Azealia Banks wurde letztes
Jahr schon zur Zukunft des Hip Hops erklärt. Diese
Vorschusslorbeeren waren durchaus gerechtfertigt, wie sie auf einer EP und dem Mixtape
Fantasea eindrucksvoll unter Beweis stellt. Luxury ist eine tanzbare
RnB-Nummer, versehen mit einem breiten Grinsen und verdammt viel
Sex-Appeal. Ein Hit, wie fast jeder Song auf Fantasea, egal ob Rap,
RnB, Pop oder eine Mischung aus allen drei.
Grimes wirkt ein wenig wie das
perfekt entworfenes Popsternchen, das bei genauerer Betrachtung
„leider“ einige Schrauben locker hat. Heraus kommen
dann pervers eingängige Pop-Wunderwerke wie Genesis, die aber immer
auch etwas neben der Spur sind und darüber hinaus deutlich mehr
Tiefe haben als typische Radiolieder. Es ist nahezu unmöglich diesen
Song zu hören ohne danach mit Ohrwurm und breitem Grinsen
ausgestattet zu sein.
A Pose for No One ist ein
Glanzstück an Songstruktur und Spannungsaufbau – und davon
abgesehen auch ein toller Song! Er beginnt nur mit einem einfachen
Drumbeat, Geigenzupfen und dezenter Gitarre im Hintergrund. Der
Gesang von Corinna Repp ist dazu verhuscht und wird erst im Laufe des
Songs immer kraft- und druckvoller. Der flehende Ausruf „Your Body
is moving, I can't find a Face“ ist das Zentrum von A Pose for No
One und diese Botschaft wird durch einen Backgroundchor, Streicher
und andere Erweiterungen des Arrangements vom zarten Beginn bis zum
dramatischen Höhepunkt getragen.
Dieser Song
schafft es gleichzeitig eine intimes Lied zu sein, das einen sofort
traurig macht und auch eine mächtige Power-Ballade mit einem nicht
zu tötenden Quäntchen Hoffnung. Sharon van Ettens fantastische
Stimme wechselt zwischen diesen Extremen mit Hilfe von zarter
Percussion und wunderbar organisch eingebauten Bläsern im
Hintergrund.
Fineshrine
ist ein merkwürdiger Song. Auf den ersten Eindruck ist es ein
eingängiges, fast beschwingtes Liebeslied. Doch ein Blick auf den
Text geben dem Song gleich eine viel düstere Richtung, ebenso wie Megan
James' Stimme, die nur schwer an einer Stimmung fest zu machen ist.
Was bleibt ist ein tolles Electro Pop-Lied mit Tiefe, leichtem
Gruselfaktor und jede Menge Interpretationsspielraum.
Die größte Überraschung an Open ist, dass
der sinnliche, an Sade erinnernde Gesang tatsächlich von einem Mann
stammt. Das tut der Stimmung dieses wunderbaren Liedes aber keinen
Abbruch – Open ist verführerische, entspannte und äußerst intime
Schlafzimmermusik, die gleichzeitig anregend ist und zum träumen
einlädt.
Night Light ist ein
eingängiger RnB-Song mit einem tollen, großen Refrain, der so
problemlos im Radio laufen könnte. Was denn Song aber von dem ganzen
Einheitsbrei dort abzeichnet, ist Jessie Wares fantastische Stimme,
warm, kraftvoll und natürlich. Die Musik umschmeichelt sie
wunderbar, ohne in die Belanglosigkeit zu verfallen. Heraus kommt ein
grandioses Liebeslied mit hohem Wiederhörwert.
Hi lebt von den
Kontrasten. Zu einem tanzbaren Sound zwischen Post-Punk und Synth Pop
singt Jamie Stewart Zeilen, die zunehmend düsterer, brutaler und
schlichtweg verstörender werden. Dazu klingt seine Stimme an manchen
Stellen nach manischer, wahnsinniger Euphorie, bevor sie wieder in
eine Verzweiflung zurückfällt, die manchmal nah am melodramatischen
ist, aber doch immer wieder einen Nerv trifft. Auch nach dem 20.
Hördurchgang bin ich immer wieder verblüfft wie es Hi schafft mir
Unbehagen in der Magengegend zu verpassen und ich trotzdem Zeilen wie
„If you are wasting your life, say hi“ laut mit singe.
Am Ende eines so abwechslungsreichen Meisterwerks wie Skelethon muss natürlich ein epischer und würdiger Abschlusstrack stehen und Gopher Guts enttäuscht in dieser Hinsicht nicht. Ein düsterer Song zwischen Melancholie und Selbstbewusstsein, der mystisch-kryptische Lyrics mit überraschend Direkten und Persönlichen verbindet.
Was macht man, wenn man in der Mitte
seines Albums ein vielseitiges, episches Meisterwerk wie Pyramids
hat? Frank Ocean schreibt einfach einen unverschämt eingängigen
Popsong, der jede Radiosendung bereichern würde und dennoch eine
gewisse Tiefe nicht vermissen lässt. Der Mann ist eine Genie...
Minutenlang besteht Mother of the World nur aus einem sich immer wiederholenden Gitarrenriff, stakkatoartigem Schlagzeug und Michael Giras aggressivem Keuchen. Viele finden das sicher anstrengend oder langweilig, doch ich finde es fantastisch – Trance durch experimentelle Musik. Der Song gewinnt dann immer mehr an Fahrt, es kommt ein ebenso simpler, wie effektiver Bass-Lauf hinzu, dann unheimliche Synths und immer eindringlichere, unverständliche Laute von Gira. Auf dem Höhepunkt macht der Song dann eine Kehrtwende und wandelt sich in die ebenso eindringliche und absolut unheimliche Swans-Version eines Folk Rock-Songs.
39. White Lung – I Rot (Punk Rock):
White Lung starten ihren Songs nicht, sie werfen den Hörer mitten in einen Dschungel aus dissonanten Gitarrenriffs, immer schneller werdenden Drums und wütend-aber-trotzdem-melodischem Gesang bis ihm schwindelig wird. Auch I Rot ist so ein musikalischer Fiebertraum, eine Pop-Perle eingepackt in fünf Schichten rotzigen, aggressiven Punk.
Die größte
Stärke des neuen Albums von The Twilight Sad sind die hypnotischen
Drums, die auf Dead City eindrucksvoll die zweite Hauptrolle neben
James Grahams unverwechselbarer Stimme spielen. Auf einem ansonsten
leider für mich eher enttäuschend plätschernden Album ist Dead
City das unangefochtene, eindringliche Highlight.
Jeder Song auf Cancer 4 Cure hätte einen Platz auf dieser Liste verdient, aber Works every Time
verbindet die alten Stärken von El-P (eine düstere, ultradichte
Produktion und einen ebenso düsteren, wütenden Text) mit der
höheren Eingängigkeit und Zugänglichkeit des neuen Albums besonders eindrucksvoll. Trotz
allem ist dieser Song, aber immer noch eine überwältigende, vor
Sarkasmus triefende Angelegenheit – Gott sei Dank!
Auf dem zweiten Album haben
The xx ihren Sound perfektioniert und noch weiter auf die wichtigsten
Elemente reduziert. Am spannendsten ist Coexist aber dann, wenn sich
plötzlich doch kleine Veränderungen in die Lieder schleichen. Swept
Away z.B. verbindet eine weiträumige, ätherische und damit
xx-typische Ballade mit einem fetten, tanzbaren Beat. Der
resultierende Song schwankt dadurch genussvoll zwischen Schlafzimmer
und Tanzfläche.
Natasha Khan hat ein Talent bombastische Songs zu schreiben, die sich dennoch immer eine Intimität bewahren und schon beim ersten Hören nicht nur mitreißen, sondern auch berühren. Lilies beginnt mit Khans Stimme, erst zart dann immer kraftvoller und variabel wie nie zuvor. Dazu gesellt sich nach und nach Orchester und Synth-Pop, umschmeichelt und vergrößert die traumhafte Erzählung, bis sie im euphorischen Ausruf „Thank God, I'm alive!“ kulminiert. Zum weinen schön!
Marriages machen eine
Mischung aus Post-Rock und Indie Rock mit definitiver Schlagseite zu
Ersterem. Heraus kommt ein Song wie Ten Tiny Fingers, der Melodien
und Methoden des Post-Rocks auf radiofreundliche Länge mit Gesang
herunterbricht ohne dabei etwas von der Intensität einzubüßen, die
etwa auch Red Sparowes, die Hauptband zweier Mitglieder von
Marriages, zu ihren besten Zeiten auszeichnete.
33. Fiona Apple –
Jonathan (Folk, Singer-Songwriter, Indie):
Halb
Liebeslied, halb Bittgesang an den namensgebenden Jonathan (ihr
Exfreund Jonathan Ames) ihre Seltsamkeiten zu ertragen, balanciert
der Song lyrisch zwischen Apples neurotischem Charme und der fast
schon unangenehmen, aber immer noch faszinierenden Selbstoffenbarung.
Musikalisch ist Jonathan so etwas wie vertonte Rastlosigkeit, eine
schwankende Klavierballade mit immer wieder überraschend explosiver
Percussion. Fesselnd und einprägsam!
Trixie Whitleys Musik
wechselt zwischen Folk, Soul und Blues, im Mittelpunkt immer ihre
gigantische, lebendige Stimme voller Leidenschaft. Irene ist der mit
Abstand sexieste und tanzbarste Song ihres Katalogs und sie
verausgabt sich in dieser Live-Version stimmlich unglaublich, nur um
dann zwischendurch ganz lässig mit dem Publikum zu scherzen. Die Zwischenrufe
stören dabei nicht, sondern runden die raue Natürlichkeit von
Whitleys Performance ab und transportieren den Hörer unmittelbar
in die erste Reihe ihres Konzerts.
Dieser Song klingt wie die vertonte Apokalypse und ist ein düsterer Höhepunkt in einer Diskographie, die sich von Beginn an mit der Ergründung von Schwärze und Negativität auseinander gesetzt hat. Nach einem melancholischen Intro mit cleanem Gesang und zarter Gitarrenbegleitung gibt es einen Moment Stille, der sich endlos auszudehnen scheint, bevor ein Riff ertönt, das wie eine Feuerwalze aus der Hölle klingt. Sänger Colin H. Van Eeckhout bekommt Unterstützung von Scott Kelly, dem Sänger von Amenras musikalischen Vätern Neurosis. Zusammen bilden sie ein fantastisches Duo, die der musikalischen Zerstörung dieses Ungetüms einen angemessen wütenden und verzweifelten Überbau geben. Der gewaltigste Song des Jahres.
Purity Ring kombinieren
hypnotischen, detailverliebten Electro-Sound, der oft sehr an The
Knife erinnert, mit einem Gesang und einer Stimmung, die zwar oft
gradlinig und poppig scheint, aber wie auf Loftcries immer einen
überraschend dunklen und nachdenklichen Anteil hat. Das führt dazu,
dass die Songs zwar sehr schnell ins Ohr gehen, aber einen auch so
schnell nicht wieder los lassen.
Sadness Comes Home verarbeitet verschiedene Converge-Trademarks und -Stärken zu einem großartigen Sound zusammen, der bekannt aber dennoch immer überraschend klingt. Der Song ist zu gleichen Teilen ein melodischer Doom-Brocken und ein hektisch-verzweifelter Hardcore-Song, schlägt dazu noch Haken ohne Ende und bleibt sofort im Gedächtnis hängen.
Seit ihrem letzten Album erlitt Cat Power einen Nervenzusammenbruch,
musste Bankrott erklären und stampfte ein fast fertiges Album wieder
ein. Das ihr neues Album Sun da nicht depressiv und düster, sondern
vielseitig und kraftvoll wurde, ist schon eine Leistung. Das es dazu
noch so gut geworden ist, einfach bewundernswert. Ruin balanciert
zwischen leichter Melancholie und Euphorie, zwischen zarter Melodie
und triumphalen Rock, ist aber vor allem wie das ganze Album mit
einer unwiderstehlichen, ansteckenden Energie aufgeladen.
Der schnelle, laute,
schmerzhaft intensive Hardcore von Loma Prieta lässt auf Biography
etwas Raum für Melodie und der Geschichte einer als Kind
verschwundene Freundin des Sängers. Das stellenweise gedrosselte
Tempo erhöht dabei sogar noch die Intensität, Wut und Verzweiflung,
die diese Band so auszeichnen.
Iamamiwhoami klingen wie eine Mischung aus The Knife und Austra und machen elektronische Musik zwischen tanzbarem Pop und dramatischer Melancholie. Kill ist ein bemerkenswerter Song, der seine Traurigkeit unter einer Electro-Pop-Hülle verbirgt, bis sie in einem dramatischen und unruhig pulsierenden Refrain herausbricht und zum aufhorchen zwingt.
Killer Mike rappt auf Don't
Die eindrucksvoll über Polizeibrutalität und von einer blutigen,
Adrenalin-getränkten Auseinandersetzung mit korrupten und
rassistischen Polizisten. Die ohnehin schon äußerst spannend
vorgetragene Story gewinnt noch an Spannung und Dynamik durch den
sich immer wieder wandelnden, Haken schlagenden Beat.
Die Texte auf diesem Album sind oft wie sehr
düstere Witze, bei denen man zwar die Pointe nie so ganz versteht, die
einem aber trotzdem zum lachen und nachdenken bringen...Und dieses
unglaublich poppige Stadion Rock-Noise-Gemisch hat mir „Excuse me
Madam, this service is a joke! I came in here for annectodes, and
left with friends i'll never sing for“, meine wohl liebste
Textzeile des Jahres beschert...
Die 16-Jährige Internetsensation Kitty Pryde macht so etwas wie
Wohnzimmer-Teenager-Rap. Ihre Stimme zwischen Entspannung, Verführung
und Langeweile passt perfekt zu ihren kleinen Geschichten über die
Jugend in der Vorstadt. The Shrekoning ist ein hypnotisches
Liebeslied, gleichzeitig irgendwie alltäglich-ehrlich und doch
sexy-ätherisch. Was den Song noch viel besser macht, ist das man
ständig das Lächeln von Pryde spüren kann – sie hat einfach Spaß
an der Musik und nimmt das ganze nicht so ernst, im Gegensatz zu den
ganzen Rap-Puristen, die mit ihr den Untergang des Hip Hops prophezeien.
Dry The River klingen
ein wenig wie die Rock-Version von Bon Iver oder den Fleet Foxes;
Falsetto-Gesang, Gesangsharmonien und wunderschöne, wenn auch oft
grenzwertig kitschige Folk-Songs. Doch Dry the River sind mehr. Der
Gesang wechselt mühelos in kraftvolle, leidenschaftliche Gefilde und
die Musik verbindet die zarten Folk-Momente mit dramatischen
Crescendos, die immer wieder absolut mühelos mitreißen. No Rest ist
eine melancholische Liebesballade, die sich langsam zu einem Folk
Rock-Lied steigert und dann in einer verzweifelten,
Gänsehaut-Liebeserklärung mündet.
Ich verstehe die Texte von Frances Quinlan nicht wirklich, aber die
Emotionen die sie mit ihrem Gesang transportiert, sind einfach der
Wahnsinn. Sie singt süß, schräg, sie flüstert und sie schreit
sich die Seele aus dem Leib während Diamond Mine im Hintergrund eine
ebenso aufreibende wie unterhaltsame Reise durch Folk, Pop und Punk
Rock unternimmt in der eine Ukulele, ein Chor und die saftige
E-Gitarre alle problemlos untergebracht werden.
Eine der renommiertesten klassischen Geigerin der Welt und ein experimenteller Pianist machen zusammen ein Improvisations-Album in Island. Dabei heraus kommen dann Songs wie das wunderschöne North Atlantic, bei dem die beiden Musiker eine riesige, lebendige Klanglandschaft erschaffen. Das Stück klingt gleichzeitig wie ein genau durchdachter Spannungsbogen und doch auch wie ein absolut spontanes und überraschendes Stück Musik, bei dem sich zwei meisterhafte Musiker gegenseitig zu kreativen Höhenflügen anspornen.
Crystal Castles wandeln
oft auf dem schmalen Grad zwischen überwältigend und anstrengend,
musikalisch wie gesanglich. In Wrath of God schleicht sich aber neben
der immer schon vorhandenen, unbändigen Energie und dem Zorn, auch eine
unglaublich erdrückende Verzweiflung und ein Schmerz, den ich so
einfach nicht bei so einer Art von Musik erwartet hätte. Nach einer
trügerisch harmlosen Eingangsmelodie verbindet sich der hämmernde
Beat und aggressive 8-Bit-Fetzen mit Alice Glass trotz aller
Verzerrung unglaublich leidenschaftlichen Stimme in einem
gigantischen Refrain, der laut gehört werden muss, um seine
hypnotische Wirkung voll entfalten zu können.
Captain Planet schreiben
fantastische Punk Rock-Songs die wie atemlose, flirrende
Momentaufnahmen aus Deinem Leben klingen. Pyro, der erste Song des
dritten Albums, klingt nach durchzechter Nacht und nach dem Morgen
danach, nach einer zerbrochenen Beziehung und einem Leben in der
Sackgasse. Aber statt weinerlich oder dramatisch, ist auch hier
wieder alles direkt, ehrlich und trotzig – Aus „Immer allein“
wird „Viva allein“ und aus einem Song unter 3 Minuten ein
Mikrokosmos der eigenen Gefühlslage.
Jessie Wares
Stimme ist einfach gigantisch. Die Kunst von Wildest Moments ist es
einen energetischen und eingängigen Rahmen für ihre Stimme zu
schaffen und Jessie Wares Kunst ist es ihre Stimme gleichzeitig ins
Scheinwerferlicht zu stellen und doch auch in den Dienst dieses
tollen Popsongs. Heraus kommt ein ebenso berührender wie tanzbarer Riesen-Hit.
Krallice
machen es dem Hörer wirklich nicht einfach. Schon ein Jahr nach dem
brillanten, überaus anspruchsvollen letzten Album, gibt es schon
wieder eine Stunde komplexen, technisch und qualitativ ebenso guten,
wie überfordernden Black Metal auf die Ohren. Und dann haben alle
Titel auch noch lediglich Striche als Namen. Doch wenn man das alles
verdaut hat, ist besonders der fast 17-minütige Abschlusstrack ein
absoluter Genuss! IIIIIIIIIIII ist ein kompromissloses Monstrum, das
zu keiner Sekunde ab lässt und nie langweilig wird, den Hörer
stattdessen komplett einhüllt. Auch wenn das Wort ausgelutscht ist,
hier muss es einfach sein – Absolut episch!
Die größtenteils sanfte und fast beschwingte Melodie von Honey Suckle ist zutiefst trügerisch. Dahinter verbirgt sich ein Song, dessen gleichzeitige Verzweiflung und Resignation kaum erträglich sind. Angela Seo, die den Song auch geschrieben hat, bildet dabei mit ihrer sanften, ruhigen Stimme die stille Verzweiflung ab, während Xiu Xiu-Frontmann Jamie Stewart mit seiner dramatischen Stimme eine gehörige Portion Verzweiflung beisteuert. Gemeinsam besingen sie ebenso effektiv, wie glaubwürdig Depression und Trauer: „Yesterday was awful, today's discolored.“
14. Kaki King – Great Round Burn (Indie Rock, Folk, Instrumental):
Kaki King ist nicht nur ein Indie-Darling, sondern zuallererst mal eine absolut fantastische Gitarristin. Und nach dem Vorgänger-Album, das mit Gesang und weniger Gitarren-Zauberei etwas ganz anderes war, kehrt Kaki King mit dem neuen Album wieder zu ihren Wurzeln zurück. Der Opener Great Round Burn ist ein dramatischer Wettkampf zwischen Kaki Kings furioser Akkustik-Gitarre und einem brodelnden Orchester-Arrangement. Der daraus resultierende Song klingt nach epischem Filmscore, hat aber auch etwas von irischer Folk-Musik. Das wichtigste ist aber, dass er scheinbar aus dem Nichts eine unglaubliche Spannung aufbaut und dann auf wunderbare Weise aufrecht erhält und damit spielt.
WIFE ist das elektronische
Nebenprojekt von James Kelly von der irischen Black Metal-Band Altar
of Plagues und für mich eine der größten Entdeckungen des
Jahres. Durch Zufall sah ich mir das Video zu dem vor ab
veröffentlichten Song Bodies an und seitdem lässt er mich nicht
mehr los. Der Song klingt wie der eindringlichere kleine Bruder
von Burial's Sound, die Musik schleicht sich langsam und hypnotisch an und transportiert doch jederzeit eine greifbare und sich langsam steigernde Intensität.
Wer hätte gedacht, dass diese schwedische Electro-Pop Band einen so melancholischen und dramatischen Song schreiben könnte? Devil's Blood ist ein gigantischer Song mit großen Melodien und großartig in Szene gesetzten Bläsern und trotzdem auch ein Song der vor Gefühlen nur so strotzt und schon beim ersten Hören zutiefst berührt.
11. Breton – Interference (Indie Rock, Electronic, Dubstep):
Breton sind eine riesige Überraschung für mich gewesen dieses Jahr und haben ein tolles Album geschaffen, das gleichzeitig absolut typisch britisch klingt und doch in jedem Song etwas neues, vielseitiges und aufregendes zeigt. Auf dem Highlight Interference mischen die Londoner eingängige Indie Rock-Melodien, einen stampfenden, wütenden Beat und eine Grundstimmung zwischen Melancholie und Wut zu einer zwingenden Indie-Hymne.
Poliça machen
Musik zwischen Electro, RnB, Pop und Goth. Dazu gibt es mit Autotune
bearbeiteten Gesang und zwei Schlagzeuger. Das dabei etwas
ungewöhnliches und ungewohntes heraus kommt ist klar, das aber so
eingängige, hypnotische und fesselnde Songs wie Amongster aus dieser
Kombination entstehen, bleibt verwunderlich, begeistert aber auch bei
jedem Hördurchgang aufs Neue.
Ich zähle diese beiden Songs als Einen, da der Übergang genauso fließend, wie wunderbar ist. In Paul hält Sarah Jaffes glasklare Stimme mühelos ein halbes Orchester in Schach, das dieser zarten Ballade immer wieder kleine Momente von Drama verleiht. The Body Wins verläuft ganz ähnlich. Hier sind es Bläser und ein fast jazziges Klavier, die Sarah Jaffes sonst eher folkigen Sound ergänzen und der Musik eine vorher nicht da gewesene Größe und Schwere geben. Trotzdem bleibt die Emotionalität und Melancholie von Jaffes Stimme nicht nur intakt, sondern kommt durch den Kontrast sogar noch deutlicher zum Vorschein.
8. Aesop Rock – Cycle To Gehenna (Hip Hop):
Perfekte Produktion und dazu tiefgründige, humorvolle, clevere und vor allem fantastisch klingende Stream of Conciousness-Raps, die man wahlweise jahrelang analysieren oder einfach auf sich wirken lassen kann. Aesop Rock ist einfach so absolut einzigartig und vereint dazu seine üblichen Qualitäten auf diesem Album noch mit einer ansteckenden Eingängigkeit. Und dann sind da noch diese letzten 90 Sekunden, mit leicht schiefem Keyboard und einem Rap, der auch nach dem 100. Hören noch unglaubliche, unaufhaltsame Gänsehautschübe bei mir erzwingt.
Wasted
Days verwandelt sich von einem wütend-schrammeligen Punk-Song in
eine minutenlange, unbehaglich brodelnde Jamsession, die schließlich in der
verzweifelnden Frage „I thought I would be more than this!“ explodiert. Der
Song ist eine Hymne an vergeudete Lebenszeit, ein erhobener
Mittelfinger an die schöne, heile Welt und reinigender kann ein
Stück Musik eigentlich kaum noch sein.
Sachen, die in diesem fast
10-minütigen Epos Platz finden: eine Geschichte über die ägyptische
Königin Kleopatra, eine Geschichte über die Prostituierte
Cleopatra, ein lockeres, tanzbares RnB-Stück und eine melancholische
RnB-Ballade, sinnvoll eingesetztes Autotune, ein stampfender Electro-Beat, Pink
Floyd-artige Synths und Gitarrenriffs, ein psychedelisches
Gitarrensolo, mehr Emotionen als 10 andere RnB-Songs zusammen und
natürlich Frank Oceans fantastische Stimme. Und am Schluss steht die
Erkenntnis, dass ich eine Musikrichtung nicht länger ignorieren
kann...
Auf der Kindred-Ep verlässt
Burial die musikalischen Pfade, die er auf seinen bisherigen Alben
und Eps perfektioniert hat und macht mit Ashtray Wasp den wohl bisher
gleichzeitig melodischsten, epischten und abwechslungsreichsten Song
seiner Karriere. Der Song hat zunächst Burial-übliche Merkmale;
blecherne Beats, hypnotische Melodien und eine detailreiche
Klanglandschaft, die nach Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit klingt.
Doch Ashtray Wasp ist größer angelegt, hat mehr Facetten als ältere
Songs und wechselt immer wieder Tempo, Stimmung und Musikrichtung
ohne das es dem Hörgenuss Abbruch tun würde. Und die letzten,
ruhigen Minuten des Songs mischen dann noch mühelos erdrückende Schwere mit
einer vorsichtigen, hoffnungsvollen Note - Ein Hörerlebnis, das den Hörer komplett verschluckt und alles andere vergessen lässt.
Anything we want passt wunderbar in Fiona Apples neues Album und überrascht doch mit seiner Simplizität und entspannten, augenzwinkernden Atmosphäre. Die Neurosen und die musikalische Unruhe der anderen Songs werden zugunsten einer verführerischen und fröhlichen Stimmung zurückgeschraubt. Apple singt dazu noch ungewöhnlich verschmitzt und sexy wunderbare Zeilen wie „And I kept touching my neck to guide your eye to where I wanted You to kiss me, when we find some time alone“. Anregend und beruhigend zugleich...wie eine sanfte Liebkosung nach der Reise durch die katastrophalen Gefühlslagen von Miss Apple.
3. El-P – The Full Retard (Hip Hop):
Wer hätte gedacht, dass die erste Single von El-P's neuem Album tatsächlich so etwas wie eine Single ist: Ein stampfender, fast tanzbarer Ohrwurm, der nicht zuletzt eingängig und leicht hörbar ist – für El-P-Verhältnisse. Denn The Full Retard ist trotz allem noch ein lärmender, wütender Track, mit einer unglaublich heftigen und dichten Produktion und natürlich bis zum Rand vollgestopft mit Maschinengewehr-artigen Raps. Der Song war die perfekte Kostprobe für ein Album, das meine hohen Erwartungen noch bei weitem übertroffen hat. Aber auch ohne diesen Kontext ist The Full Retard ein kleines Meisterwerk für Leute, die ihren Rap gerne etwas tiefgründiger, düsterer und ungewöhnlicher haben.
In den letzten Jahren ist aus dem quirligen Soloprojekt von Frances
Quinlan eine richtige Band geworden, die viel ambitioniertere Musik
macht. Quinlans Stimme klingt stellenweise nach wie vor schräg und
niedlich, aber immer öfter holt sie ihre fantastische
Röhrenstimme heraus, die sich ständig vor Gefühlen überschlägt.
Tibetan Pop Stars, das uneingeschränkte Highlight des neuen Albums,
passt sich dabei der Gefühls- und Laut-Stärke von Quinlans Stimme an
und ist ein mächtiger Punk Rock-Song im Folk-Pelz. Was die Musik von
Hop Along so einzigartig macht ist nicht nur diese mächtige,
überschwappende Gefühlswelt, sondern auch die Schwierigkeit die
Stimmung der Songs fest zu nageln. Tibetan Pop Stars etwa transportiert so viel
Schmerz und Sehnsucht, es blitzen aber auch kleine Momente von Humor auf und der ganze Song vibriert nur so vor positiver
Energie...
Die
Vertonung des viel zu frühen Todes von Anaja Plaschgs Vater ist
textlich so voller Schmerz und bodenloser Trauer, dass es beim bloßen
Hören schon das Herz zu schnürt. Die Musik hält damit noch Schritt
und balanciert mit Klavier und Elektronik zwischen stillem Unglück
und tosender Verzweiflung. So ist der Song gleichzeitig allumfassende, lebensnotwendige Trauerverarbeitung und ein
eindrucksvolles Denkmal für einen über alles geliebten Menschen.
Den letzten Teil der Liste (Filme) gibt es nächste Woche...
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