Montag, 12. Dezember 2011

Meine Lieblingsmusik 2011 - Teil III: Alben Top 15

Link Teil 1: Musikvideos
Link Teil 2: Plätze 16-30

Ohne größere Einleitung, meine 15 Lieblingsalben aus dem Jahr 2011 (bis jetzt):
  
15. 
Feist – Metals  
(Folk/ Singer-Songwriter/ Indie)


Feists letztes Album The Reminder war gleichzeitig ein spannendes Popalbum und ein hervorragendes Hintergrund-Enstpannungsalbum...und ich meine das auf die positivste Art und Weise! Die Eingängigkeit der Songs und Leslie Feists wunderbar warme Stimme führten dann nicht nur für die Verwendung eines ihrer Songs in einer Ipod-Werbung, sondern auch dazu, dass sich Leute wie Shia LaBeouf öffentlich zu Feists „Frauenmusik“ bekannten. Und das alles ohne das Leslie Feist etwas von ihrem „Indie-Cred“ verlor. 
 Nach so einem Erfolg wäre es natürlich einfach, dasselbe noch einmal zu machen, aber Metals entzieht sich dieser Falle dankbarerweise durch größere Ambitionen und weniger offensichtlichere Hits. Das soll nicht heißen, dass das neue Album keine guten und eingängigen Songs hat, nur schmiegen sie sich dem Hörer nicht alle so leicht an und fordern etwas mehr Aufmerksamkeit und Geduld. How come you never go there etwa ist eine reich instrumentierte Nummer, die gleichzeitig absolut tanzbar und dennoch fast „zu cool“ für die Tanzfläche ist. Opener The Bad in each other dagegen ist eine reine Rocknummer, die stampfend und dramatisch sicher so einige falsche Erwartungen bei Ersthörern hervorgerufen hat. Denn auch wenn insgesamt die rockigen Passagen etwas zahlreicher sind, bleiben die ruhigen, balladesken Songs noch in der Überzahl. Leslie Feists warme, unvergleichliche Stimme erhebt dabei all diese Songs automatisch über den Durchschnitt, aber verstecken braucht sich auch davon abgesehen keiner der Songs. Mehr noch als auf The Reminder sind sich die Songs zwar auf den ersten Blick ähnlich, offenbaren aber bei genauerem Hinhören vielfältige Mikrokosmen. Der größte Unterschied ist, dass die Songs diesmal weniger hörbar sind, wenn man sie nur nebenbei laufen lässt. Was Metals vielleicht kommerziell etwas weniger erfolgreich machen könnte (es aber erfreulicher weise nicht wirklich gemacht hat), macht es gleichzeitig zu einem spannenderen und auch lohnenswerteren Langzeit-Hörerlebnis.
- Anspieltipps: The Bad in each other, Graveyard, A Commotion, The Circle married the Line

14.
Wolves in the Throne Room – Celestial Lineage  
(Black Metal)


Wolves in the Throne Room haben es aus irgendeinem Grund geschafft die Vorzeige-Black Metal-Band der Indie-Szene und Kritikerwelt zu werden. Die ersten Alben der Band wurden auf Pitchfork, ähnlichen Websites und selbst bei etablierten Zeitungen bejubelt und sorgten für Interesse auch bei Nicht-Metal-Fans. Das führte zu einer vergleichsweise großen Popularität der Band und einiger anderer „intelligenten“ Black Metalbands, aber leider auch für viele sinnlose Diskussionen, die von der guten Musik ablenkten. Die Band verzichtet auf die meisten Black Metal-Klischees und schreibt stattdessen Songs über die Natur. Damit und mit ihrer Popularität ziehen sie natürlich den Hass von elitären Metalfans auf sich, die mangelnde Haarlänge, falsches Gebaren oder den Hippie-Metal allgemein beschimpfen und damit noch peinlicher sind als die Hipster, die sich nur aus Imagegründen die Platten der Bands kaufen. Bevor das ganze aber auch hier ausartet, zurück zu Celestial Lineage.
Nach dem eher enttäuschenden Black Cascade, dass die Post Rock-Elemente zugunsten eines typischeren Black Metal-Sounds zurückschraubte und leider auch langweiliger machte, beinhaltet das neue Album wieder alles was Wolves in the Throne Room so spannend machte und auch noch etwas mehr. In vier Songs und drei mehr oder weniger kurzen Zwischenstücken finden sich neben den majestätischen Black Metal-Parts auch Post Rock- und Ambientanteile (Hilfe dabei erhielten sie diesmal auch von Faitch Coloccia und Aaron Turner) und wiederkehrender dramatischer Frauengesang, der für Abwechslung aber auch eine Vertiefung des typischen Metalsounds sorgt. Celestial Lineage ist dabei das bisher eingängiste Wolves-Album. Songs wie das epische Thuja Magus Imperium oder das äußerst abwechslungsreiche Astral Blood werden ergänzt von melodischen und stellenweise fast schon melancholischen Gitarrenriffs. Subterranean Initation ist der typischste Black Metal-Track, wartet aber mit sehr viel Abwechslung und Energie auf, was ihn zu einem der besten Wolves-Tracks bisher macht, wohingegen das abschließende Prayer of Transformation mit seinem fast schon Doom-Anfang einen genussvoll schleppenden Kontrast zum Rest des Albums bietet. Zwischen all der Abwechslung und den verschiedenen Genrebezeichnungen darf aber nicht vergessen werden, dass Wolves in the Throne Room in der Hauptsache immer noch kolossale Soundwände erschaffen, in der die Instrumente zu einer den Hörer immer wieder überwältigenden Einheit verschmelzen. Egal was vielerorts gesagt wird, die Band macht progressiven Black Metal mit Hirn aber auch mit Eiern und das auf Celestial Lineage vielleicht so gut wie noch nie! Leider ist es wohl auch das letzte Album der Band...
- Anspieltipps: Subterranean Initiation, Astral Blood


13. 
Touché Amoré - Parting The Sea Between Brightness And Me  
(Hardcore/ Screamo)


Ich versuche diese Kritik so kurz zu halten, wie das Album. 13 Songs in 20 Minuten ist eine eindrucksvolle aber auch irreführende Tatsache. Bei einem solchen Song-Minuten-Verhältnis erwarte ich eher ein rumpelndes Grindcorealbum oder ultraschnelles Hardcoregeknüppel. Doch Parting the Sea between Brightness and me hat irgendwie Zeit neben wütend-verzweifeltem Hardcore auch melancholische Passagen und immer organisch wirkende Tempowechsel einzufügen. Die Songs wirken beim Hören entweder viel länger als sie eigentlich sind (gemeint im absolut positivten Sinne!) oder aber wie ein einziger, epischer, bis zum bersten mit Emotionen beladener Monstersong. Musikalisch erinnern mich Touché Amoré teilweise an 90er-Screamo-Bands, gleichzeitig klingt alles aber immer nach frischem und eigenständigem Hardcore. Im Mittelpunkt der Songs thront die raue, immer gut verständliche Stimme von Sänger Jeremy Bolm, der unglaublich viel Wut und Verzweiflung in die Präsentation seiner poetischen Texte legt und so immer wieder für Gänsehaut sorgt. Der klare und volle Sound schließlich verstärkt die Intensität der Band noch äußerst effektiv. So klingen diese besagten 20 Minuten wie eine lebensverändernde Ewigkeit und doch auch viel zu kurz. Da hilft nur der Repeat-Knopf...
- Anspieltipps: Pathfinder, Method Act, Amends

12. 
Ane Brun – It All Starts With One  
(Singer-Songwriter/ Indie/ Pop)


Ane Brun hat eine wahnsinnig tolle Stimme und macht seit Jahren schöne Singer-Songwriter-Musik, die leider weder kommerziellen noch übermäßig kritischen Erfolg mit sich gebracht hat. Auch It starts with One wird das nicht ändern, aber verdient wäre es doch mehr denn je.
Die meisten Reviews betonen ihre norwegische Herkunft und die damit scheinbar zwangsläufige Erwähnung des düsteren, kühlen und spröden Charakters der Stimme und der Musik. Doch auch wenn die Musik natürlich keineswegs fröhlich oder unbeschwert daherkommt, finde ich doch jede Menge Wärme und Intimität darin. Bruns Stimme ist klar und balanciert immer atemberaubend zwischen Melancholie und einer enormen Mächtigkeit.
Die Musik dazu ist im Kern zwar immer noch so etwas wie Singer-Songwriter, aber mit einem großen Fokus auf Percussion und Streicherarrangements. Das passt wunderbar zu Bruns großer Stimme und ergibt zusammen schwelgerische, weiträumige Kompositionen, die sich trotz allem immer den nötigen Funken von Intimität und Emotionalität bewahren.
Die erste Single Do you Remember ist ein Uptempo-Song mit stampfendem Rhythmus und den Damen von First Aid Kit als Backgroundsängerinnen. Der Song ist gleichzeitig ein spannender Ausflug in die Popwelt und ein sehr irreführender Vorgeschmack auf das Album. Was nicht heißen soll, dass es beim Rest von It starts with One Enttäuschungen gäbe. Wenn man sich auf den größer angelegten Fokus und die prominente Orchestrierung eingestellt hat, ist es ein wunderbar verträumtes Gesamtkunstwerk voller großer Emotionen.
Opener These Days führt die bereits erwähnten Elemente zusammen mit einer Gesangsdarbietung, die wie eine düstere und mächtigere Version von Feist klingt. Worship ist ein Duett mit José Gonzaléz, der dem Song auch sein typisches Gitarrenspiel leiht, aber stimmlich leider etwas flach daherkommt und von Bruns Stimme eindeutig überwältigt wird. Lifeline in der Mitte des Albums ist der einzige Song, in dem die Akustikgitarre eine prominente Rolle spielt und eine kleine aber feine Singer-Songwriter-Ballade. One danach ist dagegen der aufgeregteste Song, mit beschwingter Klaviermelodie und Gesang irgendwo zwischen Barsängerin und großer Bühnenshow. Es gibt keine wirklichen Schwachpunkte auf It starts with One, im Gegenteil wird das Album nach hinten hinaus sogar immer besser. The Light from One etwa ist eine unheimlich traurige und flehende Riesenballade, die fast nur von Bruns emotionalem Gesang und einer simplen Klaviermelodie getragen wird, während im Hintergrund unruhige Percussion dem Song Energie verleiht. Und am Schluss kommt dann noch Undertow. Das Prinzip ist auch hier dasselbe. Doch das Klavier ist drängender, die Percussion noch unruhiger und der Song steigert sich unter der Regie von Ane Bruns fantastischer Stimme in unglaubliche Höhen hinauf, strotzt vor Leidenschaft und zerreißt Herzen bevor er langsam ausklingt. So muss ein Album enden und es ist sehr schade, dass es viel zu wenig Menschen hören werden...
- Anspieltipps: Do you Remember, One, The Light from One, Undertow

11. 
Tombs – Path Of Totality  
(Sludge/ Noise/ Post-Metal)


Path of Totality war für Stereogum das beste Metalalbum des ersten Halbjahres 2011. Da ich Tombs vorher nur vom Namen her kannte, musste ich die Cd ob so hohen Lobes natürlich sofort probe hören. Der Ersteindruck war eher enttäuschend: Zu monoton, zu sperrig. Doch irgendwas musste ja dran sein an dem Lob (das auch anderswo nicht ausblieb). Also hörte ich weiter und weiter. Und siehe da, mit etwas Geduld und der richtigen Einstellung wuchs und wuchs Path of Totality immer weiter. Die scheinbare Monotonie entpuppte sich als ein sehr eingespielter Bandsound, der sich durch das Album zieht, aus dem sich aber auch viele Nuancen und Unterschiede in den einzelnen Songs heraushören lassen. Die Gleichförmigkeit die davon abgesehen noch hörbar ist, wird zu einer der größten Stärken von Tombs: Der Hörer wird förmlich überrollt von brutalen Geschwindigkeitsattacken und schleppenden Parts, die sich wieder und wieder abwechseln. Das ist Monotonie im besten Sinne, es signalisiert Ausweglosigkeit und Kompromisslosigkeit. Der Sound ist die größte Stärke von Path of Totality. Alles klingt ultradreckig und verzerrt ohne aber dabei auch nur einen Funken von seiner Mächtigkeit und Klarheit einzubüßen. Das meist pfeilschnelle Schlagzeugspiel und die Gitarrenriffs klingen so fast schmerzhaft direkt und verhindern ein zu langes Still sitzen garantiert. Bandleader Mike Hill singt, schreit, faucht und spricht sich dazu durch die zwölf Songs und schafft es durchgängig uneingeschränkt böse zu klingen ohne ins comichafte abzudriften. Gibt man Path of Totality also genügend Zeit, entwickelt sich aus diesem brodelnden Metalhybrid auch so etwas wie eingängige Songs. Eingängig aber in dem Sinne, dass einen die Songs, die man vorher nicht mal unterscheiden konnte, plötzlich nicht mehr los lassen und das ganze Album auf einmal erschreckend kurz wirkt. Musikalisch einzuordnen lässt sich der Sound von Tombs nur schwer, es stecken unter anderem Sludge-, Hardcore- und Noise Rock-Anteile darin. Platt (und treffend) formuliert sind Tombs einfach das musikalische Äquivalent zu einer massiven Barschlägerei.
- Anspieltipps: To Cross the Land, Blodletters, Path of Totality, Red Shadows

10. 
EMA – Past Life Martyred Saints  
(Folk/ Indie/ Electronic)


EMA ist das Soloprojekt von Erika M. Anderson, die vorher bereits mit der Band Gowns (gemeinsam mit ihrem Ex-Freund Ezra Buchla) für Aufmerksamkeit sorgte. Im Gegensatz zum ultradüsteren, mit Drone-Anteilen versehenen Drogen-Folk von Gowns ist Andersons Solo-Musik insgesamt optimistischer und auch „schöner“. Im Mittelpunkt steht immer noch etwas, dass man Mangel eines besseren Wortes als Folk bezeichnen könnte. Ausgehend davon bietet Past Life Martyred Saints eine sehr breit gefächerte Auswahl unterschiedlichster Songs, die sich trotzdem auf wundersame Weise zu einem schlüssigen und hörenswerten Ganzen zusammenfügen.
Opener Grey Ship beginnt als zurückgenommene Lo-Fi-Nummer, ändert nach einer Halbzeit plötzlich die Zielrichtung und verwendet den Rest der Songlänge sich in einen hypnotischen Rocksong zu verwandeln. In der erste Single California rappt Anderson fast eine wütende Hassliebes-Erklärung auf den US-Bundestaat untermalt von einem Gitarren-Drone-Teppich. Diese beiden Elemente sind es auch, die der Vielseitigkeit des Albums das nötige Gewicht zur Seite stellen. In ihren Gitarrenparts wechselt Anderson zwischen akustischer Zurückhaltung, eindrucksvollen Drone-Parts und richtigen Gitarrenriffs. Ebenso schafft sie es aus ihrer warmen, zarten Stimme die verschiedensten Emotionen und jede Menge Intensität herauszuholen. In Marked etwa schafft sie es mit einer gurrenden, kratzigen Stimme dem Song gleichzeitig Sex-Appeal und eine leise Verzweiflung zu verleihen. Die Verzweiflung und Düsternis von Gowns findet sich zwar auf allen Songs von Past Life Martyred Saints wird aber immer begleitet von einer ätherischen Schönheit oder gar leiser Euphorie, die sich beim Hören langsam aus den Liedern herausschält.
- Anspieltipps: California, Marked, Red Star
 
9. 
Oathbreaker – Mælstrøm  
(Hardcore/ Metalcore)


Oathbreaker sind die Nachfolgeband der belgischen Hardcoregruppe No Recess und ein Nebenprojekt des Amenra-Gitarristen. Nach einer guten, aber nicht spektakulären EP wurden sie vom nahezu unfehlbaren Label Deathwish Inc. gesignt und lassen mal eben mit ihrem neuen Album Mælstrøm die gesamte Konkurrenz alt aussehen. Musikalisch klingen Oathbreaker dabei jetzt mehr wie Labelkollegen Rise and Fall oder Converge und auch wenn es um Energie und Aggression geht brauchen sie diesen Vergleich kaum scheuen. Shouterin Caro schreit sich reichlich angepisst, aber trotzdem abwechslungsreich durch die Songs, die atemlos und wie vom Teufel besessen von einem Plateau zum nächsten springen. Highlights sind dabei Sink into Sin – I, dass die technische Finesse mit so etwas wie Eingängigkeit vermischt, der Brecher Black Sun, der sich bis zum Ende hin immer weiter absurd steigert und der abschließende akustische Titelsong in dem Caro ihre durchaus gute Singstimme unter Beweis stellen kann. Auch wenn ich großer Amenra-Fan bin, kann ich nur hoffen, dass Oathbreaker kein bloßes Nebenprojekt bleibt und bald noch mehr kommen wird. Potential ist auf jeden Fall so einiges vorhanden.
- Anspieltipps: Heirophant, Sink into Sin – I, Black Sun

8.
Des Ark – Don't Rock The Boat, Sink The Fucker  
(Singer-Songwriter/ Punk)


Die Songs von Des Ark funktionieren nach einem einfachen Schema, dass aber dennoch immer mitreißend bleibt. Auf der einen Seite ist Aimee Argot mit ihrer warmen, melancholischen Stimme und ihrer akustischen Gitarre. Dazu kommen an ausgewählten Stellen noch eine ganze Band, die Songs innerhalb von Sekunden von einer traurigen Ballade in einen wütenden oder aber euphorischen Rocksong verwandeln kann. Die Musik, die daraus entsteht könnte man unzureichend Folk Punk nennen, auf jeden Fall berührt und fesselt sie wie sonst kaum eine Andere. Argot erzählt dazu kleine Geschichten in denen sie unverblümt von Sex, Drogen und ihrem offensichtlich ereignisreichen (Liebes)-Leben erzählt. Ihre Stimme entzieht sich dabei einer leichten Beschreibung; mal hört man ihr Lächeln beim singen fast, mal klingt sie fragil und verletzlich, dann wieder aggressiv oder sexy. Die leider nur acht Songs auf Don't rock the Boat, sink that fucker kondensieren die entscheidenden Momente und Gefühle des Lebens einfach unnachahmlich gut. Eindrucksvollstes Beispiel dafür ist der erste Song My saddle is waitin (c'mon jump on it). Aus einer zarten, gezupften Gitarrenmelodie schält sich ein melancholischer Song, der langsam flotter und fröhlicher wird, kurz Anstalten macht Post-Rock-artige Züge anzunehmen bevor er vollkommen organisch zu einem Folk Rock-Hit wird. Argot schwankt dabei zwischen zögerlich-traurigem und selbstbewusstem Gesang im Chor mit sich selbst. Das trotzdem alles so spannend und wie aus einem Guss klingt ist danach bei allen Songs immer wieder ebenso verblüffend und am Ende der leider viel zu kurzen Achterbahnfahrt ist der Drang verdammt groß, sofort wieder von vorne anzufangen...
- Anspieltipps: My saddle is waitin (c'mon jump on it), Bonne Chance, Asshole, 
It's only a bargain if you want it

7.
Hawks & Doves – Year One 
 (Folk/ Post-Hardcore/ Singer-Songwriter)


Planes mistaken for Stars sind nach wie vor eine meiner absoluten Lieblingsbands und gleichzeitig das schmerzhafteste Beispiel einer Band, die ich erst entdeckt habe, nachdem sie sich bereits aufgelöst hatten und ich sie dazu noch unwissentlich als Vorband einer Converge-Tour verpasst hatte. Auch kann ich es bis heute nicht verstehen, wieso eine Band, die sich von einer intensiven und kratzbürstigen Emocore-Band langsam zu etwas noch viel intensiverem und fast schon erschöpfend emotionalem und aufgeladenem entwickelt hat, so unbekannt geblieben ist. Eine zentrale Komponente davon war Gared O' Donnells unvergleichbare Stimme, die jetzt endlich in Form eines lange angekündigten und von mir sehnlichst erwarteten Soloalbums (mehr oder weniger) zurück ist. Diese Stimme klingt einfach so herrlich kaputt, getränkt in Zigaretten, Whiskey, Sex und Schmerz, ein wenig wie die Hardcore-Variante von Tom Waits. Und das passt perfekt zu Year One, das er selbst als Soundtrack zu einem beschissenen Jahr bezeichnet hat. Die Härte ist hier im Gegensatz zu Planes mistaken for Stars deutlich zurückgeschraubt und auch die Intensität auf den ersten Blick nicht ganz so heftig. Doch das täuscht. Die zurückhaltendere Musik lässt noch mehr Raum für O'Donnell extrem düstere und oft fast schon unangenehm persönlichen Texte. Es geht um billigen Sex, billigeren Alkohol und immer wieder um den Schmerz und die Depression in O'Donnells Leben. Und wo die abwechslungsreiche Musik und die spannenden Texte Hawks & Doves bereits weit über den Durchschnitt „emotionaler“ Musik erheben ist es immer wieder diese Stimme, die Year One zu einem fantastischen Album machen. O' Donnell knurrt, fleht und schreit mit seiner Reibeisenstimme schmerzerfüllt immer am Rande der Selbstaufgabe und totalen Verausgabung.
Opener Another Hellfire Sermon oder das bereits vorher abgeändert erschienene Hush Money sind dynamische und getriebene Rocksongs, während die epischen I Do declare und Hexing an eine noch düstere Version von Planes mistaken for Stars erinnern. Der brutalste Track auf Year One ist jedoch gleichzeitig der ruhigste. 1217's besteht nur aus einer simplen Gitarrenmelodie und O' Donnells unglaublich leidenschaftlicher und erschöpft klingenden Gesangsdarbietung. Er beschreibt den Song auch selbst am besten: „But to be true this song is so gross and soul baring, I can hardly listen to it, it's like I invited the whole world in to the bathroom to watch me puke in the urinal“ Nach so viel Depression und Schmerz wartet am Ende von Year One dann mit dem Liebeslied North of Tenth doch noch ein unerwarteter Hoffnungsschimmer, der für O'Donnell eine neue Liebe nach einem schlimmen Jahr bedeutet und für den Hörer eine wohlverdiente Erholung bevor es in einen weiteren Hördurchgang geht.
- Anspieltipps: Hush Money, Say When, 1217's, Hexing, North of Tenth

6.
We Were Promised Jetpacks – In The Pit Of The Stomach  
(Alternative/ Indie)


In the Pit of the Stomach hat leider recht wenig Aufmerksamkeit bekommen und wurde dann oft in der Kritik nur als Fast-Kopie des Debüt-Albums der Jetpacks bezeichnet. Das Zweitwerk ist aber schon beim ersten Hören deutlich anders als These Four Walls. Es fehlt ein Hit wie Quiet little Voices, aber dafür sind Songwriting und Texte ausgereifter. Insgesamt ist In the Pit of the Stomach düsterer, lauter und auch sperriger. Nach einer Eingewöhnungsphase wird der Hörer dann aber mit Breitwand-Indie-Rock voller fiebriger Energie und leiser Melancholie belohnt, in denen die Poppigkeit zugunsten von mehr Wucht und Hymnencharakter zurückgeschraubt wurde. Opener Circles und Squares fällt gleich mit der Tür ins Haus und zeigt was die Band 2011 für Musik machen will. Wie auch auf den folgenden Songs werden tanzbarer Brit-Rock und die manchmal fast Post-Rockigen, epischen Songstrukturen und Gitarrenwände, die auf These Four Walls noch meist in getrennten Songs neben einander standen, gekonnt und absolut mitreißend vermengt. Das ist für manche Fans des ersten Albums bestimmt am Anfang überwältigend und bei oberflächlichem Hören manchmal zu viel des Guten. Aber genau das ist auch die größte Stärke von In the Pit of the Stomach: We were promised Jetpacks können alle Hemmungen fallen lassen und erschaffen so ein Indie Rock-Album im größtmöglichen Breitwandformat. Fast ohne Verschnaufpause geht es so bis zum Abschlusstrack Pear Tree, der noch einmal los lärmt, dann innehält und sich schließlich von einem Mantra-artigen Flehgesang zum bisher größten Lärmorgasmus von In the Pit of the Stomach steigert und damit endgültig klar macht, wieso die Jetpacks auch den passendsten Albumtitel des Jahres gewählt haben.
- Anspieltipps: Circles and Squares, Medicine, Boy in the Backseat, Pear Tree 

5.
Austra – Feel It Break  
(Synth Pop/ Electronic)


Auf dem Papier vereinen Austra ziemlich viel schreckliches. Sie werden oft als Mischung aus Synth Pop und diversen Wave-Begriffen beschrieben, haben viele 80er-Elemente in ihrem Sound und passen perfekt in die Hipsterkultur. Doch es steckt so viel mehr in dieser Band. Der Synthpop macht das ganze ungemein tanzbar, die oft düsteren Elektro- und Goth-Versatzstücke sowie natürlich die mächtige Stimme von Sängerin und Songwriterin Katie Stelmanis sorgen dagegen dafür, dass der Sound von Austra nie in eine reine 80er-Huldigung verfällt. Stelmanis Stimme ist dabei immer Mittelpunkt und Hauptattraktion von Austra. Sie klingt abwechselnd dramatisch oder verspielt und wird in ihrer erstaunlichen Variabilität und Dominanz als zentrales Instrument des Bandsounds benutzt. Das erinnert mich an Kate Bush oder auch an Bat for Lashes, hier wird aber der Gänsehautfaktor und die Dramatik ergänzt durch diese seltsam tanzbare Mixtur der Musik. Manchmal klingt es schon sehr nach 80er und Disco, aber dann kommt plötzlich ein unverkennbar moderner Beat oder eine in diesem Kontext überraschend düstere Melodie. Songs wie Lose it oder The Future sind deutliche 80er-Verbeugungen mit flatterhaft-dramatischem Gesang und furchtbar ansteckenden Tanzbeats. Andere Songs wie The Beat and the Pulse oder Spellwork dagegen verstecken diese Elemente in hypnotischen und düsteren Songstrukturen. Der letzte Track The Beast ist der ungewöhnlichste Teil von Feel it Break. Stelmanis' Stimme kann sich hier, größtenteils nur von einem Klavier begleitet, frei entfalten und zu erstaunlichen Höhen aufschwingen. Die restlichen Songs des Albums bewegen sich gekonnt zwischen diesen drei Punkten und sind dabei zwar auf den ersten Blick recht einheitlich, offenbaren aber bei mehrmaligem Hören einen Detailreichtum und eine Heterogenität, die Feel it Break auch über ein kurzweiliges Vergnügen für die Tanzfläche hinaus attraktiv machen.
- Anspieltipps: Lose it, Beat and the Pulse, Spellwork, The Noise

4.
All Pigs Must Die – God Is War  
(Hardcore/ Punk/ Crust)


All Pigs must Die sind schon auf dem Papier ein eindrucksvolles Projekt. Neben zwei Mitgliedern von Blood Horse sind Ben Koller (Converge) und Kevin Baker (The Hope Conspiracy) beteiligt. Auch auf Platte hält die Band genau das was der Name und seine Mitglieder versprechen: Kompromissloser Hardcore mit Metal-Schlagseite und Punk-Attitüde. Im Gegensatz zur 2010 erschienen EP sind die Songs noch ausgereifter, die Produktion besser und der Aggressionsfaktor noch einmal deutlich gesteigert. Es gab tatsächlich Leute,die sich beklagten Shouter Baker hätte sich zuvor gesanglich zurückgehalten. Meiner Meinung klang er schon auf der EP als ob er jeden Moment vor Wut platzen würde, aber auf God is War hat er sich gesanglich aber auch lyrisch noch mal gesteigert. Die Musik ist dazu passend brutal, strotzt vor Energie und das Gaspedal, abgesehen von einigen hervorragenden schleppenden Passagen, durchgehend voll durchegetreten. Die Produktion (von Kurt Ballou (Converge), mittlerweile wohl mein Lieblingsproduzent, auf jeden Fall aber der mit dem besten Geschmack) ist kristallklar und wirkt trotzdem irgendwie dreckig und trocken und sorgt damit endgültig dafür, dass aus God is War ein fast schmerzhaft gutes Hardcore-Monster wird.
- Anspieltipps: Death Dealer, God is War, Sadistic Vindicator

3.
Morne – Asylum  
(Sludge/ Crust/ Post-Metal)


Morne machen Musik irgendwo zwischen Sludge, Crust und Post-Metal und erinnern mich sowohl an die grandiosen Fall of Efrafa und natürlich ihre Vorväter im Geiste Neurosis und Isis. Doch auch wenn sie mit diesen Bands einen scheinbar nie endenden, genreüberschreitenden Einfallsreichtum gemeinsam haben, sind Morne eine absolut eigenständige und wieder erkennbare Band. Gleich der erste Song ist 17 Minuten lang, enthält aber soviel Dynamik und Kreativität, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Auch die anderen Songs sind durchweg sehr lang, was aber nie dem Zwang folgt, den viele andere progressive Bands scheinbar verspüren, sondern immer notwendig ist, um die ausufernde Verzweiflung ebenso wie noch ausuferndere Wucht der Musik ausreichend wieder geben zu können. Die heftigen Songs gewinnen durch melancholische Keyboard-Parts eine weitere Dimension und verstärken zusätzlich die majestätische Natur dieser Songbrocken. Die größte Stärke von Asylum ist aber, dass das Album komplexen „Kopfmetal“, mit enormen Melodiegespür und einer unvergleichlichen Heaviness verbindet ohne jemals zusammengestückelt zu klingen. Das perfekte Album für die dunkle Jahreszeit.
- Anspieltipps: Asylum, Edge of the Sky, My Return

2.
Laura Marling – A Creature I Don't Know  
(Folk/ Singer-Songwriter)


Als ihr erstes Album Alas, I can not swim herauskam war Laura Marling 17 Jahre alt und verblüffte alle Kritiker und Hörer. Ihr erfrischender Folk wurde von einer Stimme begleitet, die viel reifer und faszinierender klang als es eine 17-Jährige eigentlich sein dürfte. Dazu schrieb Marling Texte, die verspielt und lustig waren, aber auch eine unheimliche Lebensweisheit immer zwischen beruhigendem Augenzwinkern und leichtem Zynismus ausstrahlten. Die Weiterentwicklung bei ihrem nächsten Album I speak because I can war dann ebenso verblüffend. Musikalisch versierter, aber auch düsterer, textlich abstrakter und erwachsener.
Bei Marlings drittem Album A Creature I don't know ist der musikalische Sprung im Vergleich zu seinem Vorgänger auf den ersten Blick nicht mehr so dramatisch, zeigt aber eine Künstlerin, die durch ein turbulentes Leben und viele Live-Erfahrungen selbstbewusster geworden ist. Die Songs auf A Creature I Don't Know sind so abwechslungsreich wie noch nie zuvor, mal spartanisch, mal ausschweifend, immer aber getragen von Marlings hypnotischer, leicht unnahbarer Stimme, auf die doppelt so alte Sängerinnen neidisch wären. Diese Stimme setzt sie wie auch ihre musikalischen Einflüsse noch variabler ein. Opener The Muse wäre mit seiner leicht jazzigen Instrumentierung fast für die Tanzfläche geeignet. The Beast als anderes Extrem ist ein brodelndes Stück voller Sex und Wut, dass gegen Ende hin fast metal-artige Züge annimmt. Die erste Single Sophia entwickelt sich dagegen nach einem leisen Anfang zu einer Folk Rock-Hymne über eine zerbrochene Beziehung, einem Thema dem sich auf gänzlich andere Weise auch die traurige Gitarrenballade Night after Night widmet. Wie viel privates in die insgesamt ungewohnt wütenden Songs eingeflossen ist (Ihre Beziehung zu Marcus Mumford, der sie angeblich betrogen haben soll, zerbrach kurz zuvor) belibt unklar, da Marlings Texte scheinbar persönliche und intime Lyrics mit einer literarischen Distanz vermischt, die aber dafür den Interpretationsspielraum angenehm weit offen lassen.
Der letzte Song All my Rage beendet das hervorragende dritte Album von Laura Marling auf einer fröhlichen Note mit einem stampfenden Folk Song, der wie ein altes Traditional klingt und trotzdem auch sofort als Marling-Song erkennbar ist. Es ist unheimlich und aufregend sich vorzustellen, was diese Frau nach so einem Album noch alles erreichen kann, denn man kann es nicht oft genug betonen, Laura Marling ist erst 21! Die letzte Widmung in den Liner Notes von A creature I don't know „Here's to love and logic, two creatures of unceasing cruelty, and endless joy.“ dient somit nicht nur als mögliche Erklärung des Albumtitels, sondern zeigt dem Hörer gleichzeitig was Marling in ihrer hoffentlich noch langen Karriere noch verstehen, erleben und zu Musik machen kann.
- Anspieltipps: The Muse, Rest in the Bed, Sophia, All my Rage

1.
Zola Jesus – Conatus  
(Synth Pop/ Noise/ Gothic)


Conatus ist die logische Weiterentwicklung von Zola Jesus' Ep's Stridulum und Valusia aus dem letzten Jahr, die sie weg vom Lo-Fi und hin zu theatralischem Synth Pop führten. Auch Conatus hat alle Bestandteile, die Zola Jesus für mich zur Künstlerin des Jahres 2010 machten: Dramatische Popmusik mit Synth- Gothic- und Industrialelementen und Nika Roza Danilovas operntrainierte Riesenstimme im Mittelpunkt. Seit Stridulum hat sich also musikalisch nicht viel verändert, viel mehr hat Danivola ihren Pop-Appeal und ihre Tanzbarkeit ebenso perfektioniert wie ihre Gänsehaut bescherenden Melodien. Songs wie Hikikomori oder Seekir würden ohne weiteres in der Disco funktionieren ohne dabei flach zu wirken. Alle Songs überschwemmen den Hörer nach wie vor mit dick aufgetragenen, aber trotzdem irgendwie zu jeder Zeit authentisch wirkenden Emotionen. In Ixode, einem der besten Songs auf Conatus schafft Danilova dies sogar ganz ohne verständlich gesungene Worte nur mit ihrer unglaublich ausdrucksstarken Stimme. Neu sind auf Conatus stärkere 80er-Elemente, am deutlichsten im Song Seekir und am anderen Ende der musikalischen Skala Noiseteppiche (vor allem im letzten Track Collapse, der zeitweise fast nach Fuck Buttons klingt), die ebenso gekonnt die Klanglandschaft von Zola Jesus bereichern.
Die Texte sind passend zur Musik und Danivolas Stimme dramatische Liebesdeklarationen oder Reflektionen über die Einsamkeit voll von großen Gesten und plakativen Zeilen, die aber gerade im Kontext von Musik und Stimme nie pathetisch oder falsch wirken, sondern den Hörer sofort in den Sog von Danivolas Gefühlslandschaft ziehen. Im Gegensatz zu den bisherigen Releases schafft es Conatus noch besser, den Bombast mit einer großen Wärme und intimität zu verbinden und insgesamt mehr wie das Schaffen einer ganzen Band zu klingen. Eine Entwicklung, die sich besonders live auszahlt, wo die neuen Songs vor allem dank eines echten Drummers noch mächtiger und berührender wirken. Aber auch auf Cd bleibt das Album eines der besten Herbstalben, in dem sich zum Glück auch noch genug Sonnenstrahlen für die nächsten Frühlingsgefühle verstecken...
- Anspieltipps: Vessel, Hikikomori, Ixode, Collapse


Nächste Woche geht es weiter mit den Alben, die den Sprung in die Top 30 mehr oder weniegr knapp verpasst haben, meinen Enttäuschungen und allem dazwischen...

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