2013 war ein gutes Jahr für Musik, aber im Rückblick und besonders im Vergleich zu diesem Jahr, blieb nicht so viel hängen, was ich in fünf oder zehn Jahren noch oft hören werde.
Ich habe das Gefühl dieses Jahr wird das anders sein...Abgesehen von meiner klaren und unangefochtenen Nummer 1 waren dieses Jahr viele Alben dabei, die ihre Zeit brauchten um richtig zu klicken oder Alben, die ich erst spät für mich entdeckte. Dafür sind es viele Alben, die nach einer gewissen Zeit dann einen tiefer gehenden Effekt hatten und auch eine viel längere "Haltbarkeit" zu haben scheinen.
Ich habe das Gefühl dieses Jahr wird das anders sein...Abgesehen von meiner klaren und unangefochtenen Nummer 1 waren dieses Jahr viele Alben dabei, die ihre Zeit brauchten um richtig zu klicken oder Alben, die ich erst spät für mich entdeckte. Dafür sind es viele Alben, die nach einer gewissen Zeit dann einen tiefer gehenden Effekt hatten und auch eine viel längere "Haltbarkeit" zu haben scheinen.
Hier sind die 20 Alben, die ich nach nicht allzu langem Überlegen als die Wichtigsten, Unterhaltsamsten und Besten in diesem Jahr ansehe:
1. Run the Jewels – RTJ2 (Hip Hop)
Das Dream Team ist zurück! El-P und
Killer Mike hatten 2012 so viel Spaß und Erfolg bei der gemeinsamen Arbeit am letzten
Killer Mike-Album, dass sie letztes Jahr unter dem Namen Run the
Jewels ein gemeinsames Album aufnahmen. Das kostenlose Debüt
übertraf die hohen Erwartungen noch und zeigte nicht nur zwei
fantastische Rapper in Bestform, sondern auch eine unglaubliche
Chemie zwischen El-P und Killer Mike.
Und gerade ein Jahr später
veröffentlichen Run The Jewels einfach noch ein Album – so
fantastisch, dass es das Debüt wie eine Aufwärmübung wirken lässt
und die Konkurrenz wie Anfänger. Killer Mike und El-P sind beide auf
ihre Art geniale MC's, aber gemeinsam stacheln sie sich zu immer
neuen Höhen an. Und über El-P's Produktion wurde schon so viel gesagt,
sie ist einfach seit Jahrzehnten weitgehend einzigartig und so
unerreichbar, dass sie kaum kopiert wird.
Anders als auf dem fast rein "spaßigen"
Debüt kommen auf RTJ2 die Sensibilitäten der beiden Rapper wieder
zum Vorschein. Zwischen Meisterklassen in Shit Talk und Bravado gibt
es gewohnt eloquente und intelligente Texte über Rassismus,
Polizeigewalt und die amerikanische Gesellschaft.
Bemerkenswert ist das dabei alles nicht
nur zusammen passt, sondern auch immer glaubwürdig bleibt. Killer Mike
ist sozial engagiert und einer der leidenschaftlichsten und intelligentesten Kommentatoren der Proteste in Ferguson und ihrer Ursachen.
Gleichzeitig sind er und auch El-P ihren Fans gegenüber so
bescheiden, haben so viel Spaß an dem was sie tun und dem Erfolg den
sie damit auf einmal haben, dass man ihnen die kreative Angeberei,
nicht nur verzeiht, sondern auch vollends gönnt. Das sie dabei noch
vollkommen ohne Sexismus, Homophobie und sonstige Rapklischees
auskommen ist ein willkommener Bonus.
Es ist oft schwer die Musik von den
beteiligten Personen zu trennen. Im Falle von Run The Jewels wird so ein ohnehin schon geniales Album noch viel besser. Killer
Mike's politische Kommentare sind so beeindruckend wie notwendig.
Jedes Interview mit den
Beiden offenbart bescheidene Männer, die überglücklich sind mit
Ende 30 noch einmal so viel Erfolg mit etwas zu haben, das sie
lieben. Und nebenbei hat das Ganze zwei Rapper und Männer aus so
verschiedenen Welten nicht nur zusammen gebracht, sondern auch zu
besten Freunden werden lassen.
Und da ist da noch das Versprechen einer Spaß-Version des Albums, bestehend nur aus Katzen-Geräuschen, die Run The Jewels für 40.000 $ verkaufen wollten. Nachdem ein ins Leben gerufener Kickstarter diese Summe spielend aufbrachte, versprach El-P das Album wirklich auf zu nehmen, rekrutierte jede Menge namhafte Produzenten und spendete das Geld an Opfer von Polizeigewalt. Diese Leidenschaft und Glaubwürdigkeit machen das ohnehin beste Album des Jahres noch ein ganzes Stück besser.
Highlights: Oh My Darling Don't Cry, Lie, Cheat, Steal, Early (feat. BOOTS), All Due Respect (Feat. Travis Barker)
2. Angel Olsen – Burn Your Fire For
No Witness
(Folk, Indie Rock)
Angel Olsen hat eine fast schon
unheimliche stimmliche Präsenz, egal ob sie über eine einsame
Gitarre murmelt oder der aufregende Mittelpunkt überraschender
Rocksongs ist. Die Produktion klingt dazu warm und vage nach
vergangenen Zeiten, ohne das die Songs jemals Gefahr laufen altbacken
oder niedlich zu wirken. Angel Olsens Stimme ist neben ihrer Unmittelbarkeit auch unglaublich variabel: mal
wirkt alles mühelos, dann zieht sie den Hörer in dunkle Tiefen, nur
um dann Minuten später wieder kraftvoll oder verspielt zu
wirken. Die Instrumentierung folgt ihr dabei und wandelt sich von
Country, Folk, Rock n Roll bis hin zu Pop ohne jemals den roten
Faden zu verlieren.
Es fällt mir schwer ein Album angemessen zu beschreiben, das mich vom ersten Hördurchgang an so bewegt hat und bis heute wie kein anderes fasziniert. Die Vielseitigkeit macht Burn Your Fire für alle Jahreszeiten und Stimmungen zum passenden Album, Olsens Authenzität und hypnotische Präsenz zwingen fast zum immer und immer wieder hören...
Es fällt mir schwer ein Album angemessen zu beschreiben, das mich vom ersten Hördurchgang an so bewegt hat und bis heute wie kein anderes fasziniert. Die Vielseitigkeit macht Burn Your Fire für alle Jahreszeiten und Stimmungen zum passenden Album, Olsens Authenzität und hypnotische Präsenz zwingen fast zum immer und immer wieder hören...
Highlights: Forgiven/Forgotten,
Hi-Five, White Fire, Stars, Windows
3. Swans – To Be Kind
(Noise Rock,
Experimental)
Michael Gira hat den Namen Swans
gewählt, weil es schöne, majestätische Tiere mit hässlichem
Temperament seien – eine Beschreibung, die seit je her perfekt auf
die Musik seiner Band passt. Nach einer langen Pause genoß Gira seit 2010 einen zweiten (oder vierten?) Frühling, der mit dem monströsen
2-Stunden-Album The Seer einen schwindelerregenden Höhepunkt fand.
Auf To Be Kind schaffen es Swans absurderweise diese bereits schwindelnden Höhen noch einmal zu überbieten. Das
neue Album ist in seiner Klangpalette und Atmosphäre heller (bunter?) als der
Vorgänger, von Eingängigkeit ist das Ganze aber immer noch sehr
weit entfernt. Stattdessen bleibt Gira eine Art Schamane des kontrollierten Lärms, der, zusammen mit
einer perfekt eingespielten Band, den geneigten Hörer zu Trance, Erfüllung
und Ekstase führt.
Highlights: Just A Little Boy (For Chester Burnett), Bring The Sun / Toussaint L'Ouverture, She Loves Us
4. Bombay Bicycle Club – So Long, See
You Tomorrow (Indie Rock)
Nachdem ich es eigentlich gar nicht
hören wollte, schäme ich mich jetzt fast, dass ich So Long, See You
Tomorrow beinahe ungehört ignoriert hätte. Es ist ein lupenreines Indie
Pop-Album voll mit tollen Ideen und Gastmusikern, allen voran den
wunderschönen Back Up-Vocals von Rae Morris und Lucy Rose.
Bombay Bicycle Club sehen dabei zwar
immer noch aus wie eine Schulband, zelebrieren hier aber mit äußerst
ansteckender Energie und Leidenschaft euphorische Popmusik mit ebenso
viel verdientem Bombast wie tollen Gitarren-Riffs. Besonders
auffällig ist dabei die hohe Dichte der absoluten Hits, die trotzdem nicht zu Lasten der Langlebigkeit dieser Songs fallen.
Highlights: Overdone, Carry Me, Whenever Wherever, Luna
5. The War on Drugs – Lost In The
Dream
(Indie Rock, Folk Rock)
Lost in the Dream klingt jetzt schon
wie ein zeitloses Rock-Album, das seit den 60ern problemlos in jedem
Jahrzehnt erscheinen könnte und trotzdem nicht einfach Nostalgie und alt Hergebrachtes ist. Schon beim ersten Hören scheinen die Songs vertraut wie alte Freunde. Das liegt aber nicht
daran, dass The War On Drugs von anderen Bands kopieren oder hirnlose
Hits schreiben. Stattdessen sind es durchweg ausufernde und
gedankenvolle Lieder, die liebevoll, leidenschaftlich vorgetragen
werden, ohne dabei irgend etwas von ihrem Unterhaltungswert ein zu
büßen. Zeitlose Rockmusik eben.
Highlights: Under the Pressure, Red
Eyes, Eyes to the Wind, Burning
6. S – Cool Choices (Folk, Indie
"Rock")
Zwei Dinge unterscheiden Cool Choices
vom bisherigen Schaffen von Jenn Ghetto als S. Das komplette
Album ist eine Verarbeitung/Auseinandersetzung mit einer zerbrochenen
Beziehung. Das fällt nicht weiter auf, in einer Diskographie, die
sich fast ausschließlich mit (Herz)-Schmerz auseinander setzt.
Auffälliger ist der Wandel von verhuschter Schlafzimmermusik zu
voller Band und sanften Pop-Anklängen. Mit der Hilfe von Chris Walla (Ex-Death Cab
for Cutie) erweitert Ghetto ihren Sound, macht aber nach wie vor
wunderschöne, todtraurige Popsongs. So wird aus Cool Choices ein Album, das zunächst fast unauffällig daher kommt, aber schnell und lange Spuren bei dem Hörer hinterlässt.
Highlights: Losers, Vampires, Brunch,
Pacific
7. How to Dress Well – What Is This
Heart?
(R&B, Pop)
Die schrecklichen Bezeichnungen
Post-R&B oder gar Soft Rock schrecken zunächst ab, sind aber zum
Glück nur hoffnungslose Versuche dieses phänomenale Album zu
kategorisieren. Tom Krells hypnotischer, tiefgründiger R&B
steckt voller Abwechslungsreichtum und ist trotzdem ein berührendes und geschlossenes Universum von enormer Schönheit. Für
Freunde „cooler“ Musik ist dieses Album sicher ein Alptraum
voller Kitsch und „cheesiness“, allen anderen sei es auch gerade
aus diesen Gründen wärmstens ans Herz gelegt.
Highlights: Face Again, Words I Don't
Remember, Childhood Faith in Love (Everything Must Change, Everything
Must Stay the Same), A Power
8. alt-j – This Is All Yours
(Indie
Rock, Art Rock)
This Is All Yours
ist noch verschrobener als der überraschend erfolgreiche Vorgänger,
dabei zwar auf den ersten Blick mit weniger Hits, dafür aber mit
einer überwältigenden Schönheit und Melancholie ausgestattet, die
aus schrägen Songs strahlende Hymnen macht. Das alt-j mittlerweile
große Hallen füllen, kann man einer ausgeklügelten Werbekampagne
oder der Durchsetzungsfähigkeit von Qualität zuschreiben,
erfreulich ist es aber auf jeden Fall. Ich freue mich jedenfalls jetzt schon darauf noch
viele schön-schräge Alben der Band langsam auszupacken.
Highlights: Nara,
Hunger Of The Pine, Warm Foothills, Bloodflood, part II
9. Nux Vomica – Nux Vomica
(Crust Punk,
Hardcore, Death Metal, Post-Rock)
Nux Vomica vermischen auf den drei
absolut epischen Songs ihres neuen Albums die besten Elemente von
unzähligen Genres: Crust Punk, Hardcore, Melodic Death Metal,
Post-Rock und vieles mehr. Das dabei keine lose Aneinanderreihung von Ideen, sondern ein endlos unterhaltsames und mitreißendes
Gesamtkunstwerk heraus kommt, ist schon ein kleines Wunder. Das die
Songs trotz ihrer enormen Länge nie langweilig werden, stattdessen
neben der obligatorischen Härte auch noch eine emotionale Resonanz
entfalten, die ihres gleichen sucht, ist eine absolute
Meisterleistung.
Highlights: -
10. FKA twigs – LP1 (R&B)
Von ihrer ungewöhnlichen Stimme zur
detaillierten, düsteren Produktion bis hin zu Look, Musikvideos und
Tanzchoreographien hat Tahliah Barnett die volle Kontrolle über ihre
musikalische Vision. Das offenbart nicht nur ihr großes Talent,
sondern auch den Willen in der oft sehr vorhersehbaren Welt der
Popmusik etwas Besonderes, Einzigartiges zu schaffen.
Und wie schon auf den zwei EP's,
schafft Barnett das auf ihrem ersten Album scheinbar mühelos. Hilfe
bekam sie dafür von einer Galerie an aufstrebenden und etablierten
Produzenten, doch im Mittelpunkt steht immer noch Barnetts wunderbare
Stimme und FKA twigs, die gleichzeitig als vollendete Kunstfigur daher kommt und doch irgendwie authentisch erscheint.
Highlights: Two Weeks, Pendulum, Video
Girl, Numbers
11. Self Defense Family – Try Me
(Post-Hardcore, Punk)
Dieses Album zu beschreiben oder gar zu
kategorisieren fällt mir schwer und genau das macht es so aufregend.
Post-Hardcore, Spoken Word und schräge, hypnotische
Songstrukturen in allen Ecken machen Try Me zu einem fordernden
Hörgenuss. Patrick Kindlons trägt seine kryptischen, wütenden
Texte oft fast mantra-artig vor, seine kaputte Stimme immer kurz vor
dem kippen, versagen oder explodieren. Die mächtigen Riffs und das
Schlagzeugspiel wirken dazu oft zu groß und nur mühsam eingedämmt
von den umgebenden Songstrukturen. Manchmal führen diese Songs zu explosiven Entladungen, noch viel effektiver ist aber
die meisterhaft gespielte Verzögerung dieser Entladungen, die sich
in einer immer präsenten, nervösen Energie manifestiert.
Neben diesem Album brachten Self Defense Family noch eine sehr schöne, viel ruhigere EP heraus in der Caroline Corrigan die gesangliche Hauptolle übernahm, sowie unzählige Splits, Tracks und sonstige Releases. Das macht die Band zu einer der kreativsten und spannendsten des Jahres.
Neben diesem Album brachten Self Defense Family noch eine sehr schöne, viel ruhigere EP heraus in der Caroline Corrigan die gesangliche Hauptolle übernahm, sowie unzählige Splits, Tracks und sonstige Releases. Das macht die Band zu einer der kreativsten und spannendsten des Jahres.
Highlights: Turn The Fan On, Apport
Birds, Aletta, Weird Fingering
12. The Hotelier – Home, Like No
Place Is There (Emo, Pop Punk)
Der Begriff „Emo Revival“ wird in
letzter Zeit vielen tollen Alben aufgedrückt, aber hier passt es
schon. Mindestens seit La Dispute hat mich keine Band zwischen Emo,
Punk Rock, Post-Hardcore und Pop Punk so mitgenommen und -gerissen.
Von Songnamen, über die üblichen Themen, bis hin zu Christian
Holdens dramatischem Gesang, weisen The Hotelier viele Standards von
Emo- und Post-Hardcore-Bands auf. Das Ganze ist jedoch bis zum
bersten mit kleinen, wunderbaren Momenten gespickt. Und Bersten ist
sicherlich genau das richtige Wort, den Holden und seine Mitstreiter
stecken so viel Gefühl, Emotionen und Ehrlichkeit in Musik und
Texte, das jeder Vorwurf der Künstlichkeit sofort lächerlich wirkt. Dazu überzeugt das schiere Vokabular von Holden, das ihn zu einem großartigen Geschichtenerzähler macht.
Highlights: An Introduction To The
Album, Your Deep Rest, Life In Drag
13. Clark – Clark
(Electronic, IDM,
Ambient, Techno)
Das selbst betitelte Album von Clark
ist das erste, was ich von dem britischen Künstler höre und ich
kann es aufgrund mangelnder Kenntnisse weder in sein eigenes Schaffen
noch in ein Genre einordnen. Aber auch für den
„Laien“ ist erkennbar, dass Chris Clark ein spannungsgeladenes
Meisterwerk abgeliefert hat. Die durchweg düstere Stimmung des
Albums ruft apokalyptische Vorstellungen ins Gedächtnis, die sich
ebenso in beängstigendem Noise, wie in schönen, aber immer auch
beunruhigenden Melodien manifestieren. Die Songs sind aufregend
strukturierte Bruchstücke, die immer wieder unerwartete Richtungen
einschlagen und sich nahtlos zu einem majestätischen Gesamtkunstwerk
zusammenfügen.
Highlights: Unfurla, Sodium Trimmers, The Grit In The Pearl, There's A Distance In You
14. Banks – Goddess (R&B, Pop)
Jillian Rose Banks hat ein
Luxusproblem: zu viele grandiose Singles. Seit Mitte letzten Jahres
hat sie ganze acht davon veröffentlicht, die fast alle großartig
waren. Als dann endlich ihr Album erschien, war die Enttäuschung
zunächst groß, da fast alle guten Stücke schon längst bekannt
waren. Sieht man darüber hinweg, bleibt aber eine Sammlung fast
durchweg großartiger R&B-Songs. Banks Stimme ist sinnlich,
kraftvoll und emotionsgeladen. Eine beeindruckende Sammlung von
Produzenten verhilft ihr zu einem einheitlichen, düsteren Sound mit
so vielen Hits, dass man über einige Beliebigkeiten gerne hinweg
sieht.
Highlights: Alibi, Waiting Game,
Drowning, Begging For Thread
15. Hundred Waters – The Moon Rang
Like A Bell (Electronic, Art Rock)
Wenn ich Hundred Waters sehe oder höre,
denke ich manchmal, dass es doch etwas zu viel des Guten ist: Zu
schön, zu zärtlich, zu entspannend, zu perfekt. Aber dann versinke
ich in diesem genialen Album und schalte mein Gehirn aus. Nicole
Miglis schraubt ihre eigentlich tiefe, unglaubliche sinnliche Stimme mit
scheinbarer Leichtigkeit in unglaubliche Höhen. Ein gesungenes Wort
von ihr versetzt ganze Räume in staunendes Schweigen und ihre
Mitstreiter schaffen es diese Qualität noch zu unterstreichen in
dem sie pulsierende, strahlende Soundteppiche um sie weben in denen
nicht mal eine Querflöte unpassend wirkt.
Highlights: Mumurs, Cavity, Chambers
(Passing Train), [Animal]
16. Warpaint – Warpaint
(Indie Rock,
Psychedelic Rock)
Warpaint sind so fantastisch
aufeinander eingespielt, man vergisst schnell wie gut dieses
scheinbar mühelos eingespielte Album eigentlich ist. Hypnotische,
ätherische Melodien fügen sich zu Songs, die so in den Bann ziehen,
dass erst hinterher auffällt wie einprägsam und eingängig sie
eigentlich sind. Hier fügen sich perfekt zusammen passende Teile
nicht zu glatter Langeweile, sondern zu einem wunderbar
anschmiegsamen Indie Rock-Album zusammen.
Highlights: Keep It Healthy, Love Is To
Die, Disco//Very, CC
17. Caribou – Our Love (Electronic)
Nach flüchtigem Hören war die
Enttäuschung erst mal groß: Das klang ganz anders als der tolle
Vorgänger und es klang viel mehr nach beliebiger elektronischer
Musik zum nebenbei hören. Doch zum Glück gab ich nicht so schnell
auf und es offenbarte sich nach und nach ein großartiges Album,
deutlich tanzbarer als die bisherige Musik von Daniel Victor Snaith
und doch unverkennbar Caribou. Die Songs ergeben auf den ersten Blick
kein geschlossenes Ganzes, glänzen dafür mit viel Abwechslung und
unzähligen Nuancen. Das Our Love mit etwas Geduld nicht nur als
„Hit“-Sammlung funktioniert, sondern auch als Gesamtkunstwerk
ohne Schwächen oder Füller ist eine schöner Bonus.
Highlights: All I Ever Need, Our Love,
Second Chance, Back Home
18. Cold Specks – Neuroplasticity
(Soul)
(Soul)
Cold Specks ist die Musik einer
26-jährigen Kanadierin, die aus Rücksicht auf ihre religiöse
Familie unter dem Pseudonym Al Spx arbeitet. Ihre kraftvolle,
raumfüllende Stimme erinnert an christliche Spirituals und Gospel,
aber mit deutlich düsteren Untertönen. Auf ihrem neuen Album wird
der musikalischen Mischung aus Soul, Jazz, Gospel und Folk nicht nur
mehr Experimentierfreudigkeit, sondern auch eine dunklere Seite
hinzugefügt, weswegen Cold Specks Musik von Kritikern gerne als Doom Soul bezeichnet wird.
Dazu passen die Gastauftritte von Swans-Sänger Michael Gira und Spx
kryptische, dramatische Texte.
Noch mehr wie bei ihrem Debüt-Album
ist es aber wieder diese imposante Stimme, die mit unzähligen
Nuancen der Musik eine Seele jenseits musikalischer Kategorien verleiht. Al Spx könnte damit mühelos
ganze Hallen zum Schweigen bringen, sie offenbart aber auch immer
eine Verletzlichkeit und Wärme. Dieser Kontrast wird auch in ihren Texten offenbar: Während sie in der Mitte des Albums noch selbstbewusst "I remain unshakeable" donnert, beendet sie es mit dem brüchigen Geständnis "I got an unrelenting desire to fall apart".
Highlights: Bodies At Bay, Let Loose
The Dogs, Absisto, A Season Of Doubt
19. Gridlink – Longhena (Grindcore)
Es passiert selten, dass Metalalben mir
noch durch eine Mischung aus musikalischer Virtuosität, extremer
Härte und enormer Spielfreude ein andauerndes, debiles Grinsen aufs
Gesicht zaubern. Das letzte Mal geschah das bei dem letzten Black
Metal-Hirnfick von Krallice und dieses Jahr ganz unverhofft bei
Gridlink. Aber auch wenn diesen beiden Bands eine unglaubliche
Intensität gemeinsam ist, gibt es auf Longhena doch lupenreinen
Grindcore zu hören. Die kurzen Songs und pausenlose Härte in diesem
Genre bedeutet für mich oft Langeweile oder Kopfschmerzen, doch
Gridlink räumen diese Bedenken durch enormen Einfallsreichtum und
geniales Songwriting aus. Es klingt absurd, aber dieses Album kann
gleichzeitig als kompromisslos, leidenschaftlich und irgendwie
eingängig bezeichnet werden.
Es ist schade, dass Longhena schon vor
Veröffentlichung als das letzte Album der Band geplant war, aber
wirklich tragisch, dass Gitarrist Takafumi Matsubara nach einer
Hirninfektion wohl nie wieder Gitarre spielen kann. Aber gerade auch
deswegen ist es schön, dass sein möglicherweise letztes Album ein
solches Highlight ist.
Highlights: Constant Autumn, Stay
Without Me, Retract Perdition, Island Sun, Look To Windward
20. The Notwist – Close To The Glass
(Electronic, Indie Rock)
The Notwist vermischen schon lange detailverliebte elektronische Musik mit
verschrobenen Indie Rock-Melodien. Nach mindestens einem allgemein
anerkannten Meisterwerk und einer innovativen, einflussreichen
Karriere waren die Erwartungen an ein neues Album sicher hoch. Das eher ruhige und
zunächst unauffällige Close to the Glass brachte abgesehen von dem
„Hit-Song“ Kong nur wenig Aufmerksamkeit. Absolut zu unrecht,
denn nach einiger Zeit fräsen sich die hypnotischen, perfekt
konstruierten Songs allesamt zunächst unbemerkt in die Gehörgänge
und bleiben dort auch – dieser lange Atem ist eine
Qualität, die so vielen Alben heutzutage abgeht.
Highlights: Kong, Into Another Tune,
Run Run Run, They Follow Me
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