Sonntag, 16. Dezember 2012

Das Beste aus 2012 - Teil 5: Songs Top 50

Das Beste aus 2012 - Teil 1: Musikvideos
Das Beste aus 2012 - Teil 2: Alben Plätze 20-11
Das Beste aus 2012 - Teil 3: Alben Plätze 10-1 
Das Beste aus 2012 - Teil 4: Songs Plätze 100-51 


Azealia Banks wurde letztes Jahr schon zur Zukunft des Hip Hops erklärt. Diese Vorschusslorbeeren waren durchaus gerechtfertigt, wie sie auf einer EP und dem Mixtape Fantasea eindrucksvoll unter Beweis stellt. Luxury ist eine tanzbare RnB-Nummer, versehen mit einem breiten Grinsen und verdammt viel Sex-Appeal. Ein Hit, wie fast jeder Song auf Fantasea, egal ob Rap, RnB, Pop oder eine Mischung aus allen drei. 
 
Grimes wirkt ein wenig wie das perfekt entworfenes Popsternchen, das bei genauerer Betrachtung „leider“ einige Schrauben locker hat. Heraus kommen dann pervers eingängige Pop-Wunderwerke wie Genesis, die aber immer auch etwas neben der Spur sind und darüber hinaus deutlich mehr Tiefe haben als typische Radiolieder. Es ist nahezu unmöglich diesen Song zu hören ohne danach mit Ohrwurm und breitem Grinsen ausgestattet zu sein. 
 
A Pose for No One ist ein Glanzstück an Songstruktur und Spannungsaufbau – und davon abgesehen auch ein toller Song! Er beginnt nur mit einem einfachen Drumbeat, Geigenzupfen und dezenter Gitarre im Hintergrund. Der Gesang von Corinna Repp ist dazu verhuscht und wird erst im Laufe des Songs immer kraft- und druckvoller. Der flehende Ausruf „Your Body is moving, I can't find a Face“ ist das Zentrum von A Pose for No One und diese Botschaft wird durch einen Backgroundchor, Streicher und andere Erweiterungen des Arrangements vom zarten Beginn bis zum dramatischen Höhepunkt getragen. 
 
Dieser Song schafft es gleichzeitig eine intimes Lied zu sein, das einen sofort traurig macht und auch eine mächtige Power-Ballade mit einem nicht zu tötenden Quäntchen Hoffnung. Sharon van Ettens fantastische Stimme wechselt zwischen diesen Extremen mit Hilfe von zarter Percussion und wunderbar organisch eingebauten Bläsern im Hintergrund. 
 
Fineshrine ist ein merkwürdiger Song. Auf den ersten Eindruck ist es ein eingängiges, fast beschwingtes Liebeslied. Doch ein Blick auf den Text geben dem Song gleich eine viel düstere Richtung, ebenso wie Megan James' Stimme, die nur schwer an einer Stimmung fest zu machen ist. Was bleibt ist ein tolles Electro Pop-Lied mit Tiefe, leichtem Gruselfaktor und jede Menge Interpretationsspielraum. 

 
 
Die größte Überraschung an Open ist, dass der sinnliche, an Sade erinnernde Gesang tatsächlich von einem Mann stammt. Das tut der Stimmung dieses wunderbaren Liedes aber keinen Abbruch – Open ist verführerische, entspannte und äußerst intime Schlafzimmermusik, die gleichzeitig anregend ist und zum träumen einlädt. 
 
Night Light ist ein eingängiger RnB-Song mit einem tollen, großen Refrain, der so problemlos im Radio laufen könnte. Was denn Song aber von dem ganzen Einheitsbrei dort abzeichnet, ist Jessie Wares fantastische Stimme, warm, kraftvoll und natürlich. Die Musik umschmeichelt sie wunderbar, ohne in die Belanglosigkeit zu verfallen. Heraus kommt ein grandioses Liebeslied mit hohem Wiederhörwert. 
 
Hi lebt von den Kontrasten. Zu einem tanzbaren Sound zwischen Post-Punk und Synth Pop singt Jamie Stewart Zeilen, die zunehmend düsterer, brutaler und schlichtweg verstörender werden. Dazu klingt seine Stimme an manchen Stellen nach manischer, wahnsinniger Euphorie, bevor sie wieder in eine Verzweiflung zurückfällt, die manchmal nah am melodramatischen ist, aber doch immer wieder einen Nerv trifft. Auch nach dem 20. Hördurchgang bin ich immer wieder verblüfft wie es Hi schafft mir Unbehagen in der Magengegend zu verpassen und ich trotzdem Zeilen wie „If you are wasting your life, say hi“ laut mit singe. 
 
42. Aesop Rock – Gopher Guts (Hip Hop):  
Am Ende eines so abwechslungsreichen Meisterwerks wie Skelethon muss natürlich ein epischer und würdiger Abschlusstrack stehen und Gopher Guts enttäuscht in dieser Hinsicht nicht. Ein düsterer Song zwischen Melancholie und Selbstbewusstsein, der mystisch-kryptische Lyrics mit überraschend Direkten und Persönlichen verbindet.

Was macht man, wenn man in der Mitte seines Albums ein vielseitiges, episches Meisterwerk wie Pyramids hat? Frank Ocean schreibt einfach einen unverschämt eingängigen Popsong, der jede Radiosendung bereichern würde und dennoch eine gewisse Tiefe nicht vermissen lässt. Der Mann ist eine Genie...


40. Swans – Mother Of The World (Noise, Experimental): 
Minutenlang besteht Mother of the World nur aus einem sich immer wiederholenden Gitarrenriff, stakkatoartigem Schlagzeug und Michael Giras aggressivem Keuchen. Viele finden das sicher anstrengend oder langweilig, doch ich finde es fantastisch – Trance durch experimentelle Musik. Der Song gewinnt dann immer mehr an Fahrt, es kommt ein ebenso simpler, wie effektiver Bass-Lauf hinzu, dann unheimliche Synths und immer eindringlichere, unverständliche Laute von Gira. Auf dem Höhepunkt macht der Song dann eine Kehrtwende und wandelt sich in die ebenso eindringliche und absolut unheimliche Swans-Version eines Folk Rock-Songs. 
 
39. White Lung – I Rot (Punk Rock):  
White Lung starten ihren Songs nicht, sie werfen den Hörer mitten in einen Dschungel aus dissonanten Gitarrenriffs, immer schneller werdenden Drums und wütend-aber-trotzdem-melodischem Gesang bis ihm schwindelig wird. Auch I Rot ist so ein musikalischer Fiebertraum, eine Pop-Perle eingepackt in fünf Schichten rotzigen, aggressiven Punk.

Die größte Stärke des neuen Albums von The Twilight Sad sind die hypnotischen Drums, die auf Dead City eindrucksvoll die zweite Hauptrolle neben James Grahams unverwechselbarer Stimme spielen. Auf einem ansonsten leider für mich eher enttäuschend plätschernden Album ist Dead City das unangefochtene, eindringliche Highlight. 
 
Jeder Song auf Cancer 4 Cure hätte einen Platz auf dieser Liste verdient, aber Works every Time verbindet die alten Stärken von El-P (eine düstere, ultradichte Produktion und einen ebenso düsteren, wütenden Text) mit der höheren Eingängigkeit und Zugänglichkeit des neuen Albums besonders eindrucksvoll. Trotz allem ist dieser Song, aber immer noch eine überwältigende, vor Sarkasmus triefende Angelegenheit – Gott sei Dank! 
 
Auf dem zweiten Album haben The xx ihren Sound perfektioniert und noch weiter auf die wichtigsten Elemente reduziert. Am spannendsten ist Coexist aber dann, wenn sich plötzlich doch kleine Veränderungen in die Lieder schleichen. Swept Away z.B. verbindet eine weiträumige, ätherische und damit xx-typische Ballade mit einem fetten, tanzbaren Beat. Der resultierende Song schwankt dadurch genussvoll zwischen Schlafzimmer und Tanzfläche. 

 
35. Bat for Lashes – Lilies (Electro Pop, Indie, Singer-Songwriter):  
Natasha Khan hat ein Talent bombastische Songs zu schreiben, die sich dennoch immer eine Intimität bewahren und schon beim ersten Hören nicht nur mitreißen, sondern auch berühren. Lilies beginnt mit Khans Stimme, erst zart dann immer kraftvoller und variabel wie nie zuvor. Dazu gesellt sich nach und nach Orchester und Synth-Pop, umschmeichelt und vergrößert die traumhafte Erzählung, bis sie im euphorischen Ausruf „Thank God, I'm alive!“ kulminiert. Zum weinen schön! 
 
Marriages machen eine Mischung aus Post-Rock und Indie Rock mit definitiver Schlagseite zu Ersterem. Heraus kommt ein Song wie Ten Tiny Fingers, der Melodien und Methoden des Post-Rocks auf radiofreundliche Länge mit Gesang herunterbricht ohne dabei etwas von der Intensität einzubüßen, die etwa auch Red Sparowes, die Hauptband zweier Mitglieder von Marriages, zu ihren besten Zeiten auszeichnete. 
 
33. Fiona Apple – Jonathan (Folk, Singer-Songwriter, Indie)
Halb Liebeslied, halb Bittgesang an den namensgebenden Jonathan (ihr Exfreund Jonathan Ames) ihre Seltsamkeiten zu ertragen, balanciert der Song lyrisch zwischen Apples neurotischem Charme und der fast schon unangenehmen, aber immer noch faszinierenden Selbstoffenbarung. Musikalisch ist Jonathan so etwas wie vertonte Rastlosigkeit, eine schwankende Klavierballade mit immer wieder überraschend explosiver Percussion. Fesselnd und einprägsam! 
 
Trixie Whitleys Musik wechselt zwischen Folk, Soul und Blues, im Mittelpunkt immer ihre gigantische, lebendige Stimme voller Leidenschaft. Irene ist der mit Abstand sexieste und tanzbarste Song ihres Katalogs und sie verausgabt sich in dieser Live-Version stimmlich unglaublich, nur um dann zwischendurch ganz lässig mit dem Publikum zu scherzen. Die Zwischenrufe stören dabei nicht, sondern runden die raue Natürlichkeit von Whitleys Performance ab und transportieren den Hörer unmittelbar in die erste Reihe ihres Konzerts. 
 
31. Amenra – Nowena | 9.10 (Doom, Sludge):  
Dieser Song klingt wie die vertonte Apokalypse und ist ein düsterer Höhepunkt in einer Diskographie, die sich von Beginn an mit der Ergründung von Schwärze und Negativität auseinander gesetzt hat. Nach einem melancholischen Intro mit cleanem Gesang und zarter Gitarrenbegleitung gibt es einen Moment Stille, der sich endlos auszudehnen scheint, bevor ein Riff ertönt, das wie eine Feuerwalze aus der Hölle klingt. Sänger Colin H. Van Eeckhout bekommt Unterstützung von Scott Kelly, dem Sänger von Amenras musikalischen Vätern Neurosis. Zusammen bilden sie ein fantastisches Duo, die der musikalischen Zerstörung dieses Ungetüms einen angemessen wütenden und verzweifelten Überbau geben. Der gewaltigste Song des Jahres.


Purity Ring kombinieren hypnotischen, detailverliebten Electro-Sound, der oft sehr an The Knife erinnert, mit einem Gesang und einer Stimmung, die zwar oft gradlinig und poppig scheint, aber wie auf Loftcries immer einen überraschend dunklen und nachdenklichen Anteil hat. Das führt dazu, dass die Songs zwar sehr schnell ins Ohr gehen, aber einen auch so schnell nicht wieder los lassen. 
 
29. Converge – Sadness Comes Home (Hardcore, Metalcore): 
Sadness Comes Home verarbeitet verschiedene Converge-Trademarks und -Stärken zu einem großartigen Sound zusammen, der bekannt aber dennoch immer überraschend klingt. Der Song ist zu gleichen Teilen ein melodischer Doom-Brocken und ein hektisch-verzweifelter Hardcore-Song, schlägt dazu noch Haken ohne Ende und bleibt sofort im Gedächtnis hängen. 
 

Seit ihrem letzten Album erlitt Cat Power einen Nervenzusammenbruch, musste Bankrott erklären und stampfte ein fast fertiges Album wieder ein. Das ihr neues Album Sun da nicht depressiv und düster, sondern vielseitig und kraftvoll wurde, ist schon eine Leistung. Das es dazu noch so gut geworden ist, einfach bewundernswert. Ruin balanciert zwischen leichter Melancholie und Euphorie, zwischen zarter Melodie und triumphalen Rock, ist aber vor allem wie das ganze Album mit einer unwiderstehlichen, ansteckenden Energie aufgeladen. 
 
Der schnelle, laute, schmerzhaft intensive Hardcore von Loma Prieta lässt auf Biography etwas Raum für Melodie und der Geschichte einer als Kind verschwundene Freundin des Sängers. Das stellenweise gedrosselte Tempo erhöht dabei sogar noch die Intensität, Wut und Verzweiflung, die diese Band so auszeichnen. 
 
26. Iamamiwhoami – Kill (Electronic, Indie): 
Iamamiwhoami klingen wie eine Mischung aus The Knife und Austra und machen elektronische Musik zwischen tanzbarem Pop und dramatischer Melancholie. Kill ist ein bemerkenswerter Song, der seine Traurigkeit unter einer Electro-Pop-Hülle verbirgt, bis sie in einem dramatischen und unruhig pulsierenden Refrain herausbricht und zum aufhorchen zwingt.


Killer Mike rappt auf Don't Die eindrucksvoll über Polizeibrutalität und von einer blutigen, Adrenalin-getränkten Auseinandersetzung mit korrupten und rassistischen Polizisten. Die ohnehin schon äußerst spannend vorgetragene Story gewinnt noch an Spannung und Dynamik durch den sich immer wieder wandelnden, Haken schlagenden Beat. 
 
Die Texte auf diesem Album sind oft wie sehr düstere Witze, bei denen man zwar die Pointe nie so ganz versteht, die einem aber trotzdem zum lachen und nachdenken bringen...Und dieses unglaublich poppige Stadion Rock-Noise-Gemisch hat mir „Excuse me Madam, this service is a joke! I came in here for annectodes, and left with friends i'll never sing for“, meine wohl liebste Textzeile des Jahres beschert...

Die 16-Jährige Internetsensation Kitty Pryde macht so etwas wie Wohnzimmer-Teenager-Rap. Ihre Stimme zwischen Entspannung, Verführung und Langeweile passt perfekt zu ihren kleinen Geschichten über die Jugend in der Vorstadt. The Shrekoning ist ein hypnotisches Liebeslied, gleichzeitig irgendwie alltäglich-ehrlich und doch sexy-ätherisch. Was den Song noch viel besser macht, ist das man ständig das Lächeln von Pryde spüren kann – sie hat einfach Spaß an der Musik und nimmt das ganze nicht so ernst, im Gegensatz zu den ganzen Rap-Puristen, die mit ihr den Untergang des Hip Hops prophezeien
 
Dry The River klingen ein wenig wie die Rock-Version von Bon Iver oder den Fleet Foxes; Falsetto-Gesang, Gesangsharmonien und wunderschöne, wenn auch oft grenzwertig kitschige Folk-Songs. Doch Dry the River sind mehr. Der Gesang wechselt mühelos in kraftvolle, leidenschaftliche Gefilde und die Musik verbindet die zarten Folk-Momente mit dramatischen Crescendos, die immer wieder absolut mühelos mitreißen. No Rest ist eine melancholische Liebesballade, die sich langsam zu einem Folk Rock-Lied steigert und dann in einer verzweifelten, Gänsehaut-Liebeserklärung mündet. 
 
Ich verstehe die Texte von Frances Quinlan nicht wirklich, aber die Emotionen die sie mit ihrem Gesang transportiert, sind einfach der Wahnsinn. Sie singt süß, schräg, sie flüstert und sie schreit sich die Seele aus dem Leib während Diamond Mine im Hintergrund eine ebenso aufreibende wie unterhaltsame Reise durch Folk, Pop und Punk Rock unternimmt in der eine Ukulele, ein Chor und die saftige E-Gitarre alle problemlos untergebracht werden. 

 
20. Hilary Hahn & Hauschka – North Atlantic (Contemporary Classical, Ambient) Experimental)
Eine der renommiertesten klassischen Geigerin der Welt und ein experimenteller Pianist machen zusammen ein Improvisations-Album in Island. Dabei heraus kommen dann Songs wie das wunderschöne North Atlantic, bei dem die beiden Musiker eine riesige, lebendige Klanglandschaft erschaffen. Das Stück klingt gleichzeitig wie ein genau durchdachter Spannungsbogen und doch auch wie ein absolut spontanes und überraschendes Stück Musik, bei dem sich zwei meisterhafte Musiker gegenseitig zu kreativen Höhenflügen anspornen.

Crystal Castles wandeln oft auf dem schmalen Grad zwischen überwältigend und anstrengend, musikalisch wie gesanglich. In Wrath of God schleicht sich aber neben der immer schon vorhandenen, unbändigen Energie und dem Zorn, auch eine unglaublich erdrückende Verzweiflung und ein Schmerz, den ich so einfach nicht bei so einer Art von Musik erwartet hätte. Nach einer trügerisch harmlosen Eingangsmelodie verbindet sich der hämmernde Beat und aggressive 8-Bit-Fetzen mit Alice Glass trotz aller Verzerrung unglaublich leidenschaftlichen Stimme in einem gigantischen Refrain, der laut gehört werden muss, um seine hypnotische Wirkung voll entfalten zu können.

Captain Planet schreiben fantastische Punk Rock-Songs die wie atemlose, flirrende Momentaufnahmen aus Deinem Leben klingen. Pyro, der erste Song des dritten Albums, klingt nach durchzechter Nacht und nach dem Morgen danach, nach einer zerbrochenen Beziehung und einem Leben in der Sackgasse. Aber statt weinerlich oder dramatisch, ist auch hier wieder alles direkt, ehrlich und trotzig – Aus „Immer allein“ wird „Viva allein“ und aus einem Song unter 3 Minuten ein Mikrokosmos der eigenen Gefühlslage.

Jessie Wares Stimme ist einfach gigantisch. Die Kunst von Wildest Moments ist es einen energetischen und eingängigen Rahmen für ihre Stimme zu schaffen und Jessie Wares Kunst ist es ihre Stimme gleichzeitig ins Scheinwerferlicht zu stellen und doch auch in den Dienst dieses tollen Popsongs. Heraus kommt ein ebenso berührender wie tanzbarer Riesen-Hit.
 

Krallice machen es dem Hörer wirklich nicht einfach. Schon ein Jahr nach dem brillanten, überaus anspruchsvollen letzten Album, gibt es schon wieder eine Stunde komplexen, technisch und qualitativ ebenso guten, wie überfordernden Black Metal auf die Ohren. Und dann haben alle Titel auch noch lediglich Striche als Namen. Doch wenn man das alles verdaut hat, ist besonders der fast 17-minütige Abschlusstrack ein absoluter Genuss! IIIIIIIIIIII ist ein kompromissloses Monstrum, das zu keiner Sekunde ab lässt und nie langweilig wird, den Hörer stattdessen komplett einhüllt. Auch wenn das Wort ausgelutscht ist, hier muss es einfach sein – Absolut episch! 


15. Xiu Xiu – Honey Suckle (Electronic, Experimental, Indie):  
Die größtenteils sanfte und fast beschwingte Melodie von Honey Suckle ist zutiefst trügerisch. Dahinter verbirgt sich ein Song, dessen gleichzeitige Verzweiflung und Resignation kaum erträglich sind. Angela Seo, die den Song auch geschrieben hat, bildet dabei mit ihrer sanften, ruhigen Stimme die stille Verzweiflung ab, während Xiu Xiu-Frontmann Jamie Stewart mit seiner dramatischen Stimme eine gehörige Portion Verzweiflung beisteuert. Gemeinsam besingen sie ebenso effektiv, wie glaubwürdig Depression und Trauer: „Yesterday was awful, today's discolored.“ 
 
14. Kaki King – Great Round Burn (Indie Rock, Folk, Instrumental): 
Kaki King ist nicht nur ein Indie-Darling, sondern zuallererst mal eine absolut fantastische Gitarristin. Und nach dem Vorgänger-Album, das mit Gesang und weniger Gitarren-Zauberei etwas ganz anderes war, kehrt Kaki King mit dem neuen Album wieder zu ihren Wurzeln zurück. Der Opener Great Round Burn ist ein dramatischer Wettkampf zwischen Kaki Kings furioser Akkustik-Gitarre und einem brodelnden Orchester-Arrangement. Der daraus resultierende Song klingt nach epischem Filmscore, hat aber auch etwas von irischer Folk-Musik. Das wichtigste ist aber, dass er scheinbar aus dem Nichts eine unglaubliche Spannung aufbaut und dann auf wunderbare Weise aufrecht erhält und damit spielt.

WIFE ist das elektronische Nebenprojekt von James Kelly von der irischen Black Metal-Band Altar of Plagues und für mich eine der größten Entdeckungen des Jahres. Durch Zufall sah ich mir das Video zu dem vor ab veröffentlichten Song Bodies an und seitdem lässt er mich nicht mehr los. Der Song klingt wie der eindringlichere kleine Bruder von Burial's Sound, die Musik schleicht sich langsam und hypnotisch an und transportiert doch jederzeit eine greifbare und sich langsam steigernde Intensität
 
12. Miike Snow – Devil's Blood (Electronic, Pop,Indie):  
Wer hätte gedacht, dass diese schwedische Electro-Pop Band einen so melancholischen und dramatischen Song schreiben könnte? Devil's Blood ist ein gigantischer Song mit großen Melodien und großartig in Szene gesetzten Bläsern und trotzdem auch ein Song der vor Gefühlen nur so strotzt und schon beim ersten Hören zutiefst berührt. 
 
11. Breton – Interference (Indie Rock, Electronic, Dubstep): 
Breton sind eine riesige Überraschung für mich gewesen dieses Jahr und haben ein tolles Album geschaffen, das gleichzeitig absolut typisch britisch klingt und doch in jedem Song etwas neues, vielseitiges und aufregendes zeigt. Auf dem Highlight Interference mischen die Londoner eingängige Indie Rock-Melodien, einen stampfenden, wütenden Beat und eine Grundstimmung zwischen Melancholie und Wut zu einer zwingenden Indie-Hymne. 

  
Poliça machen Musik zwischen Electro, RnB, Pop und Goth. Dazu gibt es mit Autotune bearbeiteten Gesang und zwei Schlagzeuger. Das dabei etwas ungewöhnliches und ungewohntes heraus kommt ist klar, das aber so eingängige, hypnotische und fesselnde Songs wie Amongster aus dieser Kombination entstehen, bleibt verwunderlich, begeistert aber auch bei jedem Hördurchgang aufs Neue. 

 
9. Sarah Jaffe – Paul/The Body Wins (Folk, Singer-Songwriter): 
Ich zähle diese beiden Songs als Einen, da der Übergang genauso fließend, wie wunderbar ist. In Paul hält Sarah Jaffes glasklare Stimme mühelos ein halbes Orchester in Schach, das dieser zarten Ballade immer wieder kleine Momente von Drama verleiht. The Body Wins verläuft ganz ähnlich. Hier sind es Bläser und ein fast jazziges Klavier, die Sarah Jaffes sonst eher folkigen Sound ergänzen und der Musik eine vorher nicht da gewesene Größe und Schwere geben. Trotzdem bleibt die Emotionalität und Melancholie von Jaffes Stimme nicht nur intakt, sondern kommt durch den Kontrast sogar noch deutlicher zum Vorschein.


8. Aesop Rock – Cycle To Gehenna (Hip Hop):  
Perfekte Produktion und dazu tiefgründige, humorvolle, clevere und vor allem fantastisch klingende Stream of Conciousness-Raps, die man wahlweise jahrelang analysieren oder einfach auf sich wirken lassen kann. Aesop Rock ist einfach so absolut einzigartig und vereint dazu seine üblichen Qualitäten auf diesem Album noch mit einer ansteckenden Eingängigkeit. Und dann sind da noch diese letzten 90 Sekunden, mit leicht schiefem Keyboard und einem Rap, der auch nach dem 100. Hören noch unglaubliche, unaufhaltsame Gänsehautschübe bei mir erzwingt

 

Wasted Days verwandelt sich von einem wütend-schrammeligen Punk-Song in eine minutenlange, unbehaglich brodelnde Jamsession, die schließlich in der verzweifelnden Frage „I thought I would be more than this!“ explodiert. Der Song ist eine Hymne an vergeudete Lebenszeit, ein erhobener Mittelfinger an die schöne, heile Welt und reinigender kann ein Stück Musik eigentlich kaum noch sein. 

 
Sachen, die in diesem fast 10-minütigen Epos Platz finden: eine Geschichte über die ägyptische Königin Kleopatra, eine Geschichte über die Prostituierte Cleopatra, ein lockeres, tanzbares RnB-Stück und eine melancholische RnB-Ballade, sinnvoll eingesetztes Autotune, ein stampfender Electro-Beat, Pink Floyd-artige Synths und Gitarrenriffs, ein psychedelisches Gitarrensolo, mehr Emotionen als 10 andere RnB-Songs zusammen und natürlich Frank Oceans fantastische Stimme. Und am Schluss steht die Erkenntnis, dass ich eine Musikrichtung nicht länger ignorieren kann...


Auf der Kindred-Ep verlässt Burial die musikalischen Pfade, die er auf seinen bisherigen Alben und Eps perfektioniert hat und macht mit Ashtray Wasp den wohl bisher gleichzeitig melodischsten, epischten und abwechslungsreichsten Song seiner Karriere. Der Song hat zunächst Burial-übliche Merkmale; blecherne Beats, hypnotische Melodien und eine detailreiche Klanglandschaft, die nach Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit klingt. Doch Ashtray Wasp ist größer angelegt, hat mehr Facetten als ältere Songs und wechselt immer wieder Tempo, Stimmung und Musikrichtung ohne das es dem Hörgenuss Abbruch tun würde. Und die letzten, ruhigen Minuten des Songs mischen dann noch mühelos erdrückende Schwere mit einer vorsichtigen, hoffnungsvollen Note - Ein Hörerlebnis, das den Hörer komplett verschluckt und alles andere vergessen lässt

 
4. Fiona Apple – Anything We Want (Singer-Songwriter, Indie): 
Anything we want passt wunderbar in Fiona Apples neues Album und überrascht doch mit seiner Simplizität und entspannten, augenzwinkernden Atmosphäre. Die Neurosen und die musikalische Unruhe der anderen Songs werden zugunsten einer verführerischen und fröhlichen Stimmung zurückgeschraubt. Apple singt dazu noch ungewöhnlich verschmitzt und sexy wunderbare Zeilen wie „And I kept touching my neck to guide your eye to where I wanted You to kiss me, when we find some time alone“. Anregend und beruhigend zugleich...wie eine sanfte Liebkosung nach der Reise durch die katastrophalen Gefühlslagen von Miss Apple.


3. El-P – The Full Retard (Hip Hop):  
Wer hätte gedacht, dass die erste Single von El-P's neuem Album tatsächlich so etwas wie eine Single ist: Ein stampfender, fast tanzbarer Ohrwurm, der nicht zuletzt eingängig und leicht hörbar ist – für El-P-Verhältnisse. Denn The Full Retard ist trotz allem noch ein lärmender, wütender Track, mit einer unglaublich heftigen und dichten Produktion und natürlich bis zum Rand vollgestopft mit Maschinengewehr-artigen Raps. Der Song war die perfekte Kostprobe für ein Album, das meine hohen Erwartungen noch bei weitem übertroffen hat. Aber auch ohne diesen Kontext ist The Full Retard ein kleines Meisterwerk für Leute, die ihren Rap gerne etwas tiefgründiger, düsterer und ungewöhnlicher haben.


In den letzten Jahren ist aus dem quirligen Soloprojekt von Frances Quinlan eine richtige Band geworden, die viel ambitioniertere Musik macht. Quinlans Stimme klingt stellenweise nach wie vor schräg und niedlich, aber immer öfter holt sie ihre fantastische Röhrenstimme heraus, die sich ständig vor Gefühlen überschlägt. Tibetan Pop Stars, das uneingeschränkte Highlight des neuen Albums, passt sich dabei der Gefühls- und Laut-Stärke von Quinlans Stimme an und ist ein mächtiger Punk Rock-Song im Folk-Pelz. Was die Musik von Hop Along so einzigartig macht ist nicht nur diese mächtige, überschwappende Gefühlswelt, sondern auch die Schwierigkeit die Stimmung der Songs fest zu nageln. Tibetan Pop Stars etwa transportiert so viel Schmerz und Sehnsucht, es blitzen aber auch kleine Momente von Humor auf und der ganze Song vibriert nur so vor positiver Energie...

 
Die Vertonung des viel zu frühen Todes von Anaja Plaschgs Vater ist textlich so voller Schmerz und bodenloser Trauer, dass es beim bloßen Hören schon das Herz zu schnürt. Die Musik hält damit noch Schritt und balanciert mit Klavier und Elektronik zwischen stillem Unglück und tosender Verzweiflung. So ist der Song gleichzeitig allumfassende, lebensnotwendige Trauerverarbeitung und ein eindrucksvolles Denkmal für einen über alles geliebten Menschen.
 
Den letzten Teil der Liste (Filme) gibt es nächste Woche...

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