Eine kleine Liste von Filmen, die selbst mich als abgestumpften Filmjunkie noch geschockt, beschäftigt und/oder mit einem ekligen Gefühl in der Magengegend zurückgelassen haben. Trotzdem sind es alles durchweg gute und herausfordernde Filme, die ich hiermit (abgesehen von Irreversibel) fast uneingeschränkt empfehlen möchte.
The Shape of Things
Adam ist introvertiert, dicklich und eher unauffällig. Als er die aufregende und unberechenbare Evelyn kennen lernt, verliebt er sich schnell Hals über Kopf. Evelyn treibt ihn dazu an sich anders zu präsentieren, gibt ihm nicht nur neue Kleidung, sondern auch ein gestärktes Selbstbewusstsein. Adams bester Freund Phil ist irritiert von dem plötzlich zunehmend gutaussehenden Freund, der sich nicht mehr alles gefallen lässt, aber dessen Verlobte Jenny ist begeistert vom neuen Adam. Während Evelyn die Transformation von Adam immer weiter voran treibt, kommt er Jenny langsam näher...Was wie ein gutes Beziehungsdrama beginnt, entpuppt sich im für mich absolut überraschenden und schockierenden Finale als etwas ganz anderes...mehr will ich aber nicht verraten, um den Filmgenuss nicht zu verderben.
Martyrs
Martyrs ist eine Tour de Force in zwei Akten. Der erste Akt wirkt wie ein typischer Rache-Thriller mit einigen Gore- und Gruselelementen. Lucie entkommt als Kind nur knapp den Peinigern, die sie über lange Zeit gefoltert und misshandelt haben. In dem Kinderheim, in dem sie danach untergebracht wird, bleibt Anna, ebenfalls Missbrauchsopfer, die einzige Freundin und Familienersatz des traumatisierten Mädchens. Anna versucht Lucie zu beschützen, doch diese wird immer wieder heimgesucht von dem Geist eines Mädchens, dass sie bei ihrer Flucht zurücklassen musste und das ihr scheinbar weitere Verletzungen zufügt so lange sie die Täter von damals nicht findet und bestraft.
Der Film setzt nach diesem kurzen Vorspann ein im Haus einer scheinbar normalen Familie mit zwei Kindern, die gerade alltägliche Dinge besprechen als Lucie das Haus stürmt und ohne Vorwarnung alle darin umbringt. Die telefonisch herbeigerufene Anna ist sich ebenso wie der Zuschauer nicht sicher, ob die ermordete Familie überhaupt schuldig war, versucht aber bei der Beseitigung der Opfer zu helfen. Die Brutalität dieser Eingangsszenen, gepaart mit der Unsicherheit des Zuschauers, was hier eigentlich vor sich geht und die wirksam eingestreuten Schockeffekte, die Lucies geisterhafte Peinigerin mit sich bringen, sind schon genug Horrorelemente für zwei gewöhnliche Filme. Aber was im zweiten Akt von Martyrs passiert, erhebt den Film über vergleichbare Schocker. Ohne zu viel verraten zu wollen, lässt der Film in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele blicken und ist von einer Brutalität erfüllt, deren scheinbare Sinn- und Emotionslosigkeit, das ganze noch unheimlicher macht. Zum Schluss paart der Film zutiefst abstoßende Anblicke mit einem quälend ungewissen Ende, das den Zuschauer noch lange beschäftigen wird. Einer der wenigen Filme, bei dem mir danach der Weg durch den dunklen Flur Unbehagen bereitete...
2:37
2:37 hat zu Beginn große Ähnlichkeiten zu Gus Van Sants Amokläufer-Drama Elephant (der auch in diese Liste passen würde) und wurde deshalb von vielen bereits von vornherein als bloße Kopie abgetan. Der Zuschauer beobachtet den scheinbar langweiligen Alltag von fünf Highschoolschülern in Australien. Die erste Szene des Films, in der ein Lehrer unter einer abgeschlossenen Toilettentür Blut entdeckt, ist auch gleichzeitig das Ende des Films und durchbricht den Schulalltag auf unerwartete Weise. In seiner restlichen Laufzeit beleuchtet der Film die Stunden vor dieser Szene aus der Sicht aller Protagonisten, die wie schnell klar wird, alle ausreichende Motive hätten sich etwas anzutun. Das schockierende an diesem Film ist aber nicht nur das überraschende Ende, sondern auch andere Szenen, die schonungslos offenlegen, was sich hinter der Fassade dieser scheinbar so normalen Schüler verbirgt. Zusätzlich wird das Filmgeschehen unterbrochen von Interviews mit den Protagonisten in denen sie offen und ehrlich von ihren realistischen Plänen und naiven Träumen nach der Schule sprechen. Der Film ist dabei sicherlich nicht immer ganz glaubwürdig, zeigt aber in überspitzter Form, was nicht nur an dieser fiktiven Schule, sondern auch an echten Schulen geschieht und geschehen könnte.
Requiem for a Dream
Vor knapp zehn Jahren war ich bei Freunden auf einer Lan-Party und um die Zeit totzuschlagen bevor es losging, machte ich den Fehler mir Requiem for a Dream auszuleihen. Die nächsten 1 ½ Stunden saß ich mit Kopfhörern im Ohr in einem nur vom hektischen Flackern der Monitore erhellten Kellerraum und schaute mit zunehmenden Unbehagen diesen Film. Der Rest der Nacht war dann auch irgendwie gelaufen...
Der Film hat eine plakative „Drogen sind böse“-Message und könnte so auch in Schulen laufen (was sicher effektiver wäre als herkömmliche Aufklärungsarbeit). Diese recht simple Botschaft wird jedoch audiovisuell meisterhaft umgesetzt und von überraschend guten Darstellern bis zum äußerst bitteren Ende glaubwürdig vermittelt.
Harry lebt mit seiner Freundin Marion und seinem besten Freund Tyrone als Kleindealer ein sorgloses Leben von einem High zum nächsten. Geld für die Drogen stiehlt er auch schon mal von seiner wehrlosen Mutter, die ein einsames Leben vor dem Fernseher fristet. Harry und Tyrone versuchen ihre Träume vom Wohlstand wahrzumachen, indem sie mehr und mehr Heroin strecken und dealen. Doch ihre eigene Sucht und fehlender Drogennachschub treibt sie immer weiter in Schulden, die Unterwelt und die eigene Abhängigkeit. Harrys Mutter dagegen versucht für eine vermeintliche Kandidatur in ihrer Lieblings-Quiz-Show abzunehmen und wird von den verschriebenen Appetitzüglern erst in die Abhängigkeit und dann in Wahnvorstellungen und zunehmenden Realitätsverlust getrieben.
Der abwechselnd fiebrig nervöse und dann wieder höchst dramatische Soundtrack von Clint Mansell (der leider durch übermäßigen Gebrauch in Hollywood langsam etwas abgenutzt ist) und die von schnellen Schnitten, diversen Effekten und grellen Farben geprägten Bilder, spiegeln die Hochs und Tiefs des Drogenrauschs eindrucksvoll für den Zuschauer. Das unvermeidliche, schlechte Ende für alle Beteiligten nach einer kurzen Phase des trügerischen Glücks (oder Highs) ist durch seine Vorhersagbarkeit nicht weniger schockierend, denn die Kamera hält bei der abschließenden Montage der körperlichen und seelischen Konsequenzen des Drogenkonsums der Protagonisten sadistisch lange drauf und lässt den Filmzuschauer mit einem sehr unangenehmen Gefühl zurück.
Verblendung
Verblendung ist die Verfilmung des ersten Teils der überaus erfolgreichen Millenium-Trilogie-Romane von Stieg Larson. Es ist ein überaus spannender und wirkungsvoller Thriller. Um das Unbehagen zu verstehen, dass dieser Film bei mir auslöst, sollte man mit seinem Titel beginnen. Die Übersetzung des Originaltitels ist „Männer, die Frauen hassen“ und damit eindeutig treffender als der faule deutsche Titel. Larson wollte mit seinen Büchern auch auf die alltägliche Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen und so ist auch der erste Film voll von Männern, die Frauen zutiefst hassen und erniedrigen.
Der in Ungnade gefallene Wirtschaftsjournalist Mikael Blomkvist wird von dem im Ruhestand lebenden Wirtschaftsboss Henrik Vanger damit beauftragt nach seiner vor 40 Jahren verschwundenen Nichte Harriet zu suchen. Vanger ist überzeugt davon, dass jemand aus seiner eigenen Familie in das Verschwinden verwickelt ist und so beginnt Blomkvist seine Recherchen auf der abgeschiedenen Insel, die nur von der Familie bewohnt wird. Die eigentliche Heldin des Films ist aber die Hackerin Lisbeth Salander, die Blomkvist bei seinen Ermittlungen unterstützt. Nach einer Gewalttat im Kindesalter wird Lisbeth ihr ganzes Leben lang von Psychologen und Vormündern immer mehr zum Opfer gemacht bis sie schließlich bei einem äußerst sadistischen Vormund landet, der seine Macht über Lisbeth und ihr Geld schamlos ausnutzt. Die Szenen der seelischen und sexuellen Gewalt gegen Salander sind für den Zuschauer in ihrer Direktheit kaum auszuhalten und erfüllten mich mit Scham dem männlichen Geschlecht anzugehören. Das langsame Ausbrechen Lisbeths aus der Opferrolle mündet in einem Gewaltakt gegen ihren Vormund, der fast ebenso unangenehm anzuschauen ist, einen jedoch mit einer dann fast schon wieder beunruhigenden Genugtuung erfüllt.
Die Haupthandlung führt Blomkvist und Salander schließlich zu einer Serie von äußerst brutalen Frauenmorden und einem blutigen, nervenaufreibenden und endgültig überraschenden Ende. Danach bleibt zwar das unangenehmes Gefühl in der Magengegend noch eine Weile erhalten, aber ebenso die Erkenntnis einen der seltenen Filme gesehen zu haben in dem emanzipierte und starke Frauen sich selbstständig aus ihrer aufgezwungenen Opferrolle befreien.
Irreversiblé (Achtung wer den Film noch sehen möchte, nicht lesen!)
Eigentlich gibt es keinen Grund Irreversibel zu empfehlen, es sei denn aus sadistischer Gemeinheit. Schon beim Anschauen war der Film damals für mich mehr als eine Art Mutprobe gedacht, denn natürlich halte ich ja denn angeblich so krassen Film aus. Viele betrachten Irreversibel als Kunst, aber für mich war es einfach zu viel. Der Zuschauer sieht in umgekehrter Reihenfolge eine Nacht, die das Leben und die Zukunft eines glücklichen Paares, dass ein Kind erwartet, für immer zerstört. Anstrengende Farben, schnelle Schnitte und eine meist hässliche Kulisse erfüllen den Film. Und dann ist da natürlich noch die Szene, in der der Protagonist dem vermeintlichen Vergewaltiger seiner Freundin mit einem Feuerlöscher den Schädel zu Brei schlägt (während der echte Täter das Ganze amüsiert beobachtet) und die eben genannte, schmerzhaft lange Vergewaltigungsszene, die die schwangere Frau ins Koma und die meisten Zuschauer wohl fast zum Erbrechen bringt. Bei all dem bleibt die Kamera in schonungslosen Nahaufnahmen dabei und am Ende sieht der bereits vollkommen geräderte Zuschauer dank der umgekehrten Reihenfolge der Szenen plötzlich noch einen Moment des Liebesglücks des Paares, das der Filmemacher im ganzen Film zuvor zerstört hat.
Die größte „Leistung“ des Films ist für mich seine Einprägsamkeit. Abgesehen von meinen absoluten Lieblingsfilmen gibt es keinen Film aus dem ich Details auch noch über 5 Jahre nach dem Schauen so gut abrufen kann. Der Film hat sich wie kein anderer in mein Gehirn eingebrannt – Leider.