Julien Baker - Sprained Ankle
"I know you left hours ago, I
still haven't moved yet.
I knew you were gone months ago, but I can't think of anyone else."
I knew you were gone months ago, but I can't think of anyone else."
Julien
Baker vermisste auf dem College ihre alte Band aus High School-Zeiten . Also
fing sie an alleine Songs zu schreiben. Auf Anraten ihrer Freunde
veröffentlichte sie diese Songs. Ein Jahr später hat sie jetzt ein Label und
die Aufmerksamkeit der Musikpresse: Zum
Glück! Sprained Ankle ist eines der schönsten, traurigsten Alben des Jahres und
ein absurd ausgereiftes, poetisches Debütalbum für eine 19-Jährige.
Es
wäre jedoch verfehlt Baker als besonders weise oder reif für ihr Alter
anzupreisen. Stattdessen beschreibt sie sich selbst in ihren Songs als zutiefst
menschlich, junge Frau, die mit sich selbst, der Liebe, Gott und dem Leben hadert.
Ihre Texte sind schmerzhaft persönlich und ehrlich, manchmal voll
Selbstmitleid, aber auch überraschend trotzig und kraftvoll. Ihre Themen sind
ebenso persönlich wie universell und profitieren von einer täuschend simplen
Sprache hinter der sich eine enorme Eleganz, Poesie und vor allem emotionale
Wucht verbergen. Der erst Satz des Titelsongs ist "Wish I could write
songs about anything other than death". Das ist so etwas wie ein Mission
Statement, aber auch täuschend. Denn Bakers Lieder handeln weniger vom Tod,
sondern mehr von der Schwierigkeit zu leben. Passend dazu wirft sie auf jedem
Song wirklich alles in die Waagschale.
Mich
erinnert Sprained Ankle an die ersten Eps von Daughter und das Debüt-Album von
Torres. Mit Beiden hat Julien Baker die große Intensität und Melancholie
gemeinsam, ebenso wie die selten gesehene Gänsehaut-Reaktion bei mir vom ersten
Hören an. Doch auch bei der Musik ist die simple Eleganz Bakers großes
Alleinstellungsmerkmal. Es ist meist nur ihre Stimme und eine Gitarre, die das
Gerüst der Songs bilden. Die Melodien sind dabei so trügerisch einfach, wie
effektiv. Auf dem Alben-Highlight Something etwa steigert sich Bakers Stimme
langsam an Intensität und transportiert dabei unheimlich viel Schmerz, Trauer
und Wut, während die hypnotische Gitarrenmelodie im Hintergrund ganz simpel
bleibt. Dieses Phänomen zieht sich durch das ganze Album. Die Instrumentierung
ist einfach, manchmal minimalistisch, aber nie langweilig oder gleichförmig.
Baker doppelt ihre Stimme und arbeitet mit Effekten oder mehreren
Gitarrenspuren, sporadisch kommen andere Instrumente zum Einsatz, aber es
bleibt im Kern immer ihre hypnotische Gitarre und ihre unglaubliche
Stimmgewalt.
Alle
Songs auf Sprained Ankle sind traurig und schmerzhaft, aber auch von einer
großen, strahlenden Schönheit. Das alles kulminiert in Go Home, dem
abschließenden Klaviersong. Baker verarbeitet Suchtprobleme, Krankheit,
Depression und ihr selbstzerstörerisches Verhalten, das daraus resultierte. Und
ich habe selten so einen traurigen, wuchtigen und schönen Song gehört. Noch
mehr als auf dem Rest des Albums landet jede Zeile wie eine Faust in die Magengegend,
zieht jedes Wort aus Bakers Mund am Herzen. Wenn ihre flehende Stimme beim
letzten "I wanna go home!" bricht und eine wunderschöne
Klaviermelodie und die undeutliche Stimme eines Predigers den Hörer sanft aus
dem Album geleiten, ist klar, dass es sich hier um etwas ganz Besonderes
handelt. Das beste Debüt-Album des Jahres? Gut möglich. Auf jeden Fall bin ich
gespannt, was noch von einer Musikerin kommen wird, die diese fantastischen
Songs mehr nebenbei geschrieben hat als sie gerade mal 18 Jahre alt war und
ihre Band vermisste!
Lieblingslieder:
Sprained Ankle, Brittle Boned, Something, Go Home
Dilly Dally - Sore
"Don't wanna know you.
Cause
you don't know me, you don't know me, man.
You try and stop me but I'm not dead."
You try and stop me but I'm not dead."
Dilly
Dally aus Toronto vermischen Grunge mit triumphalen Rock und klingen manchmal
wie eine Mischung aus Nirvana und den Japandroids mit einer Sängerin. Solche
Vergleiche sind hilfreich, aber auch zu kurz gegriffen, denn die Band bietet so
viel mehr.
Das
größte Ausrufezeichen im Sound von Dilly Dally ist auf jeden Fall die Stimme
von Katie Monk. Ihre kratzige Reibeisenstimme erinnert oft an Kurt Cobain, aber
sie hat eine Energie und Stimmkontrolle, die diesen weit in den Schatten
stellt. Dabei klingt sie nie gekünstelt oder angestrengt, sondern strahlt immer
ein enormes Selbstbewusstsein aus. Oder besser gesagt: Die Frau hat unheimlich
viel "swagger" in der Stimme! Dazu ist Monks Gesang wunderbar dreckig
und sexy - schon nach einer gesungenen Zeile hat sie die absolute
Aufmerksamkeit sicher.
Der
Bandsound von Dilly Dally hat schon ordentliche Grunge-Einflüsse, ist aber
meilenweit entfernt von der Pathos-getränkten Musik des Grunge-Revivals.
Stattdessen macht die Band mal Songs, die hingerotzt klingen (im positiven
Sinne), dann wieder gibt es große, euphorische Rockmomente und riesige
Soundwände, die versuchen mit Monks unglaublicher Selbstsicherheit am Mikrofon
und ihren beeindruckenden Schreien mitzuhalten. So kommt es, dass die Songs von
Sore in eine dreckige Kneipe kurz vor die Sperrstunde passen würden, aber auch
in einer großen Arena nicht fehl am Platz erscheinen würden. Gemeinsam ist
diesen beiden Szenarien, dass man bei Dilly Dally schon mit grölen will - ja,
fast muss - bevor man die Songs wirklich kennt, geschweige denn singen
kann.
Lieblingslieder: Desire, Next Gold, Purple Rage, Ice Cream
The Black Heart Rebellion -
People,
when you see the smoke,
do not think it is fields they're burning
"Where do we go, when we're
bound by wild desire?"
The
Black Heart Rebellion schrieben schon auf ihrem letzten Album weniger
klassische Songs und mehr Events zwischen primitivem Ritual und Seancé. Sie
benutzen dafür Elemente von Metal, Post-Rock, Drone, Ambient und etwas was an
fernöstliche und indianische Musik erinnert. Genregrenzen verschwimmen dabei
vollkommen und machen einem schwer beschreibbaren aber dafür umso greifbaren
musikalischen Erlebnis Platz.
Viel
hat sich dabei seit dem letzten Album der Belgier eigentlich nicht geändert. Doch
wo Har Nevo gelegentlich noch etwas fragmentiert wirkte, ist People... wie aus
einem Guss. Pieter Uyttenhoves Gesang ist nach wie vor beeindruckend und bildet
den Anker im hypnotischen Sound der Band. Dabei zieht er sowohl als animalisch
rufender Schamane in den Bann als auch in einem melancholischen und absolut
hypnotischen Duett wie Near To Fire For Bricks.
People...
klingt dabei immer wie etwas altertümliches. Nicht im Sinne von altmodisch oder
nostalgisch, sondern viel mehr ursprünglich und natürlich. Die Musik zieht ihre
Stärke aus ihrer Intensität und Natürlichkeit. Statt Künstlichkeit und
Oberflächlichkeit beschwören The Black Heart Rebellion erneut etwas Wahres und
Echtes.
Lieblingslieder:
Body Breakers, Near To Fire For Bricks, Rust
Kelela - Hallucinogen
"You - When it's good I'm
questioning. You - Then I stop to take it in."
Kelela
verbindet eindrucksvoll eine Verehrung des RnB der 90er Jahre mit einem äußerst
modernen und düsteren Sound. Nach einem exzellenten Mixtape 2013 war es lange
still um sie, während ähnliche Künstler - allen voran FKA twigs - große Erfolge
feierten. Zum Glück ist Hallucinogen aber so gut und gleichzeitig so
eigenständig, dass sie Kelela eigentlich wieder ins Rampenlicht befördern müsste.
Der
Vergleich zu twigs ist naheliegend. Die Musik ist auf den ersten Blick ähnlich
und bei beiden Künstlerinnen hat Arca als Produzent seine Spuren hinterlassen. Doch
Kelelas Musik ist direkter und sinnlicher als die oft verstörenden und
gekünstelten Songs ihrer Kollegin. Auf Hallucinogen geht es auch düster zu,
aber Kelela ist gleichzeitig poppiger und dramatischer. Der oft kühlen,
elektronischen Produktion setzt sie ihre warme, sehnsuchtsvolle Stimme
entgegen. Die erinnert oft an Aaliyah, wird aber gleichzeitig mehr wie ein sehr
vielseitiges Instrument in die Songs eingewoben.
Die
sechs Songs auf der EP klingen unterschiedlich durch die verschiedenen
Produzenten, trotzdem wirkt Hallucinogen nie unzusammenhängend. Ganz im
Gegensatz dazu werden die verschiedenen Stile hier zu einer Stärke. Denn Kelela
erzählt in den Texten von einer zerbrechenden Beziehung. Die Produktionen
spiegeln dabei gekonnt die Stimmungen, die in den lyrics transportiert werden.
Aus
unerfindlichen Gründen wird diese Geschichte in umgekehrter Reihenfolge erzählt
und beginnt mit dem schmerzhaften A Message am Ende der Beziehung. Musikalisch
ist das ein Geniestreich, denn der Song ist wie ein schmerzhafter Schlag in die
Magengrube, aber auch wahnsinnig schön. Nicht das der Rest der EP dagegen
abfallen würde, denn Schwachpunkte gibt es keine. Kelela hat eine gewaltige
stimmliche Präsenz, die in den Bann zieht und eine wandelbare Stimme, sodass es
nie langweilig wird.
Lieblingslieder:
A Message, Rewind, All The Way Down
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen