The Devil and God are
raging inside me ist ein Album
das zuallererst einmal in die kleine Gruppe der Alben gehört, an die
ich keine großen Erwartungen hatte, nur um dann komplett umgehauen
zu werden. Die Band Brand New aus
New York begann mit Your Favorite Weapon als
harmlose aber unheimlich eingängige Pop Punk Band. Zwar waren es
simple Songs voll von lyrischen Rachefantasien und Selbstmitleid,
aber es machte einfach Spaß. Mit Deja Entendu folgte
eine Wendung zu einem ernstem, tiefgründigeren und für mich
deutlich überschätzten Emo/Alternative-Mix, komplett mit
klischeehaften Texten und Songtiteln. Die Band wurde trotzdem oder
gerade deswegen erfolgreich und etablierte sich als scheinbar
typische Teenie-Band, hinter der aber schon damals etwas mehr zu
stecken schien.
Das
Brand New ihre
verborgenen Stärken jedoch so umfassend präsentieren würden, damit
hatte wohl keiner gerechnet. Nach dem großen Erfolg von Deja
Entendu und dem Wechsel zu einem
Major Label wäre der nächste, logische Schritt wohl eine schwächere
Kopie des Vorgängers oder bestenfalls eine sanfte Weiterentwicklung
mit größerem Pop-Appeal gewesen. Stattdessen ist The
Devil and God are raging inside me eine
bombastische, musikalische Offenbarung zwischen wütenden Ausbrüchen
und schmerzhaft intimen Geständnissen. Es gibt auf dieser Platte
keine leichten Momente, keinen Humor und auch (fast) keine poppigen
Hits (im eigentlichen Sinne). Stattdessen ist alles so groß angelegt, so ernst und so
dramatisch, dass es eigentlich anstrengend und durchaus auch mal
peinlich sein müsste, wenn es nicht so meisterhaft und mitreißend
umgesetzt wäre. Und so lösen sich diese Einwände in
Sekundenschnelle auf. Bereits das unheimliche, stimmige Cover und
der plakative Titel wären bei anderen Bands bloß
"Emo"-Klischees, sind aber im Kontext des gigantischen Sounds von Brand
New einfach nur stimmig. Der
Titel The Devil and God are raging inside me kam
laut Sänger Jesse Lachey nach einem Gespräch mit dem manisch-depressiven und
schizophrenen Kult-Musiker Daniel Johnston zustande, passt aber auch
hervorragend um die musikalische und lyrische Achterbahnfahrt dieses
Albums, zwischen leiser Melancholie und schreiender Verzweiflung, zu
beschreiben. Musikalisch ist die dazugehörige laut-leise Dynamik mit
Anteilen von Emo, Hardcore, Indie und Grunge sicher nichts neues,
aber so expansiv und in sich geschlossen, dass sich das Gehörte sofort
meilenweit über die unzähligen, vergleichbaren Bands erhebt. Das
die Songs so frisch und roh klingen, sich aber trotzdem zu einem so
durchdachten und geschlossenen Ganzen zusammenfügen, ist sicher zum
Teil dem langen Entstehungsprozess der Musik zu verdanken. Nachdem eine Reihe von
halbfertigen Songs geleaked wurden, begann die Band frustriert noch
einmal von vorne, schrieb gänzlich neu oder veränderte das bereits Veröffentlichte noch einmal massiv. Die Frustration über den Leak
und der zunehmende Druck ein gutes Album zu schreiben, verband sich so mit den durch die lange Schreibzeit langsam gereiften Song-Gerüsten,
zu diesen überraschend großartigen Liedern.
Der
Opener Sowing Season beginnt leise und resigniert, explodiert
dann unerwartet in yeah-Rufe, die irgendwie auch noch gut und
keineswegs so peinlich klingen, wie es beim lesen klingt. Dazwischen
balanciert Jesse Lachey eindrucksvoll zwischen ruhiger Melancholie und
trotzigem Zorn. Wie alle Texte auf diesem Album sind seine lyrics hier nicht einfach
verständlich, aber nichts desto trotz poetisch und einprägsam. Der
Song endet mit den simplen aber fantastischen Zeilen „I'm not your
friend, I'm not your lover, I'm not your family!“, die zusammen mit
dem riesigen Riff einfach dazu zwingen die Faust in den Himmel zu
strecken und mit zu schreien.
Die
Single Jesus ist so etwas wie ein offener Brief an Jesus über die großen Fragen des Lebens: Was tun gegen die Einsamkeit? Warum all der der Hass? Was kommt nach dem Tod? Dabei verdient
die Band schon einen Preis dafür, den Song weder gotteslästerlich
noch übermäßig christlich daherkommen zu lassen und stattdessen
biblische Symbole in eine philosophische Gedankenspinnerei über die
typischen Fragen des Lebens einzubinden. Davon abgesehen ist Jesus
aber auch einfach ein melodischer Geniestreich.
Der
thematisch und musikalisch heftigste Song auf dem Album ist das knapp
8-mintüge Limousine (MS Rebridge), der sich mit dem Tod der
erst 7-jährigen Katie Flynn beschäftigt. Das Mädchen wurde auf der Heimfahrt von einer Hochzeit,
auf dem sie Blumenmädchen war, von einem betrunkenen Fahrer getötet. Ein solches Thema kann schnell erdrückend und schwerfällig
daherkommen, aber Brand New erzählen den Unfall aus mehreren
Perspektiven (Katie, ihre Mutter, der betrunkene Fahrer) und bilden dabei langsam eine kaum auszuhaltende
Spannung auf, die sich dann in einem kurzen Gitarrenriff entlädt, dass
die bereits angesammelte Gänsehaut noch einmal vervielfacht und meiner Meinung nach der
größte Moment auf einem Album voller großartiger Momente ist.
Der
beste Song aber bleibt für mich Degausser. Ein Degausser ist
ein Gerät zur Entmagnetisierung bzw. Datenlöschung und dient hier
scheinbar als Metapher für eine epische aber auch zerstörerische Liebe.
Sänger Jesse Lacey schwankt absolut eindrucksvoll zwischen
Resignation, Flehen und wütendem Aufschrei. Dazu gibt es gigantische
Gitarrenriffs und einen dramatischen Kinderchor, die den Song bis zum
Ende hin zu einem immer breitwandigeren Rocker machen, der emotional
aufwühlt und so schnell nicht mehr loslässt. Was diesen Song,
ebenso wie das ganze Album, so einzigartig macht sind diese alles
durchziehende Emotionalität und diese sich immer wieder entladende
Frustration, die im Gegensatz zu den Millionen so künstlich
wirkenden Emo- und Alternative Rock-Bands auch nach dem hundertsten
Hördurchgang noch überraschen, erschrecken und einfach mitreißen.
"I used to pray like God was listening.
I used to make my parents proud.
I was the glue that kept my friends together,
Now they don't talk and we don't go out."
I used to make my parents proud.
I was the glue that kept my friends together,
Now they don't talk and we don't go out."
Ältere Liebeserklärungen: hier, hier und hier
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