Cobalt - Slow Forever
Cobalt war das gemeinsame Projekt von Phil McSorley und Eric Wunder.
Sie veröffentlichten drei Alben, die sich immer weiter vom anfänglichen Black
Metal-Sound der Band entfernten und dabei immer ambitionierter wurden. 2013
trennten sich die Musiker, rauften sich wieder zusammen, dann wurde McSorley
nach einem frauen- und schwulenfeindlichen Ausfall endgültig von
Wunder aus der Band geworfen. Das war nicht nur menschlich eine sehr gute
Entscheidung, sondern auch musikalisch. Denn mit dem neuen Sänger Charlie Fell
nahm Wunder mal eben ein absolutes Biest und unbedingtes Meisterwerk auf. Slow
Forever ist für mich das beste Metalalbum seit langer, langer Zeit!
Dabei ist es wirklich schwierig zu beschreiben, was für Musik Cobalt
jetzt eigentlich machen. Es wird oft immer noch als Black Metal beschrieben,
aber damit hat es eigentlich nur noch wenig zu tun. Stattdessen erinnern die
Songstrukturen mal an Death Metal oder Sludge, die Stimmung der Songs an Bands
wie Neurosis oder Swans, die Energie und Wut der Band sogar an Crust Punk oder
Hardcorebands. Dazu gibt es Intros und Zwischenstücke, die Elemente aus
Americana, Folk, fast schon orientalische Melodien und eine Rede von Ernest
Hemmingway nahtlos in den Sound der Band einbinden. Gemeinsam ist allen gigantischen
Songs dieses Epos aber auf jeden Fall dieses euphorische, mitreißende Gefühl,
dass die allerbesten Metalalben auszeichnet.
Einen großen Teil zur Stärke des Albums trägt auf jeden Fall Charlie
Fell bei, der auf Slow Forever wirklich alle Kriterien eines Metalsängers
erster Güte erfüllt. Er klingt meistens absolut dämonisch, bleibt dabei aber
variabel und absolut menschlich. Er schreit sich die Seele aus dem Leib,
seine Worte und damit auch seine genialen Texte bleiben dabei aber immer
verständlich. Diese handeln von Sucht, Gewalt, (sexueller) Frustration und
ähnlichen Themen und jeder Song hat mindestens eine einprägsame, erschütternde
Zeile - doppelt so aufgrund Fells unglaublicher Intensität.
Eric Wunder spielt dazu alle Instrumente auf dem Album und sorgt dafür,
dass diese Zwei-Mann-Band wie ein eingespieltes und überwältigendes Monstrum
wirkt. Die meisten Songs überschreiten die 7- viele sogar die 10-Minuten-Grenze,
aber im Gegensatz zu vielen anderen Metalbands füllt Wunder diese Längen nicht
mit langsamen Aufbau oder Wiederholungen aus, sondern mit einer ständig in Bewegung bleibenden,
unablässigen musikalischen Attacke. Die Lieder jagen von einem Höhepunkt zum
nächsten und sind voller genialer Momente. Dadurch scheint es beim Hören
gleichzeitig als ob das Album den Hörer komplett umschließt und niemals endet und dann trotzdem irgendwie immer noch zu kurz ist. Das Songwriting ist auf so hohem Niveau, die Songs so kraftvoll - sie würden wohl sogar nur auf einer akustischen Gitarre überwältigend klingen.
Es ist für mich selten, dass mich ein Album so überwältigt, dass ich es nicht nur kaum adäquat beschreiben kann, sondern es auch kaum aushalte vor lauter Gänsehaut und Adrenalin beim Hören. Wie kann Metal nur so majestätisch und gewaltig klingen und doch auch so dreckig, brutal und direkt? Ein Meisterwerk!
Es ist für mich selten, dass mich ein Album so überwältigt, dass ich es nicht nur kaum adäquat beschreiben kann, sondern es auch kaum aushalte vor lauter Gänsehaut und Adrenalin beim Hören. Wie kann Metal nur so majestätisch und gewaltig klingen und doch auch so dreckig, brutal und direkt? Ein Meisterwerk!
Lieblingslieder: Hunt The Buffalo, King Rust, Cold Breaker, Elephant
Graveyard
Poliça - United Crushers
Auch auf dem dritten Album von Poliça
lebt die Band von ihren scheinbaren Widersprüchen. Sie machen so etwas wie RnB
mit elektronischer Schlagseite, aber mit zwei Schlagzeugern; poppig direkt,
aber auch irgendwie ätherisch und verschroben. Ihre Songs schweben oft am Hörer
vorbei, aber immer wenn man geneigt ist es als "Musik zum Nebenbei
hören" zu beschreiben, erzwingen ungewöhnliche Sounds oder die
eindringliche Stimme von Channy Leaneagh wieder zu voller Aufmerksamkeit.
Leaneagh ist noch mehr als auf
den vorherigen Alben der faszinierende Mittelpunkt von united chrushers. Ihre
Stimme ist bearbeitet und effektbeladen, aber ihr Wut, Schmerz, Erschöpfung,
ihr massives Charisma kommen trotzdem mühelos durch. Die Band nutzt ihre Stimme
sicherlich wie ein Instrument, aber mehr noch als bisher bleibt sie immer auch
eine unmittelbare, zutiefst menschliche Präsenz. Im Gegensatz zu den beiden
persönlichen, vorherigen Alben der Band, sind ihre Texte diesmal, nach eigener
Aussage, politischer. united chrushers ist aber trotzdem nicht wirklich ein
Protestalbum. Zum einen sind Leaneaghs Texte oft kryptisch und bruchstückhaft,
zum anderen strahlt die Musik von Poliça besonders auf diesem Album
Erschöpfung, unterdrückte Wut und Melancholie aus, die das Ganze doch wieder
sehr persönlich anmuten lassen.
Das soll aber nicht heißen,
dass United Crushers nicht erfolgreich ist. Im Gegenteil, kann es das Album sogar
locker mit dem fantastischen Debüt der Band aufnehmen. Es klingt dringlich,
erweitert die Soundpalette der Band erfolgreich und hat eine große Anzahl an
packenden, unverwechselbaren Songs. Das alles kann man leicht verpassen, da es
einen vielleicht nicht sofort packt. Stattdessen ist es definitiv ein
Kopfhöreralbum, auf dem die Band mit Liebe zum Detail Songs webt, die das
aufmerksame Hören und etwas Geduld belohnen. Dafür gibt es dann ein zutiefst
faszinierendes Stück Musik, das nach hinten raus sogar noch immer stärker
wird.
Lieblingslieder: Someway,
Wedding, Top Coat, Berlin, Lose You
Låpsley - Long Way Home
Holly Lapsley Fletcher ist erst 19 Jahre alt, veröffentlicht aber
bereits seit 3 Jahren selbst produzierte Popsongs mit RnB- und Trip
Hop-Einflüssen, die ihr neben viel Lob ebenso schmeichelnde, wie passende
Vergleiche mit Adele, James Blake und the xx eingebracht haben. Ihr erstes
Album vermischt nun diese Einflüsse mit einer tollen Stimme und wirklich
enormen Songwriting-Talent. Ich habe nur leichte Probleme die verschiedenen Seiten der
Künstlerin beim Hören unter einen Hut zu bringen, auch wenn mir fast alles
gefällt, was ich höre...
Aufmerksam geworden auf Låpsley bin ich durch ihre wunderschönen ersten
Songs, bei denen sie es schaffte aus einem Sound, der sehr an James Blake
erinnerte, etwas durchweg Eigenständiges zu zaubern. Begleitet von oft minimaler
Instrumentierung setzte sie ihre beeindruckende Stimme und jede Menge Effekte
ein, sang mit sich selbst im Duett und rang unglaubliche Emotionen aus, auf dem
Papier kühlen Songs, heraus.
Die neueren Songs öffneten sich dagegen immer mehr dem Pop und der
großen Geste. Låpsley entwickelte scheinbar mehr Selbstvertrauen in ihre tolle
Stimme und orientierte sich generell mehr an den 80ern und der dramatischen Popmusik.
Auf Long Way Home stehen diese Art von Songs jetzt nebeneinander und es
wirkt manchmal als seien es zwei EP's einer Künstlerin, die sich nicht so
richtig entscheiden konnte. Und auch wenn beide Hälften mehr oder weniger
großartig sind, ist der Übergang oft wirklich abrupt. Die triumphalen Hits Heartless, Hurt
Me und besonders Love is Blind, könnten nicht nur wegen der ähnlichen Stimme
auch von Adele stammen (nur mit deutlich weniger "Drama"). Operator (He Doesn't Call
Me) wirkt wie ein aus der Zeit gefallener Popsong, der heute wie in den 80ern sicher als Radiohit
funktionieren würde. Doch direkt daneben steht auf dem Album das etwas ältere
Painter, ein zum Weinen schönes, intimes Schlaflied. Und vor dem bereits
erwähnten Love is Blind steht der Song Station, eine Meisterklasse der minimalistischen
Soundmanipulation.
Wo die Reise für Låpsley wohl langfristig hingehen wird, zeigt das Album
aber auch. Die geradlinigen, nostalgischen Popsongs überwiegen hier deutlich
und es gibt auch Songs, die sich etwa mittig zwischen den verschiedenen
Einflüssen ansiedeln. Doch auch wenn ich das musikalische Mischmasch auf Long
Way Home nicht immer gut finde, wäre es schade, wenn die Sängerin in Zukunft
nur noch eine experimentelle Version von Adele bleiben würde. Lieber hoffe ich
auf eine Låpsley, die weiterhin so gute, unterschiedliche Songs produziert,
auch wenn dabei kein einheitlicher Sound oder ein schlüssiges Hörerlebnis
heraus kommen.
Lieblingslieder: Hurt Me, Falling Short, Operater (He Doesn't Call Me),
Painter
Alessia Cara - Know-It-All
Das erste Album des kanadischen
Pop-Wunderkinds hat ein typisches Luxusproblem: Die ersten fünf Songs sind
einfach die komplette EP von Alessia Cara aus dem letzten Jahr. Und die ist
eigentlich ziemlich perfekt. "Here", ihr größter Hit, ist immer noch
überraschend - ein Popsong, der mehr nach Trip Hop klingt und auf dem Cara
ehrlich über ihre Abneigung sinnloser Partys singt. Die übrigen Songs der EP
sind typischere Poplieder, irgendwo zwischen Taylor Swift und Carly Rae Jepsen,
wobei die Energie, Persönlichkeit und Energie zum Glück mehr an Zweitere
erinnern. Die Themen sind dabei typisch für Teenager: Liebe, Freundschaft,
Selbstfindung. Nichts weltbewegendes, aber sympathisch vorgetragen und nicht
ganz so oberflächlich.
Bei Kenntnis der EP kann der
Rest des Albums dann nur etwas enttäuschend sein, da die neuen Songs nicht ganz
an die Qualität heran reichen und etwas wie Fremdkörper wirken. Die neue Single
Wild Things ist nicht schlecht, klingt aber ein wenig nach Selbstkopie.
Dasselbe gilt auch für den Abschlusstrack Scars To Your Beautiful. Bleiben die
beiden Balladen Stone und Stars, die ungewohnt sind, aber auf jeden Fall
Potential haben und das grausig glatt polierte Overdose.
Insgesamt bleibe ich dann doch
lieber bei der EP, aber Alessia Cara hat auf jeden Fall genug Talent und
Charisma ein Star zu werden und es könnte wirklich schlimmeres in den Charts
geben.
Lieblingslieder: Seventeen,
Here, I'm Yours, Stone
2 Chainz - COLLEGROVE
Collegrove ist auf dem Papier
ein Soloalbum von 2 Chainz, aber Lil Wayne ist auf 8 der 12 Tracks als einziger
Gast vertreten und das Cover zeigt 2 Chainz mit dessen Gesichtstätowierungen. Es
war wohl die einzige Möglichkeit für Lil Wayne Musik zu veröffentlichen, da
seine Karriere seit Jahren wegen einem bitteren Labelstreit gelähmt ist. Und
für 2 Chainz ist eine Möglichkeit seine Dankbarkeit zu zeigen, da seine
Karriere erst richtig begann als er schon Mitte 30 war und von Lil Wayne
protegiert wurde - damals wohl mit der größte und wichtigste Rapper der Welt.
Heute ist nicht ganz klar, wer
hier wem den größeren Gefallen tut. 2 Chainz ist kein Superstar, aber bekannt
und hier eindeutig der bessere Rapper und Texter. Lil Wayne ist meilenweit
entfernt von seiner weltbeherrschenden Bestform aber auf Collegrove
stellenweise wieder richtig gut und unterhaltsam. Da ich nicht sehr gut
vertraut bin mit der Musik der beiden Rapper, kann ich das Album nur unabhängig
beurteilen und das ganz ohne irgendwelche Erwartungen...und bin wirklich
positiv überrascht.
Collegrove ist weder
anspruchsvoll, noch bahnbrechend, dafür aber wirklich unterhaltsamer Party Rap
mit einigen fantastischen Momenten und durchgängig guten Songs. Lil Wayne
variiert für mich, wie meistens, zwischen extrem unterhaltsam und extrem nervig,
hier profitiert das Album aber meistens von seiner manischen Energie. Er wird
gut ausbalanciert von 2 Chainz, der etwas konventioneller rappt, dafür aber mit
mehr einprägsamen lyrics aufwartet.
Zusammen schleichen sich die
Beiden mit eher hirnlosen aber einfach spaßigen Ohrwürmern in die Gehörgänge
und verlassen diese nicht mehr so schnell.
Lieblingslieder: Bounce, Gotta
Lotta, 100 Joints, Rolls Royce Weather Every Day
The Body - No One Deserves
Happiness
Der Albumtitel sagt eigentlich
schon alles: The Body spielen ultradüsteren, experimentellen Metal, gepaart mit
schmerzhaft intensiven Noise-Attacken. Und No One Deserves Happiness ist ihr
brutalstes, zielstrebigstes Werk bisher.
Die Zutaten des Bandsounds sind
ebenso einfach wie effektiv. Chip King spielt schleppende Riffs zwischen Doom
und Noise und schreit dazu hoch, verzweifelt, abgehakt und furchteinflößend. Lee
Buford wechselt präzises Drumming mit ebenso präzisen Drum Loops. Heraus kommt
etwas, dass musikalisch und von der Intensität an Khanate oder Burial Hex
erinnert, aber "musikalischer", "eingängiger" und
"poppiger" ist als diese oder ähnliche Bands.
Das liegt zum einem an den
etwas konventionelleren Songstrukturen. Auch wenn The Body natürlich meilenweit
von Pop entfernt sind, versehen sie ihre Songs mit klaren, mitreißenden
Spannungsbögen. Zum anderen balancieren die Gastsängerinnen Chrissy Wolpert
und Maralie Armstrong die wüsten Schreie von King aus und geben dem Album einen
Anstrich zwischen Chamber Pop und klassischem Doom Metal. Das soll aber nicht heißen, dass sie nur schmückender Kontrast sind. Stattdessen verstärken sie die Atmosphäre der
absoluten Verzweiflung und Dunkelheit des Albums noch ungemein. Besonders Wolpert
trägt dazu bei, dass The Fall And The Guilt der wohl niederschmetterndste Song
auf No One Deserves Happiness ist. Nach einer halben Stunde schleppender, aber
atemloser Zerstörung ist der Song die Ruhe nach dem Sturm, aber auch erdrückend
hoffnungslos.
Das gesamte Album ist ein
kleines Meisterstück der Negativität, ein zielstrebiger Brocken aus Wut und
Schmerz. Sicher nicht für jeden und für jede Stimmung, aber unheimlich effektiv
und gut.
Lieblingslieder: Shelter Is
Illusory, Hallow/Hollow, The Fall And The Guilt
Songs/Videos:
P.O.S - sleepdrone/superposition
In dem ersten Solosong von P.O.S nach seiner Nierentransplantation vor zwei Jahren, verarbeitet Stef Alexander die
vielen Emotionen, die er nach der Operation durchlebte, als er versuchte wieder
ins Leben zu finden. sleepdrone/superposition zeigt einen Rapper, der viel zu
sagen hat, sich beweisen will und das auch äußert beeindruckend in Szene setzt. Der Song
ist ein 9-minütiges Monster, der durch düstere Synths und echte Drums eine
große Aggression und Dringlichkeit ausstrahlt. Trotz der vielen Features ist es
absolut Alexanders Show und eine beeindruckende Rückmeldung des Rappers.
Anna Wise - Bitchslut
Auf Bitchslut singt Anna Wise über all die Herabsetzungen, Belästigungen und Zurechtweisungen, denen sich Frauen täglich ausgesetzt sehen, weil sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten, kleiden oder sonst was. Ihr Song ist ein großes "Fuck You" an all diese
Männer und gleichzeitig ein euphorisches Zelebrieren selbstbestimmter Weiblichkeit. Darüber
hinaus ist es auch noch ein ansteckend eingängiger und positiver Popsong - musikalisch weit entfernt von ihrer Arbeit mit Kendrick Lamar, aber ebenso gut.
Aesop Rock - Blood Sandwich
Man könnte sagen, dass die Lebenskrise und der Rückzug in eine umgebaute Scheune Aesop Rock einen neuen, musikalischen Frühling beschert haben..nur ist er ein Künstler, der seit Jahrzehnten so gut wie ausschließlich großartige Musik heraus gebracht hat. Trotzdem gelingt ihm auch der melancholische Stil und die autobiographischen, direkten lyrics phänomenal. Blood Sandwich ist eine bittersüße Erinnerung an seine beiden Brüder - ebenso persönlich wie poetisch.
Frightened Rabbit - Get Out
Die übliche Entwicklung vieler Folk Bands von intimer Akustik-Musik zu Stadion-Rock, parallel zur steigenden Popularität, haben Frightened Rabbit zum Glück nie so ganz durch gemacht. Dennoch wurde der Sound definitiv größer, die Gefühle manchmal etwas platter und glatter. Get Out ist zwar auch so etwas, wie ein Rocksong, wartet aber mit ganz großen Gefühlen auf, die echt und umwerfend klingen. Sicherlich trägt zur Wirkung des Songs aber auch das explosive und herzzerreißende Zusammenspiel der beiden Hauptdarstellerinnen des Musikvideos bei.
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