Sonntag, 11. Dezember 2011

Meine Lieblingsmusik 2011 - Teil II: Alben Platz 16-30

Link Teil 1: Musikvideos


Dieses Jahr gab es wirklich extrem viele gute Alben und ich habe mehr noch als in den letzten Jahren sehr unterschiedliche und auch verdammt viel Musik gehört. Das führte nicht nur dazu, dass nahezu mein gesamtes Geld für Cd's, Mp3's, Platten, Merchandise und Konzerte drauf ging, sondern auch dazu, dass ich eine Menge sehr gute Alben zu hören bekam, die eine immer extensivere Jahresendliste erzwangen und die endgültige Auswahl der "besten" Alben zu einer spaßigen Qual machten. 2011 ist für mich persönlich das Musikjahr in dem verschiedene Formen von Metal und "heftiger" Musik wieder ein größeres Comeback in meinem Leben machten und so für eine noch kontraststärkere Liste sorgen. Auch dieses Jahr ist die Liste wieder überraschend Frauen-domininert, für jemanden, dessen Horizont vor 10 Jahren nicht wirklich über Musik "gemacht von Männern" hinausging...Alle Alben sind zur Orientierung (und Warnung) mit einer ungefähren Genre-Eingrenzung gekennzeichnet.    

30. 
Thees Uhlmann – Thees Uhlmann  
(Deutschrock/ Indie)


Ich habe Tomte nie wirklich gehört, es war einfach nie so wirklich mein Ding, ebenso wie Kettcar oder Tocotronic. Ich mag mittlerweile die Sachen der Band, aber Fan werde ich nie wirklich werden. Thees Uhlmanns erstes Soloalbum gefällt mir dafür überraschenderweise ziemlich gut. Man merkt einfach, dass Uhlmann hier alle Schwere und Bedeutsamkeit seiner Hauptband ablegt und endlich einfach mal drauf losrockt und Spaß hat. Musik und Texte schwanken bei allen Liedern zwischen nostalgischer Lagerfeuerromantik und routiniertem Deutschrock. Das ist natürlich nie innovativ oder bahnbrechend, aber das muss und will es auch gar nicht sein. Stattdessen gibt es ein persönliches Album mit ehrlichen Texten über elementare Themen wie die Liebe und das erwachsen werden. Natürlich gibt es da auch ein paar gruselige Textstellen ("Dein Herz ist wie eine Berliner Synagoge - Es wird Tag und Nacht bewacht" *schüttel*) oder billige Melodien, doch der Großteil von Thees Uhlmann ist mitreißend, tanzbar und hervorragend geeignet zum mitsingen. Und wenn man dann noch das herrlich nostalgisch-kitschige Video zum besten Song Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf (auch ein Anwärter auf den besten Songtitel des Jahres!) und Uhlmanns Auftreten live, in Interviews oder bei Facebook verfolgt, weiß, hier ist nichts kalkuliert oder geglättet. Der Mann freut sich einfach wie ein kleines Kind an Weihnachten, endlich mal sein Ding durchzuziehen und ist ehrlich überrascht und oft sprachlos, dass er auch kommerziell mit dieser Herzensangelegenheit einen zweiten Frühling erlebt. Dieses erfrischende Verhältnis zur eigenen Musik verstärkt die bereits in der Musik steckende Ehrlichkeit und Natürlichkeit noch einmal und steckt sofort an.
- Anspieltipps: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf, 
17 Worte, Die Toten auf dem Rücksitz, Römer am Ende Roms


29. 
Lykke Li – Wounded Rhymes  
(Indie/ Pop)


Lykke Li hat auf Wounded Rhymes das naiv-süßes Image gegen ein düster-erotisches eingetauscht und es steht ihr außerordentlich gut. Sie macht immer noch unwiderstehliche Popsongs aber jetzt mit mehr Ecken, Kanten und eben auch Texten wie „I'm your prostitue – come and get some“. Was sofort auffällt ist die prominente, oft ungewöhnliche Percussion, die sich durch die Songs zieht und viele der Nummern gleichzeitig tanzbar macht, ihnen aber auch eine mysteriöse, exotische Note verleiht. Die Instrumentierung schafft es auf spannende Weise Songs zu gestalten, die auf den ersten Blick wie lupenreine Pop-Perlen wirken, ohne in die üblichen Fallen von Austauschbarkeit und mangelnder Langzeitwirkung zu treten. Wounded Rhymes besteht dabei zu gleichen Teilen aus stampfenden Tanznummern und langsamen Liedern zwischen Melancholie und großer Dramatik. Die Themen schwanken zwischen den hellen und dunklen Aspekten von Liebe und Sex, mit sratker Tendenz zu den Dunkleren. Neben der bereits erwähnten, ausgeprägten Erotik ist dabei besonders verwunderlich und auch aufregend wie düster und persönlich das Dargebotene oft klingt. Und das sei abschließend noch ein mal erwähnt: Auf Wounded Rhymes gibt es nur Hits, ohne das Lykke Li eine gleichförmige, oder austauschbare Popsängerin werden würde.
- Anspieltipps: Youth knows No Pain, Get Some, Sadness is a Blessing, Silent my Song


28. 
Liturgy – Aesthethica  
(Black Metal)


Hunter Hunt-Hendrix, Haupt-Songwriter von Liturgy polarisiert die Metalszene sehr. Er schreibt Manifeste zum Stand des Black Metals, faselt äußerst intellektuell über die Musikrichtung und nimmt sich allgemein viel zu ernst. Das mag Fans und Musiker, die aktiv in der Szene sind, nerven und stören, mich als Teilzeit-Black-Metalhörer stört das aber nur wenig und ich kann es wunderbar von der Musik trennen. Aesthethica ist davon abgesehen nämlich ein technisch eindrucksvolles, hyperschnelles Stück Black Metal. Auf den ersten Blick sind die konstanten Noiseattacken und die sich in absurde Geschwindigkeitstaumel steigernden Songs anstrengend und können mit der falschen Einstellung schnell zu Kopfschmerzen führen. Gerade diese machen aber auch den Reiz dieser Cd aus. Die heulenden Tremolo-Gitarren, brutalen Blast Beats und der Kreischgesang erzeugen im Gegensatz zu den meisten Black Metal-Bands bei mir eher eine Art Euphorie. Der ganze Körper schwingt beim Hören von Aesthethica mit und die manischen Songstrukturen erzeugen schnell eine innere Unruhe ebenso wie ein breites Grinsen. Liturgy machen natürlich keine fröhliche oder gar angenehme Musik, sind aber auch meilenweit davon entfernt typischen Black Metal zu machen und die damit assoziierten Gefühlsregungen zu erzeugen. Aesthethica ist keine schwarze Wand voller Hass, sondern mehr wie ein vertonter, epileptischer Anfall, aber auf eine gute Weise, wenn auch leicht schmerzhaft. Diese kaum auszuhaltende Euphorie wird in zwölf atemlosen Wall of Sound-Ungetümen voll effektiver Wiederholungen und Steigerungen konserviert und an den Hörer weitergegeben. Da ist es ehrlich gesagt scheißegal, ob die zugehörige Band sich für intellektuell hält oder aussieht wie eine Pseudo-Emo-Band auf MTV. 
- Anspieltipps: Returner, Tragic Laurel, Harmonia

27. 
Pianos Become The Teeth – The Lack Long After 
(Screamo/ Post-Hardcore)


The Lack long after platzt fast vor Gefühlen und ist teilweise in seiner Intensität kaum zu ertragen. Pianos become the Teeth machen Screamo, der sich zwar an Bands aus den 90ern orientiert, aber um einiges heavier klingt und eine deutliche Schlagseite zu (emotionalem!) Hardcore hat. Sänger Kyle Durfey schreit sich in allen Songs die Seele aus dem Leib und legt soviel Schmerz, Verzweiflung und Sehnsucht in seine Stimme, dass man sich als Zuhörer vor Gänsehautschauern kaum retten kann. Seine Stimme ist dabei für Genreverhältnisse nicht nur überdurchschnittlich aussagekräftig, sondern auch variabel. Schon der Opener I'll be damned ist dabei ein heftiger und variabler Hardcoresong auf dem Durfey, wie auch auf dem gesamten Album, die schwere Krankheit und den frühen Tod seines Vaters verarbeitet. Durch die Persönlichkeit der Texte entfalten Pianos dabei im Gegensatz zu anderen, vergleichbaren Bands noch eine größere Identifikationskraft und Unmittelbarkeit für den Hörer. In der Mitte von The Lack Long After steht Liquid Courage, dass mit Explosion in the Sky-artigen Gitarren fast nach Post-Rock klingt und einen halben Ruhepol bildet, bevor es mit einer Eruption in den Song Spine übergeht und damit die zweite Hälfte des Albums einläutet. Die restlichen Songs sind eine Mischung aus chaotischem Screamo und melodischem aber äußerst heftigem, modernen Hardcore, der einen packt und nicht mehr loslässt. I'll get by, der letzte Song von The Lack Long After ist dann ein epischer Mid-Tempotrack auf dem noch mal alle aufgewühlten Emotionen hoch kommen und es bis zuletzt unklar bleibt, ob Durfey selbst oder ich als Hörer zuerst in Tränen ausbrechen werde. Mit nur 8 Songs ist das Album zwar scheinbar kurz, aber auch auf positive Weise so anstrengend und erschöpfend, dass es vollkommen ausreicht.
- Anspieltipps: I'll be damned, Spine, I'll get by

26. 
Bon Iver – Bon Iver  
(Folk/ Singer-Songwriter)


Die obligatorischen Dinge, die sonst in jedem Bon Iver-Artikel mindestens den ersten Absatz einnehmen gleich mal vorweg: CD-Aufnahmen in einsamer Hütte, Pitchfork, Hype, Hype, Hype, Kanye West. Okay weiter geht’s. Das zweite Album von Bon Iver ist weniger spartanisch als der gefeierte Vorgänger For Emma, Forever ago, es gibt mehr Instrumente, mehr Produktion, mehr Stilrichtungen. Was bleibt ist Justin Vernons vielseitiger Falsettogesang und die schönen, zarten Songs voller Melancholie. Für den Überraschungseffekt sorgen diesmal eher die größer angelegten Arrangements und die deutlich sichtbare Liebe für die 80er, die sich aber beide harmonisch in den musikalischen Kosmos von Bon Iver einfügen. Die Einzigartigkeit und unheimliche Geschlossenheit von For Emma, forever ago ist zwar weg, dafür scheint es so, als ob Vernon erstmals alle seine musikalischen Ideen und Marotten ausleben konnte.
- Anspieltipps: Perth, Holocene, Calgary

25. 
Subrosa – No Help For The Mighty Ones 
(Doom Metal/ Sludge/ "Pop")


Subrosa sind im weitesten Sinne eine Doom Metal Band. Es gibt tonnenschwere Riffs und Drums, sowie einen insgesamt trostlos düsteren Sound. Doch darüber hinaus steckt in No Help for the mighty Ones viel mehr. Zwei elektrische Celli geben den Songs eine zutiefst melancholische und dramatische Note und fügen sich dabei trotz ihrer Dominanz erstaunlich organisch in den Gesamtsound ein. Ein weiterer Punkt, der Subrosa meilenweit über das Niveau vieler vergleichbarer Bands erhebt ist der Gesang. Es gibt drei Sängerinnen, die sich abwechselnd oder gemeinsam in schönen Harmonien, meistens singend, manchmal effektiv growlend/schreiend, die Ehre geben und immer aufregend und dynamisch klingen. Darüber hinaus wird der Doom-Sound noch ergänzt von Stoner Rock- Sludge- und Folk-Elementen, was aber nie zusammengestückelt, sondern stets passend und spannend zugleich klingt. In ihrer Vielseitigkeit und dem erfolgreichen Spagat zwischen mitreißender Eingängigkeit und kompromissloser Heaviness erinnern mich Subrosa oft an eine Doomversion von Kylesa, auch wenn sie natürlich absolut ihr eigenes Ding durchziehen.
- Anspieltipps: Borrowed Time, borrowed Eyes, The Inheritance, Dark Country

24. 
James Blake – James Blake  
(Electronic/ Dubstep)


James Blake wird teilweise schon fast als neuer Heiland in der elektronischen Musik gefeiert. Das ist sicher übertrieben. Blakes Musik ist sehr schön, aber auch nicht weltbewegend. Das soll aber keine Geringschätzung sein, denn sehr gut ist es ja schon was der junge Engländer da macht. Sein minimalistischer, aber dennoch detailverliebter Elektro-Klavier-Mix wird ergänzt von Blakes klarer, melancholischer Stimme und schafft so wunderbar verträumte und sehnsuchtsvolle Stücke. Am auffälligsten ist zunächst das Feist-Cover Limit to your Love, das als dramatische Klavierballade beginnt und durch vorsichtig hinzugefügte Dubstep-Elemente ein spannendes, neues Gesicht bekommt. Doch auch seine eigenen Songs können mit diesem Niveau mithalten und bewegen sich dabei immer zwischen den Polen Klaviermusik und Dubstep. Der vielfach gedoppelte, verzerrte und manipulierte Gesang erinnert dabei, genau wie die musikalische Grundstimmung, oft an Justin Vernon, der das mit Bon Iver perfektioniert hat. Genau wie Vernon macht James Blake Musik, die volle Aufmerksamkeit und den Willen sich auf das Gehörte einzulassen, erfordert. Sonst entgehen einem die vielen Nuancen der Songs und die Schönheit der Musik kann untergehen in ihrer bei oberflächlicher Betrachtung möglicherweise empfundenen Gleichförmigkeit und Einfachheit. Denn dahinter verbergen sich elf Songs, die zwar wie aus einem Guss wirken, aber trotzdem ganz unterschiedliche Stimmungen transportieren. Da wäre etwa Lindisfarne II, dass wie das musikalische Äquivalent eines schüchternen Lächeln klingt. Am anderen Ende des Spektrums sorgt das gespenstische und endlos traurige Why don't you call me für ähnliche Gänsehautschübe. Es lohnt sich auf jeden Fall auch den anderen Songs des Albums die nötige Zeit zu geben, ebenso wie den EP's die in diesem und dem letzten Jahr erschienen sind und James Blake, neben einem der interessanten Künstler auf jeden Fall auch zum fleißigsten der Gegenwart machen.
- Anspieltipps: The Wilhelm Scream, Lindisfarne II, Limit to your Love, Why don't you call me

23. 
KEN Mode – Venerable  
(Noise Rock/ Hardcore/ Sludge)


Und schon wieder Kurt Ballou! Der Gitarrist von Converge produziert wirklich jedes Jahr mindestens ein Album, dass es in meine Jahresbestenliste schafft. Dieses Mal sind es gleich drei (All Pigs must Die, Des Ark und eben KEN Mode). Ob er sich wirklich immer nur die besten Bands heraussucht oder aktiv die Bands zu etwas erst richtig gutem macht ist nicht immer klar, aber auf jeden Fall ist auch Venerable ein großartiges Album mit äußerst passender Produktion. KEN Mode sind ein Trio aus Kanada, das Noise Rock mit metallischer Schlagseite macht. Musikalische Orientierungspunkte sind für mich Knut, Coalesce oder Botch (ich kenne mich allerdings nicht allzu gut aus in diesem Bereich), allerdings mit etwas weniger Experiment/Chaos und dafür viel Groove. Die Brüder Jesse und Shane Mathewson sowie Neuzugang Thérèse Lanz bilden eine extrem eingespieltes Team und klingen dank Kurt Ballous Produktion zu allen Zeiten unglaublich mächtig. Wenn ich den Effekt, den KEN Modes Musik auf mich hat, beschreiben soll, fallen mir nur die englischen Begriffe „pummeling“ und „devastating“ ein, die sich übersetzt nur schwer sinnvoll in diese Kritik einfügen lassen. Und eigentlich bin ich auch viel zu beschäftigt mir beim headbangen vor dem PC das Genick auszurenken oder mich beim Air-Drums spielen bis zur völligen erschöpfung zu verausgaben, um dieses heftige Stück Musik sinnvoll zu beschreiben. Abschließend sei nur noch angemerkt, dass Venerable auf dem Label Profound Lore erschienen ist, die in letzter Zeit gefühlte 2/3 aller guten Metal-Releases herausbringen. Also anhören!
- Anspieltipps: Obeying the Iron Will..., Batholith, Never was

22. 
My Brightest Diamond – All Things Will Unwind  
(Folk/ Chamber Pop/ Singer-Songwriter)


All Things will unwind war eines meiner meist erwarteten Alben dieses Jahr und kann meine vielleicht auch unfair hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen. Im Gegensatz zu den beiden Vorgängeralben sind die Rockelemente noch weiter zurückgestellt. Stattdessen macht Shara Worden hier gemeinsam mit dem Klassik-Ensemble ymusic so etwas wie Kammerpop. Die wunderbare Theatralik in Stimme und Musik ist immer noch da, aber es fehlt das düstere, unheimliche zugunsten von verspielteren und fröhlicheren Nummern. Natürlich kann man einem Künstler nicht vorwerfen, dass er persönliches Glück und Fröhlichkeit in seine Musik einfließen lässt, doch vermissen werde ich es trotzdem. Bevor das hier aber wie eine negative Kritik klingt, All Things will unwind ist immer noch ein sehr schönes Album. Die Zusammenarbeit mit ymusic führt zwar gelegentlich zu weniger Abwechslungsreichtum und Spannung, ergänzt und umschmeichelt Shara Wordens absolut einzigartige Stimme dafür aber perfekt. Opener We added it up ist ein verspielter Song über die Liebe, die alle Gegensätze besiegen kann. Dieses Lied zeigt schon wunderbar, was Shara Worden so einzigartig macht. Sie singt scheinbar problemlos auf diese unglaublich komplexe, vielseitige und dramatische Art und man merkt ihr dabei zu jedem Moment den Spaß an, den sie hat. Und ihre Stimme ist auf diesem Album nach wie vor fantastisch und vielleicht so gut wie noch nie. Die aufregende und eingängige Vorabsingle Reaching through to the other Side und das sich langsam zu einer kleinen Explosion tänzelnde Be brave sind auf den ersten Blick die besten Songs. Beide haben jede Menge Drama und einen guten Spannungsbogen. There's a Rat ist für My Brightest Diamond-Verhältnisse zunächst ungewöhnlich wütend und zynisch, macht aber auch gerade deswegen Spaß. Abschließendes Highlight ist der Quasi-Titeltrack Everything is in Line, ein atemberaubendes, unheimlich harmonisches Duett mit DM Stith, dass sich in fantastische Höhen schraubt. Dazwischen befinden sich ein paar Songs, die leider nicht so richtig zünden wollen, aber von einem mittelmäßigen Album ist All Things will unwind natürlich immer noch meilenweit entfernt.
- Anspieltipps: Reaching through to the other Side, Be Brave, Everything is in Line

21. 
Mamiffer - Mare Decendrii  
(Ambient/ Post-Rock)


Das Ehepaar Faith Coloccia (Everlovely Lightningheart) und Aaron Turner (Isis, Old Man Gloom, 5000 andere Projekte) sind unbestreitbar ein Traumpaar experimenteller Musik und Mamiffer scheint jetzt ihre Hauptaufmerksamkeit zu bekommen, nachdem sich die jeweiligen Vorgängerbands aufgelöst haben. Im Gegensatz zum ersten Album Hirror Enniffer, auf dem die Songs noch kürzer und zugänglicher waren (und Turner nur Gastmusiker war), sind auf Mare Decendrii nicht nur die Songlängen, sondern auch der Noise- und Ambient-Anteil gestiegen. Die neuen Songs sind schwerer zugänglich und erinnern mehr an Coloccias vorherige Band Everlovely Lightningheart. Anders aber als dort wird bei Mamiffer ein größeres Augenmerk auf Spannungsbögen und Songstrukturen gelegt. Neu ist auch die Erweiterung von Songelementen: Streicher, Chöre oder eine für Gänsehaut sorgende Gesangsdarbietung des finnischen Künstlers Mika Rättö (Circle) vertiefen das Hörerlebnis immens. Wie alle Musik des Ehepaars Turner-Coloccia erfordert auch Mare Decendrii die volle Aufmerksamkeit von seinem Hörer. Wer sich aber darauf einlässt wird belohnt mit einem fast schon außerweltlichen und ätherischen Hörerlebnis, das einen so schnell nicht mehr loslässt.
- Anspieltipps: We speak in the Dark, Iron Water

20. 
Dillon – This Silence Kills  
(Indie/ Singer-Songwriter/ Electropop)


Dillon ist die 23-jährige Dominique Dillon de Byington. Sie macht grandiose Musik irgendwo zwischen Electropop, Klaviermusik und "Indie-Operette" (Quelle: Intro-Magazin). Gesanglich erinnert sie dabei an Lykke Li, Karin Dreijer Andersson und Joanna Newsom, aber ohne wie eine Kopie zu klingen. Auch musikalisch teilt sie zwar einige der Sounds, sowie die Exzentrik und Vielseitigkeit dieser Damen, erschafft aber auf ihrem Debütalbum einen eigenen, eigenständigen und umwerfenden, musikalischen Kosmos.

Dillons oft süß und kindlich klingende Stimme und die stellenweise niedlich-beschwingte Musik wirkt dabei als spannender Kontrast zu den direkten Texten und oft überraschend düsteren Musikelementen, die sich in den Songs verbergen. Das Ergebnis ist ein Album, das gleichzeitig zum tanzen und fröhlich sein einlädt, ohne dabei seine melancholische, gar unheimliche Grundstimmung zu verlieren. Es gibt Ohrwürmer wie Tip Tapping oder Hey Beau, die klingen wie ein älterer Lykke Li-Song, gekreuzt mit einer Zirkusmelodie. You are my Winter und Undying Need to Scream dagegen sind melancholisch-verträumte Klavierballaden, angereichert durch sanfte Elektronik. Thirteen Thirtyfive wiederum lebt nur vom Klavierspiel und dem außergewöhnlichen Gesang von Dillon und schafft den Spagat gleichzeitig wie ein süßes Liebeslied und dennoch absolut verstörend zu wirken. Diese Qualität haben viele der Songs und machen somit Dillon nicht bloß zu einem weiteren Indie-Hype, sondern zu einer Künstlerin voller spannender Widersprüche und immer einem Hauch von Mysteriösität.

Knackpunkt für viele Hörer wird dabei von Beginn an Dillons Stimme sein, die ähnlich extravagant, unperfekt und ungewöhnlich klingt wie die im ersten Absatz erwähnten Sängerinnen. Doch ebenso wie diese, gibt es auf This Silence Kills eine Künstlerin zu hören, die ihre Stimme als ausdrucksstarkes und äußerst emotionsintensives Instrument einsetzt und nicht bloß auf klassische und langweilige Art und Weise vor sich hin singt.

- Anspieltipps: Tip Tapping, Your Flesh against mine, You are my Winter, Texture of my Blood

19. 
Basement – I Wish I Could Stay Here  
(Melodic Hardcore/ Punk)


Basement aus England machen melodischen Hardcore und haben mit I wish I could stay Here ein gleichermaßen eingängiges wie tiefgründiges Album geschaffen. Die letzten Zeilen des Openers Fading „Everything I had will fall apart. Nothing stays the same“ sind ebenso simpel wie passend, um Musik und Stimmungslage von Basement zu beschreiben. Es geht um verlorene Liebe, ein oft sinnloses Leben voller Einsamkeit und Traurigkeit, aber letztendlich auch um Neuanfänge und einen Funken Hoffnung. Transportiert werden diese Themen von Andrew Fishers leicht rauer, aber vor allem extrem emotionalen Stimme, die einen sofort in den Strudel aus widerstrebenden Stimmungen zwischen Verzweiflung, Melancholie und Hoffnung zieht. Die Musik dazu bleibt immer eingängig, ohne dabei jemals ihre Authentizität zugunsten von billigen Pop- oder Emomomenten aufzugeben. Das alles ist zwar weder musikalisch noch thematisch etwas wirklich neues, aber die dargebotenen Songs und auch die damit verbundenen Gefühle klingen immer echt und aufrichtig. Die sich schnell abwechselnden Stimmungen des Albums finden einen treffenden Abschluss in den ambivalenten letzten Zeilen „No more waiting for you. No more waiting for me.“ Ein kleiner Hoffnungsschimmer in dunklen Zeiten. Das gilt ebenso für Basement als Band, wie für ihre Musik auf diesem Album.
- Anspieltipps: Fading, Crickets throw their Voice, Yoke, March

18. 
Book of Black Earth – The Cold Testament  
(Blackened Death Metal)


Es überrascht mich immer noch, dass mir The Cold Testament so gut gefällt. Die Mischung aus technisch anspruchsvollem Death Metal mit Black Metal-Anteilen und einer extremen Eingängigkeit und "Headbang-Qualität" lassen mich immer wieder nostalgisch werden zu einer Zeit in der ich hauptsächlich Metal gehört habe. Aber auch ohne diesen Bonus ist die neue Cd von Book of Black Earth ein sehr gutes Album, auf dem sich ausschließlich Hymnen befinden. Vom pfeilschnellen Opener Weight of the World bis zum schleppenden Abschlusstrack I see Demons hat The Cold Testament keinerlei Schwachpunkte und dafür viele Highlights, wie der hervorragende Mitgröhlsong Road Dogs from Hell oder das um einen spannenden Interviewausschnitt herum aufgebaute Termination. Still sitzen fällt auf jeden Fall schwer.
- Anspieltipps: Antarctica, Irritating Spectre, Road Dogs from Hell

17. 
Lisa Hannigan – Passenger  
(Singer-Songwriter/ Folk/ Pop)


Eigentlich schreibt Lisa Hannigan nur Liebeslieder. Unabhängig von Themen oder Stimmungen in ihren Songs, transportiert ihre unglaublich warme und natürliche Stimme immer eine ansteckende Lust am Leben und der Musik. Ihr zweites Soloalbum beginnt mit Home, dem ungewöhnlichsten Song des Albums. Mit Streichern und dramatischer Instrumentierung klingt er irgendwie voller und wuchtiger als andere Songs der Irin. Hannigans Stimme steht aber dennoch nach wie vor unangefochten im Mittelpunkt und vermittelt wie auch auf dem Rest des Albums sofort ein Gefühl von Geborgenheit und beruhigender Zuversicht. Ein weiterer Höhepunkt ist die erste Single Knots, die mit Ukulele beginnt und sich im Laufe von 3 ½ Minuten, durch Hinzuziehen immer neuer Instrumente, zum bisher tanzbarsten Song von Lisa Hannigan entwickelt. Bei ihrem Gesang kann man das Lächeln förmlich hören und sobald Hannigans Stimme einsetzt geht auch hier einfach die Sonne auf. Der Rest von Passenger ist nicht großartig anders als ihr erstes Soloalbum Sea Sew. Ansteckend fröhliche Lieder wie Knots oder What I'll do wechseln sich ab mit zärtlichen Balladen wie Little Bird oder dem süßen Safe travels, (don't die). Insgesamt wirken die Lieder hier lediglich noch etwas runder und durchdachter. Aber das ist auch nicht schlimm, denn die Vielfältigkeit und Schönheit von Hannigans Stimme wird sich so schnell nicht abnutzen. Ihr Weg vom oft einzigen Lichtblick in Damien Rices düsteren Liedern hin zur eigenen helleren und bunteren Welt ist Hannigan vollends gelungen und war auf jeden Fall eine gute Entscheidung. Manchen mag das auf Passenger gebotene zu kitschig oder süß sein, aber wenn Lisa Hannigans letzte Albumzeilen „You'll never have nowhere to go“ verklungen sind bin ich gerne bereit an eine bessere Welt und ein glücklicheres Leben zu glauben.
- Anspieltipps: Home, Knots, Passenger, Safe travels, (don't die)

16. 
Krallice – Diotima  
(Black Metal)


Diotima ist ein durch und durch „anstrengendes“ Album. Fast 70 Minuten lang und mit dem Großteil der Songs über 10 Minuten Länge. Die Texte sind intelligente, philosophische Abhandlungen (Diotima selbst ist eine Figur in Platons Dialog, die ihn über die Natur des Eros belehrt), die Aufmerksamkeit und Nachdenken erfordern. Und die Musik ist ein komplexes, extrem abwechslungsreiches und erschöpfendes Lehrstück modernen Black Metals.
Für wen das jetzt alles abschreckend klingt, dem sei versichert: Diotima kann problemlos auch ohne Vorwissen gehört werden und benötigt keine höhere akademische Bildung. Es ist eine unerbittliche und süchtig machende Metalplatte, die auch einfach Spaß macht. Trotzdem finde ich es erfrischend und auch eindrucksvoll, dass es gerade in einem Musikbereich, wo es oft oberstes Ziel zu sein scheint, möglichst böse und misanthropisch rüber zu kommen, eine Band gibt, die fast liebevoll alle Aspekte und Details ihrer Musik konstruiert. Mir als Black Metal-Laien fallen dann auch sofort die Gegensätze zu vielen anderen Bands auf. Die bereits erwähnten Texte liegen auf dem anderen Ende des Spektrums von simplen Satans- und Mordlyrics. Der Gesang bewegt sich meistens im äußerst tiefen Bereich, bietet aber auch verhältnismäßig viel Abwechslungsreichtum. Die Musik selbst befindet sich genreüblich immer zwischen ultraschnellen und hypnotisch langsamen Tempi, aber füllt beide Kategorien mit genug Abwechslung, Detailreichtum und Spielfreude für fünf herkömmliche Alben. Die Songs einzeln zu beschreiben wäre nur unzureichend machbar und würde auch den Rahmen hier sprengen. Es gibt jedoch keinerlei Schwachpunkte und jeder Song doppelt, wie auch das Album als Ganzes, simultan als mitreißende Metaldosis und lärmende, kathartische Erfahrung.
- Anspieltipps: The Clearing, Telluric Rings


Morgen gehts weiter mit der Top 15...

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