1. Father John Misty - I Love You, Honeybear
(Folk / USA)
(Folk / USA)
Father John Misty ist das schräge Alter Ego von J. Tillman,
der vorher unter seinem Namen und kurz als Teil der Fleet Foxes ernsthafte Folk
Musik machte. Nach dieser bewussten Veränderung mit neuem Namen ist das
zweite Album als Father John Misty eine große Überraschung. Es gibt immer noch
jede Menge unerwartete, schräge Momente und Texte voller Zynismus, Ironie und
Augenzwinkern. Gleichzeitig ist Honeybear jedoch ein unglaublich ehrliches Album
über die Liebe geworden - von einem Mann, der es scheinbar nach wie vor nicht fassen kann,
dass er die Liebe seines Lebens gefunden hat, obwohl er an diesen Liebeskram nicht
wirklich glaubt...
2. Hop Along - Painted Shut
(Indie Rock / USA)
(Indie Rock / USA)
Die Erwartungshaltung war so groß, dass ich kurzzeitig
wirklich Angst hatte Painted Shut endlich zu hören. Zum Glück war die Angst
ausnahmsweise unbegründet. Hop Along haben ein wunderbares, unverwechselbares
Album aufgenommen. Nach wie vor steht Frances Quinlan im Mittelpunkt und auch
wenn es wirklich schwer fällt ihre Stimme zu beschreiben, eine andere wie ihre
gibt es definitiv nicht. Sie singt kraftvoll, aber kratzig, oft scheint sich
ihre Stimme zu überschlagen und doch hat sie die totale Kontrolle darüber. Auf
jeden Fall singt Quinlan auch auf Painted Shut jede einzelne Zeile mit
maximaler Überzeugung, voller Emotion und immer als ob ihr Leben davon abhinge.
Dabei sind es nicht immer die großen, weltbewegenden Themen über die sie singt.
Stattdessen sind es vermeintlich alltägliche Dinge, denen sie das nötige
Gewicht verleiht.
3. Natalie Prass - Natalie Prass
(Singer-Songwriter / USA)
(Singer-Songwriter / USA)
Das Debütalbum von Natalie Prass ist ein typisches
Trennungsalbum. Es ist traurig, wehmütig, anklagend und delikat. Die Songs
handeln von schwieriger, zerstörerischer und zerbrochener Liebe. Doch entgegen
dieses Eindrucks machen Prass und ihre Band zu keiner Zeit depressive oder gar
düstere Musik für das stille Kämmerlein. Stattdessen gibt es hier überaus ambitionierte Popmusik
voller Leben - verspielte und gleichzeitig große Songs, die sich trotz ihrer Themen
immer mitreißend und lebensbejahend anfühlen. Es ist also entweder das fröhlichste
Trennungsalbum oder das tiefgängigste Popalbum des Jahres. Eines der Schönsten
ist es auf jeden Fall!
4. Kendrick Lamar - To Pimp A Butterfly
(Hip Hop / USA)
(Hip Hop / USA)
Gerade in der heutigen Zeit erscheinen nur wenige Alben,
denen man ohne Übertreibung die Prädikate "wichtig" und
"wegweisend" geben kann, doch To Pimp A Butterfly ist definitiv so
ein Meilenstein. Kendrick Lamar verbindet seine persönlichen Erfahrungen als
Rapper, Künstler, Schwarzer in Amerika mit einer beeindruckenden Analyse der
schwarzen Erfahrung in der Gesellschaft. Dazu schrieb er ein anspruchsvolles,
komplexes, progressives Rapalbum, das Kritiker begeistert und trotzdem
Charterfolge feierte. To Pimp A Butterfly integriert Jazz, Soul, Spoken Word
und viele andere Einflüsse zu einer Mischung, die ohne Widerspruch gleichzeitig
als ein klassisches Rap-Album und so etwas wie "Post-Rap" gelten kann. Der Hörer kann lyrics, Themen und Hintergründe von Lamars studenlang
analysieren, aber auch einfach äußerst unterhaltsame Songs genießen.
5. HVOB - Trialog
(Deep House / Österreich)
(Deep House / Österreich)
Die Musik von HVOB ist eigentlich irgendwo zwischen Deep
House und Minimal Techno anzusetzen, hat jedoch viel Raum für warmen Gesang und
Popsensibilitäten. Den Mittelpunkt dabei bildet auch auf dem zweiten Album die
wunderbare Stimme von Anna Müller. Sie klingt äußerst melancholisch, ohne dabei
die Songs ihn düstere Gefilde zu ziehen. Es ist schwer zu beschreiben, wie sich
diese Mischung aus emotionaler Wucht und tanzbarer Leichtigkeit anhört, die
Wirkung auf den Hörer ist jedoch unmittelbar und hebt sich erfreulich ab von
dem Klischee der kühlen elektronischen Musik, ebenso wie von der
Substanzlosigkeit vieler Electro Pop-Bands.
6. Billy Woods - Today, I Wrote Nothing
(Hip Hop / USA)
(Hip Hop / USA)
Der Titel Today, I Wrote Nothing klingt schon etwas absurd
für ein Album mit 24 Songs, das vor Kreativität fast zu bersten scheint. Nach
zwei gefeierten Alben, die bereits sehr unterschiedlich waren, entwirft Billy
Woods hier eine Art Kurzgeschichten- und Vignetten-Sammlung in Rapform.
Sowohl sein langsamer Flow als auch seine dichten,
vielschichtigen Texte machen diesen Ansatz äußerst erfolgreich, mit einer
Trefferquote, von der andere Rapper nur träumen können. Woods ist ein geborener
Geschichtenerzähler und hat eine Präsenz, die das Zuhören einerseits leicht
macht, andererseits auch fast erzwingt.
7. Zugezogen Maskulin - Alles Brennt
(Hip Hop /Deutschland)
(Hip Hop /Deutschland)
Wie ihr Name schon deutlich macht, sind Zugezogen Maskulin
zutiefst im Deutsch Rap verwurzelt, grenzen sich aber auch bewusst und
unbewusst bei jeder Gelegenheit von ihm ab. So wird aus Alles Brennt ein Album,
das weitgehend ohne die üblichen Klischees und Probleme des Genres auskommt und
sich stattdessen ebenso humorvoll wie intelligent mit Themen wie Nationalismus, Gentrifizierung, Flüchtlingspolitik und immer wieder der Rapmusik in
Deutschland auseinander setzt. Statt dem erhobenen Zeigefinger oder Emo Rap
gibt es aber hier zum Glück lieber schwarzen Humor, echte Wut und enorme
Cleverness der beiden Rapper. Die Produktion dazu erinnert mich an
amerikanische Trap Beats und Hudson Mohawke - ist also nicht bahnbrechend neu,
aber äußerst effektiv und perfekt zugeschnitten auf die überdrehten
Darbietungen von Testo und Grim104.
8. Love A - Jagd und Hund
(Punk / Deutschland)
(Punk / Deutschland)
Die Öffnung zum Pop ist bei Love A zwar auch der Hang zu
eingängigen Melodien, viel mehr sind es aber diese großen, packenden Refrains
in allen Songs, die schon beim ersten Hören einen tiefen Eindruck hinterlassen.
Was aber Jagd und Hund und damit auch Love A so einzigartig macht, sind die
schlauen, lustigen oder auch unvermittelt tiefgründigen Textzeilen, die diese
ebenso kantige, wie eingängige Musik begleiten.
So kann es passieren, dass man beim Hören lacht, dann zustimmend nickt
und Minuten später inne hält um nach zu denken. Das alles ist dann eben noch
verpackt in energische Punk-Songs, bei denen sich Vertrautheit und Überraschung
genau in der Mitte treffen.
9. Jenny Hval - Apocalypse, girl
(Art Rock / Norwegen)
(Art Rock / Norwegen)
Jenny Hval macht experimentelle Popmusik, die sich trotz
ihrer Seltsamkeiten und abstrakter Texte eine unerwartete Eingängigkeit
bewahrt. Ihr neues Album Apocalypse, girl schraubt die Zugänglichkeit zugunsten
von Improvisation und Experimentierfreude noch etwas weiter zurück. Doch auch
hier schimmern funkelnde Melodien immer wieder durch und bilden einen
faszinierenden Kontrast. Stimmlich ist Hval unverändert beeindruckend, aber
sicher auch nach wie vor polarisierend. Ihr Gesang ist mal kindlich verspielt,
mal flüsternd und unheimlich, dann wieder groß und beeindruckend. Er ist jedoch
immer recht hoch und wird, ähnlich wie bei Joanna Newsom oder Björk, mehr als
vielseitiges (und technisch äußerst beeindruckendes) Instrument eingesetzt. Das kann beim zuhören
anstrengend sein, ist aber auch immer wieder absolut fesselnd. Die Texte der
Songs sind dabei kaum konventionelle lyrics, sondern mehr vertonte Gedichte,
abstrakte Traumbilder und durchdachte Provokationen. Darin geht es immer wieder
um das Verhältnis der Geschlechter und Körper(bilder) im Kapitalismus - Themen,
die neben vielen anderen, mit Humor aber auch in einer aufschreckenden
Deutlichkeit behandelt werden.
10. Liturgy - The Ark Work
(Black Metal / USA)
(Black Metal / USA)
Hunter Hunt-Hendrix ist nach wie vor ein größenwahnsinniger,
pseudointellektueller Musiker, der mit seiner Band Liturgy zielstrebig den Hass
vieler Black Metal-Fans auf sich zieht und die Kritikerwelt äußerst heftig in
hypende Verehrung und aggressives Unverständnis spaltet.
Und auf dem neuen Album The Ark Work übertrifft er sich in
dieser Hinsicht noch einmal selbst. Die Schreie der Vorgänger-Alben ersetzt er
durch einen monotonen, manchmal hypnotischen Sprechgesang und der Sound
zwischen Black Metal und Mathcore wird erweitert durch Bläser, Dudelsack, jede
Menge Glockenspiel, prominente Hip Hop-Anleihen und eine gewisse wehmütige Grundstimmung. Doch hinter diesen
auffälligen Neuerungen steckt der "typische" Liturgy-Sound mit
Blastbeats (die Drums sind auch hier wieder absolut beeindruckend),
Tremolo-Gitarren und repetitiven, sich stetig wandelnden Songstrukturen. Und
wieder gelingt es Liturgy immer wieder eine fiebrige, überwältigende Intensität
zu erreichen und das Grundgerüst des Black Metal zu etwas aufregendem,
vollkommen Anderem zu formen. Dieser Eindruck kann sich jedoch ganz schnell
wandeln - mit der falschen Stimmung oder einem anderen Blickwinkel wird The Ark
Work zu einer anstrengenden und langweiligen Hörangelegenheit. Die Grenze
zwischen aufregendem Geniestreich und prätentiösem Lärm ist bei Liturgy eben
äußerst fließend und instabil.
Meine Top 30-Songs jenseits dieser Alben:
1. Björk - Notget
2. Soap&Skin - Mawal Jamar
3. Purity Ring - Flood On The Floor
4. Kelela - A Message
5. Inner Tongue - Fallen Empire
6. Florence And The Machine - Which Witch
7. Earl Sweatshirt - Grief
8. Waxahatchee - Under A Rock
9. Courtney Barnett - Pedestrian at Best
10. Lady Lamb - Spit Spat
11. Braids - Miniskirt
12. Laura Marling - False Hope
13. Foals - What Went Down
14. Viet Cong - Silhouettes
15. Caitlin Canty - Get Up
16. Wolf Alice - Giant Peach
17. Dan Mangan + Blacksmith - Mouthpiece
18. Self Defense Family - Talia
19. Eskimeaux - The Thunder Answered Back
20. Tyler, The Creator - Keep Da O's
21. Sophie Hunger - Heicho
22. Jamie xx - Girl
23. Tigran Hamasyan - Entertain Me
24. Brown Bird - Pale And Paralyzed
25. MS MR - Painted
26. Torres - Strange Hellos
27. Makthaverskan - Witness
28. Soak - Blud
29. Boosie Badazz - Hip Hop Hooray (Feat. Webbie)
30. Marriages - Southern Eye