Samstag, 30. März 2013

Mein März in Film und Musik

Musik:


Cerulean Salt ist ein bemerkenswertes und ein überraschendes Album geworden. Bemerkenswert, weil es schon die zweite Platte des alleinigen Projekts von Katie Crutchfield ist, die mit gerade einmal Mitte 20 schon in diversen Bands und Projekten (allein und mit ihrer Zwillingsschwester zusammen) spielte von Punk Rock bis hin zu Lo-Fi-Musik. Und überraschend, weil es eben diese im Schlafzimmer produzierten, kleinen Songs der Vorgängerplatte austauscht gegen einen mutigeren, abwechslungsreicheren und einfach deutlich ausgereifteren Sound. Mehr Instrumente, mehr Stile und vor allem mehr Kraft und Selbstbewusstsein in Crutchfields Stimme, erzwingen das unbedingte Zuhören auf Cerulean Salt. Dabei bewahren sich alle Songs zum Glück trotzdem noch die Intimität früherer Schlafzimmer-Produktionen und die kantige Frische ihrer Punk Rock-Wurzeln.

Die größte Stärke von Waxahatchee ist aber wie hier kraftvolle, schöne Musik, die sich durchaus jede Menge Eingängigkeit erlaubt, mit so absolut direkten, brutal ehrlichen Texten zu großartigen Songs verbindet. Ich habe mein persönliches Album-Highlight Peace and Quiet an einem Tag an die 30 Mal gehört und war jedes Mal wieder davon fasziniert wie ein auf den ersten Blick so kleiner und simpler Song mich gleichzeitig mit seiner Leichtigkeit einfängt und doch jedes Mal wieder voll in die Magengrube trifft. Das gilt für mehr oder weniger alle der 13 Lieder auf Cerulean Salt und macht das ganze Album zu einer seltenen Meisterleistung. Immer wieder gibt es diese so unglaublich treffenden und wahren Sätze aus Katie Crutchfields Mund, in deren Texten sich Lakonie und Poesie unvergleichlich gut die Klinke in die Hand geben. Mit der Mischung aus wütendem Punk Rock und resignierten Folk gibt es dazu die perfekte musikalische Untermalung für ein Album, das direkt ins Herz trifft und gleichzeitig im Kopf hängen bleibt.

Die Musik von Phosporescent ist wirklich zum weinen schön. Diesen Ausdruck verbinde ich oft mit der Musik von Sigur Ros, deren Lieder es immer eindrucksvoll schaffen eine oft überwältigende Melancholie mit warmer Euphorie zu einem verwirrenden, aber zutiefst bewegenden Hörerlebnis zu verbinden. Und auch wenn die Musik von Matthew Houck alias Phosporescent musikalisch nur wenig mit den Isländern gemein hat, mischt er ebenso gekonnt widerstrebende Stimmungen zu wundervollen Liedern.

Im weitesten Sinne sind die Songs auf Muchacho altmodischer Folk, inklusive einer ganzen Batterie von Instrumenten und einem groß angelegten, warmen Sound. Houcks Stimme ist kratzig und nicht außergewöhnlich kraftvoll, zieht den Hörer aber sofort mit seiner Ausdrucksstärke in den Bann. Und die wunderbar detaillierte Musik hält damit mühelos Schritt. So ist das wunderbare Song for Zula gleichzeitig ätherische Ballade und lebhafte Hymne, während der Gesang zwischen Reue und Triumph, zwischen Trauer und Euphorie schwankt. Und diese Dualität zieht sich durch alle folgenden Songs, von dem überraschend rockigen Ride On / Right On - „Let's Go for A Ride, Hej You turn me right on“ - zu einem tief traurigen Song wie A New Anhedonia - „Oh, it's unbearable then, to find you feeling so terrible, friend“.

Wenig erstaunlich lesen sich die Texte alle wie persönliche Gedichte, die es verdienen genau gelesen zu werden, auch wenn es schwer fällt nicht einfach in den Songs zu versinken. Und auch wenn das meiste hier traurig und schmerzhaft zu lesen ist – es verarbeitet nach Houcks eigenen Worten „My Life falling apart“ - gibt es ebenso wie in der Musik nicht bloß Schmerz und Selbstmitleid. Auch hier schleichen sich Optimismus, stolzer Trotz und sogar wieder diese leise Euphorie in die Lyrics. 

Daughter waren für mich eine der aufregendsten Newcomer der letzten Jahre. 2011 veröffentlichte Elena Tonra, damals noch solo, zwei EPs, die ebenso schön, wie erdrückend traurig waren. Tonras Stimme lässt einen einfach sofort alles vergessen und zieht in den Bann. Dazu schreibt sie Texte, die bei genauem Hinhören immer wieder das Herz schwer werden und den Mund fassungslos offen stehen lassen. Auch auf dem ersten Album If you leave zwei Jahre später ist es nicht anders. Tonra singt mit dieser Wahnsinns-Stimme über zerbrochene Liebe und andere schmerzhafte Lebenserfahrungen. Mit nur einem Satz schafft sie es immer noch mein Herz schwer werden zu lassen. Unterstützt wird sie dabei jetzt von einer richtigen Band, die Daughters Mischung aus verträumten Folk und leichten Anklängen von Post Rock unaufdringlich anreichern.

Die Songs, die zur Hälfte bereits vorher bekannt und/oder in anderen Versionen veröffentlicht waren, werden durch prominentere E-Gitarre und Schlagzeug teilweise mit einem detaillierteren Soundteppich versehen oder einfach mit etwas mehr Wucht ausgestattet. Am besten klappt das auf dem im Albumkontext fast schon fröhlichen, vor allem aber rockigen Human oder aber auf dem hypnotischen Tomorrow, auf dem sich Tonras zärtlich-verzweifelter Gesang eindrucksvoll mit tösendem Post Rock verbindet. Das vorab veröffentlichte Smother, fast schon zu schmerzhaft zum hören, ist ein weiteres Highlight und erinnert am ehesten an den reduzierten Sound der EPs. Mein Lieblingslied der Eps – Youth – verliert dagegen durch die zusätzliche Instrumentierung leider etwas von seiner Unmittelbarkeit, der Text bleibt aber nach wie vor zutiefst erschütternd. Ansonsten profitieren die Songs aber meistens vom größeren Sound der Band, sogar laute, fast lärmende Passagen haben einen Platz auf If you Leave um den Kontrast zwischen der Schönheit von Tonras Stimme und der Dunkelheit ihrer Worte zu überbrücken. Neben der alles zertrümmernden Traurigkeit, gesellt sich so an manchen Stellen vertonte Wut und notwendige Entladung.
Insgesamt kann das Album meine astronomischen Erwartungen nicht ganz erfüllen, trotzdem ist If you Leave ein absolutes Hörerlebnis und eines das mit zunehmenden Durchgängen immer weiter wächst, vor allem in diesem nicht enden wollenden Winter...
 
Raphaelle Standell-Preston und Alexander Cowan machen einen Soundtrack zum Träumen – Warme, psychedelische und entspannende Pop Musik, die doch immer wieder ungewöhnliche Wendungen nimmt und den Hörer in eine hypnotische , andersartige Welt entführt. Standell-Preston ist auch noch in der gitarren-lastigeren Band Braids, die viele Ähnlichkeiten mit Blue Hawaii aufweist und doch ganz anders klingt. Denn wo Braids aus ungewöhnlichen Melodien und Sounds eingängige, wenn auch angenehm schräge Popmusik macht, geht Blue Hawaii den umgekehrten Weg. Die Beiden Musiker nehmen die zauberhafte Stimme von Standell-Preston und jede Menge elektronisch-poppige Melodien und dekonstruieren sie dann mit viel Gusto. Stimme und Musik werden zerstückelt, manipuliert und dann wieder zusammen gesetzt. Heraus kommen kühle, gespenstische Songs, aus denen sich langsam und unerwartet doch wieder Pop-Melodien oder sogar Musik für die Tanzfläche heraus schälen.

Am besten gelingt das auf dem herzergreifenden Try to Be, das trotz oder auch wegen all der Dekonstruktion immer noch ein lupenreiner Dream Pop Song bleibt. Andere Highlights sind Sierra Lift, ein Song der die stimmliche Manipulation auf die Spitze treibt und daraus überraschenderweise eine große emotionale Wucht gewinnt und der In Two-Zweiteiler, der sich fließend von einem hypnotischen Popsong in einen hypnotischen Electro-Song wandelt. Am besten aber funktionieren die Songs als Ganzes, als eine abwechselnd einlullende und dann wieder wachrüttelnde Reise durch eine elektronische Klanglandschaft.

Chvrches haben erst zwei Singles und diese EP veröffentlicht, wurden aber bereits letztes Jahr von diversen Plattformen von Spiegel Online bis Pitchfork als einer der interessantesten Newcomer 2013 auserkoren. Doch hinter dem herrlich frischen Electro-Pop der Band, die es nur für kurze Zeit mit Anonymität versuchte, stecken keine blutjungen Anfänger, sondern schon lange etablierte Mitglieder der Glasgower Indie-Szene. Iain Cook war Mitglied der großartigen Aereogramme und ist jetzt Teil der Nachfolgeband The Unwinding Hours, Martin Doherty war Tour-Mitglied der ebenso großartigen The Twilight Sad. Gemeinsam versuchten sie sich an einem elektronischen Nebenprojekt und holten sich Lauren Mayberry ins Boot, Sängerin der Post-Rock-Indie-Band Blue Sky Archives.

Heraus gekommen sind Synth Pop-Songs, die ein wenig an The Knife oder Purity Ring erinnern, aber viel offener mit ihrer Poppigkeit und Eingängigkeit umgehen. Bei den Melodien und Texten scheint aber dann doch die Vergangenheit der drei Musiker durch und ihr Anspruch nicht bloß hirnlose Popmusik zu machen. Das Ergebnis sind auf Recover drei spannende Songs, die auf der Tanzfläche, im Radio aber auch zuhause im dunklen Schlafzimmer funktionieren und Lust auf mehr machen. Der abschließende Remix des Titelsongs zeigt dann noch das große Potential der Chvrches-Songs in dieser Hinsicht. Man kann nur hoffen, dass Chvrches seinen Mitgliedern neben dem unzweifelhaften kritischen Erfolg, auch endlich einmal etwas finanzielle Stabilität bringen wird.

Auf dieser 7'' geht Anja Plaschg ihren musikalischen Weg zwischen ergreifender, klassisch anmutender Klaviermusik und modernen, verstörenden Klangwelten konsequent weiter. Doch die drei Songs hier klingen noch größer und wuchtiger, als das meiste, was Soap & Skin vorher produziert hat. Me And The Devil klingt dank dramatischen Streichern und kraftvollem Gesang riesig und leidet in meinen Augen nur darunter, dass sowohl das brillante Original von Robert Johnson, als auch das fantastische Cover von Gil Scott-Heron noch zu gut im Gedächtnis sind. Pray ist eine wunderschöne, todtraurige Klavierballade, die aber deutlich mehr Wucht hat, als die ruhigeren Songs auf Plaschgs letzter EP Narrow. Uneingeschränktes Highlight ist jedoch der Titelsong, der es schafft einen tanzbaren Beat mit einem lateinischen Chor und einem Vibe abgrundtiefer, verstörender Verzweiflung zusammen zu führen. Die manipulierten Schreie zu Beginn klingen fast ein wenig zu echt und die zentrale Zeile „Try to break one's heart in perpetuity“ tut ihr übriges. Das der Song irgendwie trotzdem auch noch eingängig ist, ein kleines Wunder...

Musik Videos: 

Passion Pit – Cry Like A Ghost
Die Protagonistin des Passion Pit-Videos tanzt sich aggressiv und manisch durch den Schmerz zerbrochener Beziehungen. Parallel dazu sehen wir in beeindruckend choreographierten und gefilmten Bildern eben diese vergangenen Beziehungen im Schnelldurchlauf. Ein fantastisches Video, dass sicherlich äußerst viel Planung benötigte und wie ein modernes Action-Ballett wirkt. 

Altar of Plagues – God Alone
Progressiver Black Metal mit Grindcore-Einflüssen ist sicher nicht die Sache der meisten, aber dieses faszinierende Schwarz-Weiß-Video würde auch ohne Ton funktionieren. Drei Frauen und ein Mann tanzen etwas, das wie eine Mischung aus Ritual, Vorspiel und Erkundung des menschlichen Körpers anmutet. Das diese Bilder mit der Musik zu einem hypnotischen Ganzen verschmelzen ist bemerkenswert und dürfte für einige rauchende Köpfe bei altmodischen Metal-Fans sorgen.

Tokimonsta ft. MNDR – Go with It
Ein erfolgreicher, oberflächlicher und innerlich zutiefst unglücklicher Mann wird von einem vermeintlichen One Night Stand entführt und in der Wildnis ausgesetzt. Von dort beginnt seine Reise zurück zu seinem Ich und zu der Frau seiner Träume. So könnte man das Video zu Go with It beschreiben. Vor allem aber erzählt es eine vollständige Geschichte in hochwertigen, verträumten und romantischen Bildern. Die ungewöhnliche Stimme von MNDR und der Percussion-lastige Sound von Tokimonsta halten den dazugehörigen Song davon ab einfach nur austauschbare Popmusik zu sein und untermalen das Gezeigte dazu noch wunderbar.

Marnie Stern – Immortals
Marnie Stern träumt in diesem Video davon ein Rockstar zu sein. Eigentlich ist sie das ja schon längst und diese Fantasie zeigt genau wie ich mir ein Marnie Stern Konzert vorstelle. Sympathischste Gitarren-Fricklerin ever!

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