bekommt er für den Detektivfilm, in dem er jetzt die Hauptrolle hat, den Privatdetektiv Gay Perry (Kilmer) als Berater an die Seite gestellt. Statt sich aber aus dem Staub zu machen oder wenigstens auf seine Rolle zu konzentrieren, gibt Harry sich als echter Privatdetektiv aus als ihm seine Jugendliebe Harmony Faith Lane (Monaghan) über den Weg läuft, die sich als naive Möchtegernschauspielerin in Hollywood durchschlägt. Als Harmonys Schwester ermordet wird, übernimmt Harry vollkommen ahnungslos und zum großen Verdruss von Gay Perry den Fall in dem sich schnell die Toten häufen und das Chaos ausbricht.

Zurück zu den Genres. Kiss Kiss Bang Bang mischt hauptsächlich zwei Arten von Filmen, Film Noir und die Buddy Action Komödie. Für zweiteres ist Shane Black durch Lethal Weapon so etwas wie der Gottvater. Doch im Gegensatz zu den typischen Buddy Filmen wird das Konzept hier auf den Kopf gestellt. Harry ist zwar ähnlich wie Mel Gibson in der Lethal Weapon-Reihe der wilde Draufgänger, hat aber im Gegensatz zu typischen Actionhelden keinerlei Qualifikationen und stolpert von einer Katastrophe in die nächste. Gay Perry dagegen ist der "Straight Man" des Films, einer Rolle, die im Kontrast zu seiner oft erwähnten Homosexualität steht, der er aber wiederum mit einem Verhalten entegegensteht, dass im krassen Gegensatz zu allen schwulen Filmklischees steht. Zusammen werden die beiden in eine Geschichte hineingezogen, die zunächst wirkt wie ein klassischer Film Noir. Die mysteriöse und verführerische Harmony zieht Harry und damit auch Gay Perry in einen Mordfall, der nach und nach eine größere Verschwörung offenbart. Doch auch hier stellt der Film die Konventionen auf den Kopf. Harry versucht die Detektive aus Film Noir-Filmen zu imitieren, scheitert aber kläglich: statt die Morde aufzuklären macht er einen Fehler nach dem anderen und impliziert sich immer mehr darin. Perry dagegen ist zwar kompetent, aber überhaupt nicht an der Aufklärung des Falles oder gar dem Heldentum interessiert. Harmony ist in diesem Kontext die mysteriöse „damsel in distress“, aber ohne sich ihrer eigenen Sexualität bewusst zu sein, geschweige den sie richtig zu benutzen. Die beiden Teile des Films ergänzen sich auf interessante Weise. Die schräge und pfeilschnelle Actionkomödie gibt der Detektivgeschichte großartigen, pausenlosen Humor und einen durchgehend hohen Adrenalinspiegel, während der Film Noir -Anteil den Actionfilm durch eine durchdachte und spannende, wenn auch zunehmend absurde Hintergrundgeschichte abrundet.

Die erste große Stärke des Films sind die Dialoge. Wie in seinen vorherigen Filmen schafft Black es den Sprüchefaktor konstant hoch zu halten und trotzdem keinerlei Füller oder Schwachpunkte in den Dialogen zu offenbaren. Die manische Überdrehtheit von Harry, der trockene Zynismus von Gay Perry oder die naive Schrulligkeit von Harmony sind durchegehend lustig und sympathisch und in Kombination einfach unschlagbar. Die zweite große Stärke ist dann natürlich die Besetzung. Harry Lockhart ist "die" typische Robert Downey Jr. -Rolle. Er verkörpert den schnell redenden, neurotischen, absolut trotteligen, aber immer ebenso liebenswerten Harry perfekt. Bevor Downey Jr. durch seinen erneuten Erfolg allgegenwärtig und auch zunehmend zu einer reinen Marke wurde, war seine Rolle in diesem Film etwas absolut erfrischendes. Michelle Monaghan dagegen hat zwar die meist undankbare Rolle des "Traummädchens", verleiht ihrer Figur aber auch Tiefe und ihr komödiantisches Timing. Und dann ist da noch Val Kilmer, der hier auf tragische Weise beweist, wie gut er doch eigentlich sein kann mit dem richtigen Material. Der beißende Sarkasmus und die zunehmende Frustration verursacht von den inkompetenten Idioten, die ihn umgeben und den absurden Situationen in die er gegen seinen Willen reingezogen wird, ist einfach extrem witzig und großartig gespielt von Kilmer. Die drei Schauspieler in Kombination mit diesem Drehbuchfeuerwerk sind eine Glanzleistung des Casting Directors und eine Quelle unendlicher Freude für den Zuschauer.

Eine letzte Eigenheit und Stärke des Films ist seine Erzählform. Harry selbst ist der Erzähler und zwar ein typisch unzuverlässiger Erzähler. Er ergänzt die Handlung durch Rückblicke auf seine und Harmonys Kindheit, spult die Handlung zurück, weil er etwas vergessen hat und ändert das Ende des Films nach seinen Vorstellungen. Das ganze macht Harry irgendwie noch sympathischer und am Ende des Films wünscht man sich nichts sehnlicher als viele weitere Filme mit einem gemeinsamen Detektivbüro der Hauptdarsteller im Mittelpunkt. Da aber dieser perfekte Film auf der anderen Seite niemals durch Fortsetzungen oder ähnliches verunstaltet werden sollte, bleibt abschließend nur die Hoffnung, dass alle Beteiligten noch häufig zusammen arbeiten werden und vor allem auch Shane Black bald wieder häufiger Filme machen wird. 


Ältere Liebeserklärung hier: The Fountain

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