Es gibt wohl kaum ein Album bei dem die Entstehungsgeschichte so gut zur Musik passt und auch scheinbar so essentiell für die Stimmung des Ganzen ist. Josh Graham (Grafikdesigner und zuständig für die Bühnenshow von Neurosis, Gründungsmitglied von Red Sparowes und Hauptsongwriter von A Storm of Light) und Julie Christmas (Sängerin von Made out of Babies) lernten sich während einer gemeinsamen Tour kennen und konnten sich laut eigener Aussagen von Anfang an nicht leiden. Irgendwie entstand aber aus der anfänglichen Abneigung doch irgendwie eine unbequeme Beziehung und dann wohl auch der Drang gemeinsam Musik zu machen. So wird Battle of Mice aus der Taufe gehoben. Doch während der Aufnahmen zerbricht das kurze Glück der Beiden und schlägt wieder in richtigen Hass um. Laut der Beteiligten war es wohl so schlimm, dass Christmas und Graham nicht zur gleichen Zeit aufnehmen konnten. Das dennoch eine ganze CD dabei heraus kam, ist verwunderlich, vor allem wenn man bedenkt, wie gut die Musik hier ist. Ich bin ein Fan der anderen Bands von Graham und Christmas, aber finde, dass sie so etwas Gutes und Einzigartiges wie A Day of Nights nie zuvor geschaffen haben und auch wohl nie mehr schaffen werden. Und die zerbrochene Liebe und die damit zusammen hängende Frustration, Wut und alle widerstrebenden Gefühle sind sicher ein wichtiger Teil für dieses perfekte Album.
Dabei ist A Day of Nights weder ein offensichtliches Trennungsalbum noch ein Album über Liebe oder Beziehungen (auch wenn manche Lieder durchaus als Liebeslieder aus der Hölle funktionieren). Stattdessen ist es eine verzweifelte, Blut triefende und absolut erschöpfende Verarbeitung von Schmerz. Die Musik dazu besteht hauptsächlich aus schleppendem und alles erschütternden Sludge, der sich basslastig in die Gehörgänge fräst und nur von atmosphärischen Keyboardteppichen unterbrochen wird. Das Gegenstück dazu ist die an Intensität wohl nicht zu überbietende Performance von Julie Christmas. Man hat das Gefühl, dass Graham die heftigste Musik seines Lebens geschrieben hat im verzweifelten Versuch den Gesangsparts auch nur ansatzweise ebenbürtig sein zu können. Dabei ist Christmas weder die extremste Sängerin der Welt, noch die "Beste". Stattdessen legt sie so viel Intensität und Persönlichkeit in ihre gesangliche Darbietung, dass die Aufnahmen sicher zu einem absoluten Erschöpfungszustand nach jeder Session geführt haben müssen. Sie singt, flüstert, schreit, kreischt haucht und verausgabt sich in jedem Song scheinbar weit über das menschenmögliche hinaus. Diese Darbietung wurde oft als "Björk nach einem Nervenzusammenbruch" zusammengefasst, aber das ist auf jeden Fall unzureichend. Christmas Stimme kann zwar auch hoch und exaltiert klingen, aber ansonsten gibt es da wenig Gemeinsamkeiten. Sie, ebenso wie Björk oft, nur auf ihre ungewöhnliche Stimme und ihre Seltsamkeiten zu reduzieren, wäre unfair. Christmas kann sehr gut singen und ist eine eindrucksvolle Shouterin. Aber dazwischen wechselt sie ebenso schnell, wie scheinbar von einer Persönlichkeit zur anderen. Da klingt sie eben noch wie ein verletzliches und geschundenes Opfer um dann plötzlich los zu brechen und alles in ihrer Umgebung kurz und klein zu schreien. Die Stimmungen, die A Day of Nights dabei ausstrahlen, sind oft verwirrend. Da wären einmal der Zorn und die Verzweiflung, die nur zu gut zu der schwierigen Beziehung von Christmas und Graham passen. Dazu gesellen sich aber neben einer immer fühlbaren Aura von Bedrohung auch Momente, von denen purer Sex ausgeht. Platt gesagt schwankt der Hörer deswegen immer wieder zwischen Erregung für und Angst vor dieser Frau.
Auf einer anderen Ebene überwältigt einen das Ganze dann, reißt mit und sorgt für häufig wieder kehrende, unaufhaltsame Gänsehautschauer. Am Ende eines der Lieder gibt es dann noch einen gruseligen Telefonausschnitt, der die musikalisch herauf beschworenen Szenen eindrucksvoll untermalt und ihnen einen zusätzlichen Realitätsbezug gibt. Ein Polizist der Notrufzentrale versucht am Telefon die Adresse einer hysterischen Frau zu erfahren um ihr Hilfe schicken zu können, während der Streit mit einem Mann im Hintergrund zusehends eskaliert. Zu Ursprung und Authentizität dieser Aufnahme äußert sich die Band nicht und so kann sich der Hörer seinen Teil dazu selbst denken und das Gewaltdokument schlüssig in dieses gewalttätige und gewaltige Stück Musik einfügen.
Nach A Day of Nights gab es von Battle of Mice nur noch eine hervorragende Split-EP, deren Songs im gleichen Zeitraum entstanden waren. Danach widmeten sich die Beteiligten wieder ihren eigentlichen Bands. Das ist auf den ersten Blick zwar traurig, aber auch ebenso logisch wie verständlich. Das Graham und Christmas noch einmal zusammen arbeiten wollen oder gar können, erscheint unmöglich, wenn man nur genau hin hört. Und darüber hinaus wären die Stimmungen, die zur Entstehung dieses Meisterwerks führten, nicht reproduzierbar. Ein so gutes Album mit einem Nachfolger zu beschmutzen, der nur enttäuschen kann, wäre dazu noch unklug und würde dieser Lehrstunde an Intensität und Heaviness nur ihr Alleinstellungsmerkmal und ihre Einzigartigkeit rauben.
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