Sonntag, 9. Dezember 2012

Das Beste aus 2012 - Teil 3: Alben Plätze 10-1

Das Beste aus 2012 - Teil 2: Alben Plätze 20-11



10. Converge – All we love we leave behind  
(Hardcore/ Mathcore)


Kaum zu glauben, dass eine Band die musikalisch, ästhetisch und inhaltlich so kompromisslos ist schon seit über 20 Jahren existiert und das ohne ein auch nur ansatzweise schlechtes oder langweiliges Album produziert zu haben. Nach dem fantastischen, mit Gästen gespickten Axe to Fall ist All we love we leave behind wieder mehr back to basics. Die komplette Musik, Albumproduktion und das Artwork wurden ausschließlich von den vier Bandmitgliedern kreiert. So ein „reduziertes“ Album kann oft antiklimatisch wirken, aber bei Converge bekommt der Hörer stattdessen ein intensives, abwechslungsreiches Stück Musik, das auf die bisherige Soundentwicklung der Band seit dem Magnum Opus Jane Doe zurück greift, ohne das sich Converge dabei wiederholen würden. So einen atemlosen und atemberaubenden Beginn wie auf dem Vorgänger gibt es nicht, dafür ist All we Love... gleichzeitig abwechslungsreicher und doch auch flüssiger und in sich geschlossener als Axe to Fall, wo es auch einige Songs gab, die wenig Eindruck hinterließen.

Der Opener Aimless Arrow wartet mit fast so etwas wie cleanem Gesang auf und daneben auch mit mehr Emotionen als andere Bands in ihrer ganzen Karriere. Die Produktion ist dazu direkt, laut und dynamisch wie immer. Auf dem Rest des Albums loten Converge dann weiter ihren unverwechselbaren Sound aus. Heftige und melodische Songs wechseln sich ab, aber alle Songs haben immer wieder unerwartete Schlenker und Überraschungsmomente. So ist Sadness comes Home so etwas wie ein Doom Metal-Song gemischt mit Converges melodischer Seite, Coral Blue sogar fast so etwas wie ein epischer Rocksong und der Titelsong einfach nur eine überwältigende, musikalische Verarbeitung von Schmerz. Schwachstellen gibt es diesmal eigentlich keine und es ist eine Freude einer Band zu lauschen, die nach all den Jahren nicht nur immer noch relevant ist, sondern auch nach wie vor Spaß an der Sache hat und Erfüllung darin findet. 
 
Highlights: Aimless Arrow, Sadness comes Home, Coral Blue, Shame in the Way 


9. Dry the River – Shallow Bed 
(Folk Rock/ Indie Rock) 


Dry the River verbinden auf ihrem beeindruckenden Debüt zarten, melancholischen Folk mit dramatischer Rockmusik im Breitwandformat. Und das äußerst gut und mitreißend. Die Stimme des Sängers wechselt mühelos vom hohen Falsetto zu kraftvollen, leidenschaftlichen Ausbrüchen. Die Musik dazu fühlt sich ebenso heimisch in verträumten Folk-Balladen wie in stadiongroßen Rockgesten. Das ganze ist natürlich manchmal etwas schmalzig und melodramatisch, aber das ist bei so gelungenen Songs vollkommen in Ordnung und eine willkommene Abwechslung zu den oft so blutleeren und leidenschaftslosen Hype-Bands der letzten Jahre. Die Band an sich sieht zwar teilweise aus wie eine Mischung aus Hipster und Metalfans aus den 80ern, gleicht das ganze aber durch Humor, Bescheidenheit und ein generell sehr sympathisches Auftreten aus. Und ohne dieses Bild vor Augen spricht die Musik eigentlich auch für sich selbst. 

Auf Shallow Bed befinden sich fast ausschließlich Songs, die sich von zarten Anfängen zu dramatischen Rocksongs mit jeder Menge Bombast steigern. Doch der Bombast ist nie nur leere Angeberei, sondern wohl verdiente Belohnung einer Band, die sich musikalisch und emotional in jedem Lied verausgabt und einfach alles gibt. Vom poppigen, euphorischen Überhit New Ceremony über den explodierenden Gänsehautrocker No Rest bis zum absolut epischen Abschlusstrack Lion's Den ist Shallow Bed ein Album ohne Schwächen und voller Hits. Für Fans von Bon Iver, Mumford & Sons oder auch Biffy Clyro – vor allem auch für solche, die gerne mal wieder etwas frisches, aufregendes hören wollen - sind Dry the River ein Muss! 
 
Highlights: New Ceremony, Bible Belt, No Rest, Weights & Measures, Lion's Den 


8. Burial – Kindred 
(Dubstep/ Electronic)



Burial schafft Meisterwerke elektronischer Musik, irgendwo zwischen Dubstep und Ambient, aber meilenweit entfernt von der Lautsprecher-zerstörenden Uffta-Uffta-Musik, die seit einigen Jahren so populär als Dubstep verkauft wird. Kindred ist ein weiterer atmosphärischer Geniestreich, der den bekannten Sound von Burial perfektioniert, erweitert und irgendwie auch komplett überwindet. Die drei Songs bewegen sich zwischen 7 und 12 Minuten und sind damit deutlich länger als die meisten bisherigen Songs des Produzenten. Mehr Zeit bedeutet aber keineswegs Wiederholungen oder Langeweile, sondern mehr Raum zum Atem für diesen so einzigartig lebendigen Sound. 

Der Titelsong vermischt den gewohnten Dubstep-Beat mit jeder Menge verzerrter, körperloser aber trotzdem leidenschaftlicher Stimmfetzen und unzähliger scheinbar halbfertiger Melodien und Geräuschen, die einen dichten, beunruhigenden, berührenden und endlos fesselnden Mikrokosmos bilden. Die zwei anderen Songs der EP gehen noch deutlich weiter. Sie rücken eindringliche, manchmal fast tanzbare Melodien und Beats in den Vordergrund und schaffen epische Klang-Labyrinthe, deren Aufteilung in verschiedene Teile mit unterschiedlichen Stimmungen und wiederkehrenden Klänge und Klangmotiven fast schon an klassische Musik erinnert. Und unter diesen meisterhaft strukturierten Klangepen befindet sich dazu noch eine unglaubliche Melancholie und Gefühlsdichte, die eigentlich unmöglich scheint – vor allem mit den Mitteln scheinbar so körperloser und künstlicher, elektronischer Musik. 
 
Highlights: -

7. Poliça – Give you the Ghost  
(Indie Rock/Electronic/ RnB) 


Ich hatte Poliça überhaupt nicht auf dem Schirm und zuerst gedacht, sie würden eher langweilige Popmusik machen. Zum Glück  lag ich nicht nur total daneben, sondern habe dann doch noch mal rein gehört. Denn Give you the Ghost ist ein faszinierernder Mix aus Electro, RnB, Pop und einem leichten Goth-Vibe. Das klingt schon mal interessant, was es aber einzigartig macht, ist die absichtlich mit Autotune manipulierte Stimme von Sängerin Channy Casselle und die hektische, ominpräsente Percussion der zwei(!) Drummer, die den Mittelpunkt von Poliça's Sound bilden. Diese Kombination sorgt dafür, dass die Songs immer absolut hypnotisch sind und doch auch eine fiebrige Intensität ausstrahlen. 

Casselles Stimme verliert durch die Manipulation keineswegs an Eindringlichkeit oder Emotionalität, stattdessen scheint ihr leidenschaftlicher Gesang zu jeder Zeit aus allen Richtungen zugleich zu kommen. Die Idee den eher elektronischen Sound mit gleich zwei echten Schlagzeugern anzureichern ist ebenso ungewöhnlich. Die Beats klingen so einfach erfrischend organisch, vielseitig und oft auch angenehm überwältigend. Zusammen schafft das einen zu jeder Zeit pulsierenden, lebendigen Sound, der den Hörer von Tanzlaune bis zu tiefer Melancholie in verschiedenste Stimmungen versetzen kann. Das ist erstaunlich mit diesen Mitteln, äußerst kreativ und lädt dazu ein, sich total in der Musik zu verlieren – eine Qualität, die Poliça vor allem anderen auszeichnet. 
 
Highlights: Amongster, Violent Games, Dark Star, Lay your Cards out


6. Frank Ocean – Channel Orange 
(RnB) 


Frank Ocean hatte eine interessante Karriere bisher. Er fing an als anonymer Songwriter für Chart-Schwergewichte wie Justin Bieber oder Beyoncè und wurde erstmals bekannt als Teil der Rüpel-Rapper von Odd Future und dann als Sänger auf dem Jay-Z/Kanye West-Album Watch the Throne. Doch diese Ersteindrücke täuschen auf jeden Fall: Als Song-Writer für andere waren Oceans Talente sicherlich verschwendet, ebenso als Background-Sänger. Und mit den anderen Odd Future-Leuten verbindet ihn neben Freundschaft sicherlich nur die Frischzellenkur, die sie eher schwerfälligen Musikrichtungen verpasst haben. Denn Frank Ocean ist zu meiner Überraschung als absoluter RnB-Laie nicht nur ein fantastischer Sänger und genialer Songwriter, er schafft es auch Skeptiker wie mich uneingeschränkt zu begeistern mit seiner hervorragenden, zärtlichen Popmusik.

Frank Oceans erstes Album/Mixtape war größtenteils schon ein wunderbares Album, doch Channel Orange toppt das noch locker - Es ist besser produziert, hat noch mehr Emotionen, ist vielseitiger und besteht ausschließlich aus Hits, ohne eintönig zu sein oder sich schnell ab zu nutzen. Der Release von Channel Orange lief dabei fast Gefahr von dem großen Vorab-Hype und Oceans Outing wenige Tage zuvor überschattet zu werden. Doch glücklicherweise ist das Material einfach zu stark dafür. Neben den offensichtlichen musikalischen Qualitäten ist es vor allem die emotionale Tiefe und Wucht von Oceans Songs, die ihn für mich von den meisten anderen (Pop)-Sängern unterscheiden: Er singt auch über die große Liebe, Partys und das Ganze, aber wie er es singt! Als eines von zahlreichen Beispielen sei nur Bad Religion genannt – Ocean beichtet einem Taxifahrer eine tragische, unerwiderte Liebe und zwar mit so viel Überzeugung und Gefühl, dass die Gänsehaut nicht weit entfernt ist. 

Das ganze Album transportiert dann auch, trotz vieler lockerer Ohrwürmer immer eine Schwere, eine Traurigkeit, eine Melancholie und nicht zuletzt eine überraschende Tiefe hinter der Fassade eines Popalbums. Und dabei muss man sich immer vor Augen halten, dass alles aus der Feder und dem Mund eines gerade einmal 25-jährigen stammt! Die einzigen Gäste sind Odd Future-Kollege Earl Sweatshirt, Andrè 3000 (Ex-Outkast) und John Mayer, die jeweils entspannte und Song-dienliche Parts beisteuern. Der Rest ist die Frank Ocean-Show – und das vollkommen zurecht. Von der zuckersüßen Liebesnummer Thinkin bout you, über das mehrteilige Opus Pyramids bis hin zu Lost, dem wohl besten Radiosong 2012 (der leider nie im Radio laufen wird) ist es vor allem seine samtweiche, große Stimme, die fesselt und süchtig macht. Zum Ende bleibt mir neben unzähligen Ohrwürmern auch die Erkenntnis, dass ich die Musikrichtung RnB wohl nicht mehr so leicht ignorieren kann. 
 
Highlights: Sweet Life, Pyramids, Lost, Bad Religion, Pink Matter (feat. André 3000)


5. Breton – Other Peoples Problems
(Indie Rock/Electronic/Dubstep) 


Breton aus London sind so etwas wie die Mischung aus allen britischen Stilen, die in den letzten Jahren zu Exportschlagern wurden. Sie klingen manchmal ein wenig nach Brit Pop, öfter nach einer typisch britischen Indie-Band und dann gibt es noch jede Menge düstere Elektronik/Dub Step-Elemente in ihrem Sound. Eine der größten Leistungen dieses beeindruckenden Debüts ist es, dass Breton nie wie eine bloße Kopie oder etwas zum x-ten Mal Aufgewärmtes klingen. Stattdessen formen die Briten aus all diesen Einflüssen ein mitreißendes Album, bei dem das Collagen-hafte zur Stärke wird

Daneben ist Other Peoples Problems aber auch einfach voller Hits, tanzbare, mitreißende Hymnen mit Ohrwurmpotential. Die dramatischen Geste und der Kitsch werden dabei immer von einem schroffen Sound und einer beunruhigenden Intensität in Schach gehalten. Der Sound insgesamt ist dabei unglaublich dicht, es passiert andauernd jede Menge auf einmal und man entdeckt immer neue Details während einen die schiere Wucht der Musik immer wieder aufs neue fesselt. 
 
Highlights: Edward the Confessor, Wood and Plastic, Governing Correctly, Interference, Jostle

 
4. Aesop Rock – Skelethon  
(Hip Hop) 


Die letzten beiden Alben von Aesop Rock waren zwar auch sehr gute, originelle und endlos fordernde Stücke Rapmusik, aber es fehlte doch manchmal ein wenig die Eingängigkeit und die persönliche Note für mich. Aesop Rocks Musik war schon immer seltsam und seine Texte irgendwo zwischen brillant und unverständlich, aber auf Skelethon kommt wieder diese Eingängigkeit und emotionale Wucht aus unerwarteten Richtungen hinzu, die die seine ersten Alben so einzigartig gemacht haben.
Inhaltlich verarbeitet Aesop Rock auf Skelethon den frühen Tod eines guten Freundes, seine Eheprobleme und jede Menge persönlicher Themen. Das kann man zumindest teilweise aus den Texten erfahren oder aus Interviews und Plattenkritiken. Darüber hinaus geht es wie immer auch noch um 1.000 andere Sachen, von denen man nur 10 % versteht. Ansonsten funktionieren die Texte aber auch hier wieder als wunderbar-schräge Geschichten, als kaum verständliche Stream of Conciousness-Lehrstücke oder als endlose Quelle interessanter Wortspiele. 

Die Produktion ist insgesamt die düsterste, aber dennoch abwechslungsreichste auf einem Aesop Rock-Album. Zielstrebige Songs mit ungewöhnlich hoher Wucht haben ebenso Platz auf Skelethon wie verspielte Lieder voller schrägem Humor. Cycles of Gehenna wandelt sich von einem stampfenden, aggressiven Hip Hop-Song zu einem nur von Keyboard begleitetem, lyrischen Meisterwerk, das endlose Gänsehaut erzeugt. Racing Stripes und Grace befassen sich dagegen auf intelligente, endlos lustige Weise mit schlechten Frisuren bzw. einem Kind, das sein Gemüse nicht essen will. Der Rest des Albums befindet sich thematisch, musikalisch und atmosphärisch irgendwo zwischen diesen zwei Extremen und das Skelethon nicht nur durchgehend sehr gut ist, sondern sich auch organisch zu einem durchweg hörbaren Gesamtwerk zusammen fügt, ist eine nicht zu unterschätzende Leistung des Texters, Rappers und Produzenten Aesop Rock. Das Album endet mit dem leicht mystisch angehauchten, durchweg epischen genau so wie melancholischen Song Gopher Guts. Hier mischen sich fast schon biblisch anmutende Textzeilen mit Lyric-Fetzen, die wochenlanges Nachdenken erfordern und einem letzten Vers, der überraschend verständlich, persönlich und berührend ist Das verdeutlicht anschaulich wie Skelethon neue Stärken mit dem Appeal alter Alben verbindet. Die zwei sehr guten, wenn auch geradlinigeren Bonustracks sind dann noch mal Sahnehäubchen auf dem besten Aesop Rock-Album seit Labor Days (mindestens!). 
 
Highlights: Cycles to Gehenna, Fryerstarter, Crows 2, Racing Stripes, Gopher Guts


3. Fiona Apple – The Idler Wheel Is Wiser Than the Driver of the Screw and Whipping Cords Will Serve You More Than Ropes Will Ever Do  
(Singer-Songwriter/ Folk/ Indie) 


Fiona Apple war gerade erst 19 Jahre als ihr Debüt Tidal erschien und sie mit einem Schlag berühmt machte; ihre Songs wurden plötzlich auf MTV gespielt, sie wurde zum Kritikerliebling und Indie-Idol. Es ist also nicht verwunderlich, dass 16 Jahre später um ihr erst 4. Album ein irrsinniges Aufsehen in gewissen Kreisen gemacht wird. The Idler Wheel... ist Apples erstes Lebenszeichen in 7 Jahren, nachdem das Album wie auch schon der ewig verschobene Vorgänger auf sich warten ließ. Und wieder hat sich das Warten auf jeden Fall gelohnt. Heute wie damals nimmt Fiona Apple ihr musikalisches Talent, ihre immer präsenten Seltsamkeiten und eine schonungslose Offenheit und macht daraus unruhige, lebendige und berührende Song-Meisterwerke. Und auch wenn es manchmal fast etwas zu seltsam für Popmusik ist oder auch etwas zu direkt und persönlich, ist hier nichts gespielt. Fiona Apple ist einfach wirklich seltsam und hat diverse tiefsitzende Probleme, die sie eindrucksvoll in ihrer Musik verarbeitet – sie ist nicht einfach nur „schräg“ und „seltsam“, weil es zur Musik passt, wie unzählige Nachahmer und Kopien. Hier ist die Musik lebensrettendes Ventil und die Texte notwendige Verarbeitungen von katastrophalen Gefühlszuständen. 
 
Aber auch abgesehen von ihrer Persönlichkeit, die sich nur schwer ausblenden lässt, ist dieses Album fantastisch und vielleicht Fiona Apples bestes, sicher aber ihr (ausge)reifstes. The Idler Wheel... ist gleichzeitig minimalistisch und überwältigend. Die meisten Songs bestehen „nur“ aus Klavier, Percussion und natürlich Apples einzigartiger Stimme. Die alleine ist aber schon gleichzeitig fesselnde Geschichtenerzählerin und das Äquivalent von mindestens fünf Instrumenten; Sie singt, knurrt, schnurrt, spricht, schreit und reizt ihre Stimme in den verschiedensten Tonlagen bis zum äußersten aus. Und während das Klavier die musikalische Grundlage dazu bildet, versucht die Percussion eindrucksvoll mit Apples gesanglicher Akrobatik Schritt zu halten. Sie ist überall präsent und passt sich den Stimmungen des Liedes an, ist immer dominant ohne störend zu wirken. Die Lieder sind insgesamt sehr abwechslungsreich: Von dem triumphalen, traumhaften Opener Every Single Night, zu Werewolf, einem textlich wunderbar cleveren Abgesang auf die Liebe bis hin zu einem brodelnden Wutbrocken wie Regret, durchläuft Fiona Apple eine ganze Batterie an Stimmungen, ohne dabei den roten Faden zu verlieren. Was die Songs aber neben einer gewissen musikalischen Geschlossenheit verbindet, ist vor allem ihre Energie. Das ganze Album scheint dauerhaft unter Strom zu stehen und das steckt natürlich sofort an und reißt mit. Denn auch, wenn die Musik auf den ersten Blick Klaviermusik, Pop, Indie oder auch Jazz ist, sind die Songs von Fiona Apple mehr vertonte Gefühlsexplosionen, die ihres gleichen suchen – und das macht auch dieses Album wieder zu so einem Highlight. 
 
Highlights: Every Single Night, Jonathan, Werewolf, Anything we Want


2. Cloud Nothings – Attack on Memory
(Indie Rock/ Noise Pop/ Punk) 


Es gibt Alben, die haben ein paar Hits mit einigen Füller-Tracks dazwischen und es gibt durchweg gute Platten ohne wirkliche Highlights, die am besten am Stück gehört werden. Attack on Memory ist eines der wenigen Alben, das den Spagat zwischen beiden Extremen schafft. Jedes Lied ist ein Hit mit endlosem Abspielpotential und trotzdem ist die ganze Platte ein rundes Gesamtkunstwerk ohne Schwachstellen

Opener No Future/No Past ist dabei gleich am ungewöhnlichsten: ein Mantra-artig vorgetragenes, sich langsam hoch schaukelndes Stück pure Verzweiflung. Was dann folgt ist oft lärmige und schrammelige, aber immer überraschend eingängige Gitarrenmusik, die mich zwischen Noise und Indie auch immer wieder an die Emobands der 90er Jahre und auch mal an die Spätphase von Nirvana erinnert. Sänger Dylan Baldi nölt und krächzt sich dazu in einfachen, aber einprägsamen Texten die Seele aus dem Leib mit leidenschaftlichen Geständnissen der eigenen Unfähigkeit und trotzigen Geschichten über  das Scheitern im Leben und in der Liebe. Viel mehr über Attack on Memory zu schreiben, fällt mir schwer, da es einfach unmöglich ist die Magie, die Cloud Nothings aus so gewöhnlichen und schon so oft da gewesenen Elementen erzeugen mit Worten adäquat zusammen zu fassen. Also am Besten einfach rein hören... 
  
Highlights: Wasted Days, Fall In, Stay Useless, Our Plans, Cut You


1. El-P – Cancer 4 Cure 
 (Hip Hop) 


El-P ist ein sehr guter Rapper und ein fantastischer Produzent. Das einzige Problem, das seine Alben bisher hatten war die ständige Überforderung des Hörers. Alles war zu dicht, Schichten über Schichten von Beats, Melodien und Noise und dazu El-P's ultradichter, aggressiver und atemloser Rap-Stil. Das führte dazu, dass ein Hördurchgang zwar immer spannend blieb, aber oft auch viel zu anstrengend und fordernd war. Dieses Problem hat Cancer 4 Cure zum Glück nicht. Natürlich sind die Songs immer noch nicht eingängig im herkömmlichen Sinne – sie werden sicher niemals im Radio oder im Club laufen. Doch Songs wie das stampfende The Full Retard oder das ansteckend aufgedrehte Drones over Bklyn setzen sich schon nach dem ersten Hördurchgang im Gehirn fest und selbst das sperrigste Stück auf Cancer 4 Cure öffnet sich relativ schnell dem Hörgenuss.
Das heisst aber nicht, dass El-P seine alten Stärken vernachlässigt. Seine Raps sind nach wie vor intelligente, düstere und direkte Geschichten und er ist immer noch so aggressiv und wütend wie früher. Die Produktion ist aber natürlich auch hier wieder der wahre Star – Gigantisch, abwechslungsreich und immer auf der feinen Linie zwischen erschlagender Wucht und unerwarteter Leichtigkeit. Das alles macht Cancer 4 Cure zu einem der besten Alben dieses Jahres und einem endlos unterhaltsamen Hörerlebnis.

Das überraschendste aber ist das sich die Stücke auch nach Monaten nicht abnutzen. Meine Lieblingslieder wechseln wöchentlich und nach intensiver Beschäftigung mit Cancer 4 Cure gibt es mittlerweile keinen Song mehr, den ich als Lückenfüller oder gar als schwach bezeichnen könnte. Die Produktion ist einfach so detailliert und vielseitig, dass es nie langweilig wird. Stattdessen legt jeder Hördurchgang weitere Schichten frei und neue faszinierende Momente. Und auch wenn die übergreifende Stimmung des Albums eindeutig eine düstere und negative ist, gibt es auch so viel Humor, Romantik und Selbstvertrauen zu hören und natürlich diese überall zum Vorschein tretende Liebe zur Musik, die El-P für mich defintiv zum Musiker des Jahres 2012 machen...
 
Highlights: The Full Retard, Works every Time, Tougher Colder Killer, The Jig is Up, $4 Vic/Nothing But You+Me (FTL) 

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