Kate Bush – 50 Words for Snow
(Singer-Songwriter/ Pop/ Alternative)
Es ist schon komisch; Ich höre Musik von unzähligen Künstlerinnen, die immer wieder passender- oder viel öfter auch unpassenderweise mit Kate Bush verglichen werden. Wirklich gehört habe ich aber trotzdem kaum Musik von ihr selbt, auch wenn ich selbst auch durchaus mal den Kate Bush-Vergleich auspacke, wenn ich jemandem eine Künstlerin empfehlen will. Ich kenne natürlich so einige ihrer Hits, aber 50 Words of Snow ist, dank höchster Lobpreisungen in der gesamten Kritikerwelt, das erste Album von ihr mit dem ich mich ausführlich beschäftigt habe. Nicht nur vom Titel und der Aufmachung her ist es auf den ersten Blick das perfekte Winteralbum. Melancholisch, sehnsüchtig, verbreitet Bushs Stimme und das in allen Songs prominente Klavier immer auch eine wohlige Wärme in dieser kalten und einsamen Winterlandschaft.
Snowflake, der erste Song, zeigt bereits wo die Reise hinführen wird: Eine simple aber berührende, wiederkehrende Klaviermelodie und Kate Bushs variabler Gesang entführen den Hörer in einen Zustand irgendwo zwischen Weihnachtsstimmung und Winterdepression. Alle Lieder auf 50 Words for Snow sind zwischen sieben und vierzehn Minuten lang, erfordern also Geduld, entfalten dafür aber kleine Mikrokosmen, die den Hörer aus dem Alltag reißen und hinein in diese mystischen Geschichten bevölkert von Geistern, einem lebendigen Schneemann, dem Yeti und natürlich jede Menge Schnee.
Der Schneemann etwa taucht in Misty auf und verbringt eine leidenschaftliche Nacht mit der Erzählerin, bevor er am Morgen schmilzt. In anderen Händen wäre ein solches Thema lächerlich und albern, aber hier berührt dieser wunderschöne, dramatische, leidenschaftliche und tief traurige Song so schnell, dass man gerne bereit ist an diese Liebesgeschichte zu glauben. Wild Man ist ähnlich ausufernd, aber klingt viel mehr nach den 80ern und gleichzeitig ungemein jazzig. Kate Bush sympathisiert dazu in ihren lyrics mit einem gejagten und missverstandenen Yeti.
Der überraschendste Song aber ist Snowed in at Wheeler Street, ein Duett mit Elton John. Doch es passt und es wirkt. Und wie es wirkt! In einer gelegentlich zum epischen Rocksong ausufernden Klavierballade spielen John und Bush Liebhaber, die sich über Jahrtausende hinweg an wichtigen Ereignissen in der Geschichte treffen und immer wieder verlieren.
Nach diesem emotionalen Ritt zeigt der Titelsong wieder Bushs exzentrische Seite. Inspiriert von dem Mythos die Eskimos hätten 50 Wörter für Schnee, erfand sie selbst 50 Wörter und engagierte Stephen Fry diese zu rezitieren während sie selbst ihn im Hintergrund im wahrsten Sinne des Wortes anfeuert. Zum Ausgleich und Abschluss kommt dann noch Among Angels, eine wunderschöne Ballade, die gleichzeitig am Herzen zieht und es doch auch wieder wohlig warm einpackt. 50 Words for Snow ist sicher kein Album für alle Stimmungen oder jede Jahreszeit, aber es funktioniert wunderbar in der kalten und besinnlichen Winterzeit, für die es offenbar gemacht wurde und gibt nebenbei den vielen aufstrebenden Songwriterinnen ein neues Fernziel.
Evening Hymns – Dead Deer: Natürlich habe ich mit das schönste Video diesen Jahres in meiner Liste vergessen...(Achtung NSFW).
Jessica Lea Mayfield – Tell Me
(Folk/ Singer-Songwriter)
Jessica Lea Mayfield ist erst 22 Jahre alt, macht aber schon seit sie 8 Jahre alt ist Musik. Und das merkt man auf Tell Me, ihrem zweiten Soloalbum, deutlich. Es klingt nicht nur reifer und runder als der Vorgänger With Blasphemy so Heartfelt, sondern auch viel weiser und erfahrener als eine 22-Jährige eigentlich klingen sollte. Im Mittelpunkt steht Mayfields so schwer greifbare Stimme. Oft singt sie leicht leiernd und resigniert, fast als ob sie es nicht richtig beherrschen würde, dann aber wieder kraftvoll, klar und schön. Die Musik dazu bewegt sich zwischen Folk, Country, und Rock. Höhepunkte sind der fast fröhliche Ohrwurm Blue Skies Again, der überraschend rockige Opener I'll be the One You want someday und das melancholische Run myself into the Ground, das klingt wie ein trauriger Popsong gespielt von einer Folk-Country-Band. Auch die anderen Songs auf Tell Me sind durchaus hörenswert und bewegen sich dabei zwischen entspannten und nachdenklichen Folk Songs, imemr aber mit einem melanchollischen Touch.
CREEP - Animals (feat. Holly Miranda): Creep zum Zweiten - Sexy & Unheimlich, mit einer ungewöhnlichen Gastsängerinnen-Performance. Großartig!
Black Tusk – Set the Dial
(Sludge/ Stoner Rock)
Black Tusk kommen aus Savannah in Georgia, einem Ort mit gerade einmal 130.000 Einwohnern, der aber bereits Kylesa, Baroness und Circle takes the Square hervorgebracht hat. Das schafft also auch eine Erwartungshaltung, der die Band auf Set the Dial aber mühelos gerecht wird. Der heftige Sludge der Band ist durchzogen von großartigen, hymnischen und vor allem einprägsamen Passagen ohne Ende. Neben Stoner Rock gibt es auch Black Sabbath-Einflüsse, jede Menge Verbeugungen vor klassichem Metal und ein unwiderstehliches Rock and Roll-Feeling. Und die Riffs, mein Gott, die Riffs! Es ist einfach unmöglich zu dieser Musik nicht wild im Zimmer rum zu springen, das Haar zu schütteln und Luftgitarre zu spielen bis zur totalen Erschöpfung!
Charlotte Gainsbourg – Terrible Angels: Unheimlich, sexy & seltsam, unbedingt bis zum Ende schauen.
Wolfgang Müller – Ahoi
(Singer-Songwriter)
Wolfgang Müller macht auf Ahoi wunderbare deutsche Singer-Songwriter-Musik im elementarsten Sinne: Seine melancholische Stimme wird nur von einer verträumten und verspielten Akustik-Gitarre ergänzt. Der wahre Schatz sind aber die Texte, die poetisch, traurig, witzig und vor allem durchdacht sind ohne auch nur einen Funken Gefühl dabei zu verlieren. Neun der hier vertretenen elf Stücke gab es bereits auf den beiden Vorgängeralben zu hören, aber im intimen und zerbrechlichen Kontext der Akustikversionen entfalten diese Perlen eine noch größere Wirkung und sorgen für unaufhörliche Gänsehaut. Definitiv eines der schönsten Alben des Jahres.
Mammút - Leggdu Mig I Salt: Tolles, außergewöhnliches Live-Video Nr. 1
Trap Them – Darker Handcraft
(Hardcore/ Crust)
Meine Fresse! Trap Them sind mit das heftigste, was ich dieses Jahr zu hören bekam. Leider habe ich ihnen erst viel zu spät eine Chance gegeben, als sie auf allen Best of Listen auftauchten und meine Neugier immer größer wurde. Dabei hatte die Band von Anfang so einiges, was sie genau richtig für mich machte. Darker Handcraft ist eine großartige Mischung aus Hardcore und Crust, eingängig, mitreißend und absolut brutal. Und für die Produktion ist mal wieder der allgegenwärtige Kurt Ballou (Converge) zuständig, der einen unheimlich dreckigen und fast schmerzhaft direkten Sound zaubert, perfekt zu Trap Them passend. Das Ergebnis ist ein Album, das dir gleichzeitig die Fresse poliert und zu fast schon zwanghaften Zuckungen führt.
O'Death - Black Dress: Tolles, außergewöhnliches Live-Video Nr. 2
The Rural Alberta Advantage – Departing
(Folk/ Singer-Songwriter/ Indie)
Ich habe The Rural Alberta Advantage erst dieses Jahr für mich entdeckt und Departing litt unfair darunter, dass ich seine Vorgänger Hometowns zuerst gehört hatte und sehr mochte. Im direkten Vergleich gab es dort mehr Hits und ich ließ Departing schnell links liegen und gab ihm keine Chance mehr. Erst mit etwas Abstand kann ich gegen Ende des Jahres erkennen, dass es vielleicht sogar das bessere Alben der Beiden ist. Denn wo Hometowns eine auf den zweiten Blick etwas zusammen gewürfelte Mischung aus unterschiedlichen Songs und Stimmungen ist, wirkt Departing einfach runder, geschlossener und deswegen auch dynamischer. Insgesamt ist die Musik natürlich immer noch dieselbe, aber das Album kann viel besser als Ganzes genossen werden. Der Sound ist darüber hinaus insgesamt überraschend rockig und mitreißend, es schwebt oft eine gewisse Wut in den Songs, die zu karthatischem Tanzen und lautem mitsingen einlädt.
Polyana Felbel - India: Tolles, außergewöhnliches Live-Video Nr. 3
Dark Castle - Surrender To All Life Beyond Form
(Doom Metal/ Sludge)
Zuerst war ich enttäuscht vom zweiten Album von Dark Castle. Ich gab das Hören schnell auf und wagte erst am Jahresende wieder einen zweiten Versuch. Und siehe da, es zündet doch. Noch deutlich seltsamer und auch unzugänglicher als der Vorgänger Spirited Migration braucht Surrender To All Life Beyond Form mehr Geduld. Aber dann gibt es erneut eine extrem fette und dreckige Doom/Sludge-Walze um die Ohren. Es ist schon verblüffend, dass nur zwei Menschen/Instrumente und Stevie Floyds eindrucksvolles Shouting einen so massiven Sound erzeugen können. Nach einer Eingewöhnungsphase hat Surrender To All Life Beyond Form neben dem monströsen Sound auch eine größere Vielfalt und Dynamik als sein Vorgänger zu bieten und macht einfach viel Spaß!
Austra - Lose It (Paperbag Session): Tolles, außergewöhnliches Live-Video Nr. 4
Harm's Way - Isolation
(Hardcore)
Harm's Way aus Chicago klingen als ob Napalm Death gemeinsam mit Entombed ein Hardcore-Album aufgenommen hätten. Es ist unglaublich wie viel Energie und Testosteron die Band in ihren Sound packt. Das ganze klingt so tonnenschwer, brutal und dreckig, dass es unmöglich scheint die Faust dazu nicht in den Himmel zu strecken und durchs Zimmer zu springen wie ein Irrer. Solche Musik gibt es einfach viel zu selten: Man fühlt sich, davon angestachelt, für kurze Zeit in der Lage ganze Staaten zu stürzen, 500 Kilo zu stemmen oder zumidnest ein Hotelzimmer kurz und klein zu schlagen...Der Sänger sieht muskelbepackt und von Kopf bis Fuß tätowiert zwar sehr prollig, aber auch angemessen furchteinflößend aus und klingt wirklich wie Barney Greenway auf Steroiden. Er kotzt seine hasserfüllten Lyrics dem Hörer förmlich entgegen, bleibt dabei aber überraschend variabel: Er wechselt immer wieder zwischen angepisst, sehr angepisst und ultra angepisst. Das simple, aber extrem effektive Songwriting, die ultratief gestimmten Gitarren und der fette Sound tun ihr übriges um Isolation zu einem der brutalsten und besten Hardcore-Alben diesen Jahres zu machen.
Und in allerletzter Minute noch reingerutscht:
Moritz Krämer – Wir können nix dafür: Leider erst auf dem Fest van Cleef richtig entdeckt als er von Thees Uhlmann als „Deutschlands Joni Mitchell mit Haaren auf der Brust“ angekündigt wurde. Ehrliche, schräge Musik mit tollen deutschen Texten in denen ich mich absolut wiederfinden kann.
WU LYF - Go tell Fire to the Mountain: Trotz oder auch wegen merkwürdigem Image, durchdachtem Konzept und meistens unverständlicher Texte ist dieses Album dynamischer, aufregender Indie Rock, der mich schon beim ersten Hören in Euphorie versetzt hat.
The Civil Wars - Barton Hollow: Zwei schöne Menschen machen wunderschöne Folk Music mit toll harmonierenden Stimmen.
Clickclickdecker - Du Ich Wir Beide Zu Den Fliegenden Bauten: Eine Band, die live viel direkter, bewegender und einfach viel besser sind, bringen ein Live-Album raus - Sehr gut!
Sigur Rós - Inni: Für alle, die noch keine Chance hatten die überwältigenden Live-Shows der Isländer zu erleben gibt mit der Cd/Dvd-Komination Inni die nächstbeste Entschädigung.
Danny Brown - XXX: Danny Brown hat eine für Rap absolut ungewöhnliche Stimme und sieht so "uncool" aus, dass G-Unit ihn nicht signen wollten. Wem das als Argument nicht reicht, sei gesagt, auf XXX gibt es dazu noch lustige/intelligente/hektische/mitreißende/ansteckende/wirre Raps, sehr gute Beats und herrlich viel Exzentrik...und das alles auch noch für umme!
Kembe X - Self Rule: Noch mal Hip Hop, noch mal umsonst. Eher konventionell und Old School, klingt der erst 17-jährige Kembe schon wie ein Rap-Veteran mit tollem Flow, einem Talent für Storytelling und einer sehr guten Produktion für ein Self Release.
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