Sonntag, 13. Dezember 2015

Das Beste 2015 - Alben

12. Fred Thomas - All Are Saved

Fred Thomas ist ein Veteran der Musikszene von Michigan, erlangte aber erst jetzt mit seinem achten Soloalbum größere Bekanntheit. Er verzichtet dabei weitgehend auf konventionelle Songstrukturen oder Genrezuordnungen und glänzt stattdessen mit poetischen, meisterhaft konstruierten, aber trotzdem unheimlich bewegenden Texten. Vorgetragen wird das Ganze in einem Stil zwischen Spoken Word-Darbietung und Schimpftirade. Das Leben in Thomas' Songs ist lang und voller Enttäuschungen und Peinlichkeiten, aber es gibt ebenso Momente von absoluter Klarheit und purer Schönheit. 


11. Lyvten - ...sondern vom Mut, mit dem du lebst
Lyvten aus Zürich machen Songs, die mal nach Post Punk, mal nach Indie Rock und dann wieder nach Post-Hardcore klingen. Sie thematisieren in fantastischen, deutschen Texten die Unzufriedenheit und den Frust, der sich im Alltag anhäuft und machen daraus mitreißende Songs. Diese haben Biss, aber auch großartige Melodien und jede Menge überraschende Wendungen. Die Texte sind ebenso persönlich, wie universell, ohne dabei in Klischees oder Parolen abzudriften. Am besten sind aber die Unmittelbarkeit der Gefühle bei Lyvten. Man hört auch ohne die Texte jederzeit heraus, was die Band sagen will.    


10. Krallice - Ygg huur
Krallice machen Black Metal, der von Album zu Album progressiver wurde und sich weiter vom typischen Sound des Genres entfernte. Auf Ygg huur sind die Anteile des technischen Death Metal noch größer geworden, dazu kommt aber auch eine so nie da gewesene Punk-Attitüde, die der technischen Präzision eine erfrischende Wut und Rohheit entgegen setzt. 


9. Sufjan Stevens - Carrie & Lowell

Ich mag Sufjan Stevens, bin aber kein wirklicher Fan. Als sein neues Album heraus kam, war ich nicht in Stimmung und habe es nur nebenbei mal gehört. Großer Fehler! Im Herbst höre ich es zufällig in einer Bar und es haut mich absolut um. Carrie & Lowell ist das mit Abstand intimste, persönlichste und wohl auch beste Album in Stevens Karriere. Er verarbeitet darin die schwierige Beziehung zu seiner 2012 verstorbenen Mutter (Carrie) und die zu seinem Stiefvater und Labelchef (Lowell). Oft nur begleitet von einer Gitarre oder einem Klavier flüstert sich Sufjan Stevens auf diesem Album direkt in dein Herz und zertrümmert es in tausend Stücke.



8. Carly Rae Jepsen - Emotion
Ich muss es nur oft genug sagen, bis es mir nicht mehr peinlich ist: "Carly Rae Jepsen hat eines meiner Lieblingsalben des Jahres heraus gebracht." Sie scheint nicht nur ganz viel Spaß bei der Sache zu haben, sondern liefert auch einen Ohrwurm nach dem anderen. Natürlich ist das Ganze nicht wirklich tiefgründig oder bahnbrechend, aber Emotion strotzt im Gegensatz zu anderen (Pop)-Alben vor Einfallsreichtum, Energie und nicht zuletzt Freude!  


7. Hop Along - Painted Shut
Auf Painted Shut vollenden Hop Along ihre Wandlung vom Lo-Fi-Solo-Projekt zu einer der aufregendsten Indie Rock-Bands der Gegenwart. Frances Quinlan hat immer noch die intensivste, emotionalste Stimme der modernen Rockmusik. Dazu kommt jetzt eine eingespielte Band, ausgereifte Songs und eine wuchtige Produktion.


6. Kendrick Lamar - To Pimp A Butterfly
Endlose Worte wurden verloren über die Bedeutung von Kendrick Lamar und To Pimp A Butterfly - alle von Musikjournalisten bis hin zu konservativen Politikern in den USA machten ihn zum Erlöser oder Teufel. Was bei aller Bedeutung manchmal fast untergeht, ist die musikalische Brillanz eines Künstlers, der sich auf der Höhe seiner kulturellen Relevanz rücksichtslos weiter entwickelt und ein komplexes, forderndes Kunstwerk geschaffen hat. 


5. Zugezogen Maskulin - Alles Brennt
Deutschrap mit dunklem Humor, intelligenten und politischem Anspruch gibt es schon lange, aber selten so gut und unterhaltsam wie bei Zugezogen Maskulin. Alles Brennt ist im Jahr von Flüchtlingskrise, grassierender Ignoranz und einer neu aufkommenden Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, ebenso wichtig wie zeitgemäß. Aber auch davon abgesehen sind Zugezogen Maskulin einfach ein wunderbar frischer Wind in der deutschen Rap-Landschaft.



4. Natalie Prass - Natalie Prass
Die beste Musik vereinbart scheinbare Gegensätze in aufregenden Verbindungen. Natalie Prass' Debüt-Album schafft das mit Leichtigkeit. Es ist ein Trennungsalbum, das neben einer tiefen Melancholie auch eine große Kraft und Euphorie versprüht. Und es ist zutiefst intime, gefühlvolle Musik, die vollkommen organisch ein halbes Orchester in den Sound integriert ohne den Fokus von Prass Stimme und Texten zu nehmen. 



3. Vince Staples - Summertime '06
Das erste Album von Vince Staples ist ein ambitioniertes Konzept-Doppel-Album, das nur so vor Ideen strotzt. Gleichzeitig ist es aber auch eine extrem ausgereifte, stimmungsvolle und selbstbewusste Hit-Sammlung, die Spannung mühelos über zwanzig Tracks aufrecht erhält und keinerlei Füller oder halbgare Songs enthält.


2. Julien Baker - Sprained Ankle
Julien Baker hat in ihrem ersten Jahr im College mal eben eines der schönsten, traurigsten und aufwühlendsten Alben seit Ewigkeiten geschrieben. Die elegant einfachen Songs lassen viel Raum für Bakers direkte, extrem persönlichen Texte, die sie mit einer enormen Intensität vorträgt ohne jemals in Kitsch oder unnötiges Drama zu verfallen. Sprained Ankle ist eine Perle melancholischer Musik.  



1. Father John Misty - I Love You, Honeybear
Ist Father John Misty eine Kunstfigur, die alle Songs mit Augenzwinkern und Anführungszeichen schreibt oder mittlerweile ein nostalgischer, verliebter Songschreiber, der die Ironie nur vorschiebt? Für mich ist er Beides und genau das macht den Reiz seines neuen Albums aus. Er ist mal zynisch, mal naiv, mal kitschig und mal schonungslos ehrlich. Seine Songs funktionieren als erfrischend andere Liebeslieder ebenso wie als Anti-Liebeslieder. Was auf jeden Fall bleibt sind geniale Texte und eingängige Songs von vorne bis hinten. 





Honorable Mentions:

Eskimeaux - O.K.: Ein großes, triumphales Rock-Album, verpackt in ein intimes, wunderschönes Folk-Album. (Song)

Björk - Vulnicara: Vulnicara ist ein dramatisches, alles verschlingendes und doch auch hoffnungsvolles Trennungsalbum. (Song)

Empress Of - Me: Das beste Electro-Pop-Album des Jahres (im weitesten Sinne) überzeugt mit Persönlichkeit, Sex-Appeal und Tanzbarkeit! (Song)

Billy Woods - Today, I Wrote Nothing: Eine Mischung aus musikalischem Skizzen-Buch und Kurzgeschichten-Sammlung in Rap-Form. (Song)  

Liturgy - The Ark Work: Black Metal mit den Mitteln von Kirchenmusik, Noise und..Hip Hop? Anstrengend, aber oft auch erhebend. (Song) 

Lady Lamb - After: Auch auf ihrem zweiten Album macht Aly Spaltro bombastische, mitreißende, euphorisierende, vor Gefühlen und Herzblut nur so strotzende Singer-Songwriter-Musik. (Song)  

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