Samstag, 30. März 2013

Mein März in Film und Musik

Musik:


Cerulean Salt ist ein bemerkenswertes und ein überraschendes Album geworden. Bemerkenswert, weil es schon die zweite Platte des alleinigen Projekts von Katie Crutchfield ist, die mit gerade einmal Mitte 20 schon in diversen Bands und Projekten (allein und mit ihrer Zwillingsschwester zusammen) spielte von Punk Rock bis hin zu Lo-Fi-Musik. Und überraschend, weil es eben diese im Schlafzimmer produzierten, kleinen Songs der Vorgängerplatte austauscht gegen einen mutigeren, abwechslungsreicheren und einfach deutlich ausgereifteren Sound. Mehr Instrumente, mehr Stile und vor allem mehr Kraft und Selbstbewusstsein in Crutchfields Stimme, erzwingen das unbedingte Zuhören auf Cerulean Salt. Dabei bewahren sich alle Songs zum Glück trotzdem noch die Intimität früherer Schlafzimmer-Produktionen und die kantige Frische ihrer Punk Rock-Wurzeln.

Die größte Stärke von Waxahatchee ist aber wie hier kraftvolle, schöne Musik, die sich durchaus jede Menge Eingängigkeit erlaubt, mit so absolut direkten, brutal ehrlichen Texten zu großartigen Songs verbindet. Ich habe mein persönliches Album-Highlight Peace and Quiet an einem Tag an die 30 Mal gehört und war jedes Mal wieder davon fasziniert wie ein auf den ersten Blick so kleiner und simpler Song mich gleichzeitig mit seiner Leichtigkeit einfängt und doch jedes Mal wieder voll in die Magengrube trifft. Das gilt für mehr oder weniger alle der 13 Lieder auf Cerulean Salt und macht das ganze Album zu einer seltenen Meisterleistung. Immer wieder gibt es diese so unglaublich treffenden und wahren Sätze aus Katie Crutchfields Mund, in deren Texten sich Lakonie und Poesie unvergleichlich gut die Klinke in die Hand geben. Mit der Mischung aus wütendem Punk Rock und resignierten Folk gibt es dazu die perfekte musikalische Untermalung für ein Album, das direkt ins Herz trifft und gleichzeitig im Kopf hängen bleibt.

Die Musik von Phosporescent ist wirklich zum weinen schön. Diesen Ausdruck verbinde ich oft mit der Musik von Sigur Ros, deren Lieder es immer eindrucksvoll schaffen eine oft überwältigende Melancholie mit warmer Euphorie zu einem verwirrenden, aber zutiefst bewegenden Hörerlebnis zu verbinden. Und auch wenn die Musik von Matthew Houck alias Phosporescent musikalisch nur wenig mit den Isländern gemein hat, mischt er ebenso gekonnt widerstrebende Stimmungen zu wundervollen Liedern.

Im weitesten Sinne sind die Songs auf Muchacho altmodischer Folk, inklusive einer ganzen Batterie von Instrumenten und einem groß angelegten, warmen Sound. Houcks Stimme ist kratzig und nicht außergewöhnlich kraftvoll, zieht den Hörer aber sofort mit seiner Ausdrucksstärke in den Bann. Und die wunderbar detaillierte Musik hält damit mühelos Schritt. So ist das wunderbare Song for Zula gleichzeitig ätherische Ballade und lebhafte Hymne, während der Gesang zwischen Reue und Triumph, zwischen Trauer und Euphorie schwankt. Und diese Dualität zieht sich durch alle folgenden Songs, von dem überraschend rockigen Ride On / Right On - „Let's Go for A Ride, Hej You turn me right on“ - zu einem tief traurigen Song wie A New Anhedonia - „Oh, it's unbearable then, to find you feeling so terrible, friend“.

Wenig erstaunlich lesen sich die Texte alle wie persönliche Gedichte, die es verdienen genau gelesen zu werden, auch wenn es schwer fällt nicht einfach in den Songs zu versinken. Und auch wenn das meiste hier traurig und schmerzhaft zu lesen ist – es verarbeitet nach Houcks eigenen Worten „My Life falling apart“ - gibt es ebenso wie in der Musik nicht bloß Schmerz und Selbstmitleid. Auch hier schleichen sich Optimismus, stolzer Trotz und sogar wieder diese leise Euphorie in die Lyrics. 

Daughter waren für mich eine der aufregendsten Newcomer der letzten Jahre. 2011 veröffentlichte Elena Tonra, damals noch solo, zwei EPs, die ebenso schön, wie erdrückend traurig waren. Tonras Stimme lässt einen einfach sofort alles vergessen und zieht in den Bann. Dazu schreibt sie Texte, die bei genauem Hinhören immer wieder das Herz schwer werden und den Mund fassungslos offen stehen lassen. Auch auf dem ersten Album If you leave zwei Jahre später ist es nicht anders. Tonra singt mit dieser Wahnsinns-Stimme über zerbrochene Liebe und andere schmerzhafte Lebenserfahrungen. Mit nur einem Satz schafft sie es immer noch mein Herz schwer werden zu lassen. Unterstützt wird sie dabei jetzt von einer richtigen Band, die Daughters Mischung aus verträumten Folk und leichten Anklängen von Post Rock unaufdringlich anreichern.

Die Songs, die zur Hälfte bereits vorher bekannt und/oder in anderen Versionen veröffentlicht waren, werden durch prominentere E-Gitarre und Schlagzeug teilweise mit einem detaillierteren Soundteppich versehen oder einfach mit etwas mehr Wucht ausgestattet. Am besten klappt das auf dem im Albumkontext fast schon fröhlichen, vor allem aber rockigen Human oder aber auf dem hypnotischen Tomorrow, auf dem sich Tonras zärtlich-verzweifelter Gesang eindrucksvoll mit tösendem Post Rock verbindet. Das vorab veröffentlichte Smother, fast schon zu schmerzhaft zum hören, ist ein weiteres Highlight und erinnert am ehesten an den reduzierten Sound der EPs. Mein Lieblingslied der Eps – Youth – verliert dagegen durch die zusätzliche Instrumentierung leider etwas von seiner Unmittelbarkeit, der Text bleibt aber nach wie vor zutiefst erschütternd. Ansonsten profitieren die Songs aber meistens vom größeren Sound der Band, sogar laute, fast lärmende Passagen haben einen Platz auf If you Leave um den Kontrast zwischen der Schönheit von Tonras Stimme und der Dunkelheit ihrer Worte zu überbrücken. Neben der alles zertrümmernden Traurigkeit, gesellt sich so an manchen Stellen vertonte Wut und notwendige Entladung.
Insgesamt kann das Album meine astronomischen Erwartungen nicht ganz erfüllen, trotzdem ist If you Leave ein absolutes Hörerlebnis und eines das mit zunehmenden Durchgängen immer weiter wächst, vor allem in diesem nicht enden wollenden Winter...
 
Raphaelle Standell-Preston und Alexander Cowan machen einen Soundtrack zum Träumen – Warme, psychedelische und entspannende Pop Musik, die doch immer wieder ungewöhnliche Wendungen nimmt und den Hörer in eine hypnotische , andersartige Welt entführt. Standell-Preston ist auch noch in der gitarren-lastigeren Band Braids, die viele Ähnlichkeiten mit Blue Hawaii aufweist und doch ganz anders klingt. Denn wo Braids aus ungewöhnlichen Melodien und Sounds eingängige, wenn auch angenehm schräge Popmusik macht, geht Blue Hawaii den umgekehrten Weg. Die Beiden Musiker nehmen die zauberhafte Stimme von Standell-Preston und jede Menge elektronisch-poppige Melodien und dekonstruieren sie dann mit viel Gusto. Stimme und Musik werden zerstückelt, manipuliert und dann wieder zusammen gesetzt. Heraus kommen kühle, gespenstische Songs, aus denen sich langsam und unerwartet doch wieder Pop-Melodien oder sogar Musik für die Tanzfläche heraus schälen.

Am besten gelingt das auf dem herzergreifenden Try to Be, das trotz oder auch wegen all der Dekonstruktion immer noch ein lupenreiner Dream Pop Song bleibt. Andere Highlights sind Sierra Lift, ein Song der die stimmliche Manipulation auf die Spitze treibt und daraus überraschenderweise eine große emotionale Wucht gewinnt und der In Two-Zweiteiler, der sich fließend von einem hypnotischen Popsong in einen hypnotischen Electro-Song wandelt. Am besten aber funktionieren die Songs als Ganzes, als eine abwechselnd einlullende und dann wieder wachrüttelnde Reise durch eine elektronische Klanglandschaft.

Chvrches haben erst zwei Singles und diese EP veröffentlicht, wurden aber bereits letztes Jahr von diversen Plattformen von Spiegel Online bis Pitchfork als einer der interessantesten Newcomer 2013 auserkoren. Doch hinter dem herrlich frischen Electro-Pop der Band, die es nur für kurze Zeit mit Anonymität versuchte, stecken keine blutjungen Anfänger, sondern schon lange etablierte Mitglieder der Glasgower Indie-Szene. Iain Cook war Mitglied der großartigen Aereogramme und ist jetzt Teil der Nachfolgeband The Unwinding Hours, Martin Doherty war Tour-Mitglied der ebenso großartigen The Twilight Sad. Gemeinsam versuchten sie sich an einem elektronischen Nebenprojekt und holten sich Lauren Mayberry ins Boot, Sängerin der Post-Rock-Indie-Band Blue Sky Archives.

Heraus gekommen sind Synth Pop-Songs, die ein wenig an The Knife oder Purity Ring erinnern, aber viel offener mit ihrer Poppigkeit und Eingängigkeit umgehen. Bei den Melodien und Texten scheint aber dann doch die Vergangenheit der drei Musiker durch und ihr Anspruch nicht bloß hirnlose Popmusik zu machen. Das Ergebnis sind auf Recover drei spannende Songs, die auf der Tanzfläche, im Radio aber auch zuhause im dunklen Schlafzimmer funktionieren und Lust auf mehr machen. Der abschließende Remix des Titelsongs zeigt dann noch das große Potential der Chvrches-Songs in dieser Hinsicht. Man kann nur hoffen, dass Chvrches seinen Mitgliedern neben dem unzweifelhaften kritischen Erfolg, auch endlich einmal etwas finanzielle Stabilität bringen wird.

Auf dieser 7'' geht Anja Plaschg ihren musikalischen Weg zwischen ergreifender, klassisch anmutender Klaviermusik und modernen, verstörenden Klangwelten konsequent weiter. Doch die drei Songs hier klingen noch größer und wuchtiger, als das meiste, was Soap & Skin vorher produziert hat. Me And The Devil klingt dank dramatischen Streichern und kraftvollem Gesang riesig und leidet in meinen Augen nur darunter, dass sowohl das brillante Original von Robert Johnson, als auch das fantastische Cover von Gil Scott-Heron noch zu gut im Gedächtnis sind. Pray ist eine wunderschöne, todtraurige Klavierballade, die aber deutlich mehr Wucht hat, als die ruhigeren Songs auf Plaschgs letzter EP Narrow. Uneingeschränktes Highlight ist jedoch der Titelsong, der es schafft einen tanzbaren Beat mit einem lateinischen Chor und einem Vibe abgrundtiefer, verstörender Verzweiflung zusammen zu führen. Die manipulierten Schreie zu Beginn klingen fast ein wenig zu echt und die zentrale Zeile „Try to break one's heart in perpetuity“ tut ihr übriges. Das der Song irgendwie trotzdem auch noch eingängig ist, ein kleines Wunder...

Musik Videos: 

Passion Pit – Cry Like A Ghost
Die Protagonistin des Passion Pit-Videos tanzt sich aggressiv und manisch durch den Schmerz zerbrochener Beziehungen. Parallel dazu sehen wir in beeindruckend choreographierten und gefilmten Bildern eben diese vergangenen Beziehungen im Schnelldurchlauf. Ein fantastisches Video, dass sicherlich äußerst viel Planung benötigte und wie ein modernes Action-Ballett wirkt. 

Altar of Plagues – God Alone
Progressiver Black Metal mit Grindcore-Einflüssen ist sicher nicht die Sache der meisten, aber dieses faszinierende Schwarz-Weiß-Video würde auch ohne Ton funktionieren. Drei Frauen und ein Mann tanzen etwas, das wie eine Mischung aus Ritual, Vorspiel und Erkundung des menschlichen Körpers anmutet. Das diese Bilder mit der Musik zu einem hypnotischen Ganzen verschmelzen ist bemerkenswert und dürfte für einige rauchende Köpfe bei altmodischen Metal-Fans sorgen.

Tokimonsta ft. MNDR – Go with It
Ein erfolgreicher, oberflächlicher und innerlich zutiefst unglücklicher Mann wird von einem vermeintlichen One Night Stand entführt und in der Wildnis ausgesetzt. Von dort beginnt seine Reise zurück zu seinem Ich und zu der Frau seiner Träume. So könnte man das Video zu Go with It beschreiben. Vor allem aber erzählt es eine vollständige Geschichte in hochwertigen, verträumten und romantischen Bildern. Die ungewöhnliche Stimme von MNDR und der Percussion-lastige Sound von Tokimonsta halten den dazugehörigen Song davon ab einfach nur austauschbare Popmusik zu sein und untermalen das Gezeigte dazu noch wunderbar.

Marnie Stern – Immortals
Marnie Stern träumt in diesem Video davon ein Rockstar zu sein. Eigentlich ist sie das ja schon längst und diese Fantasie zeigt genau wie ich mir ein Marnie Stern Konzert vorstelle. Sympathischste Gitarren-Fricklerin ever!

Sonntag, 3. März 2013

Mein Februar in Film und Musik

Statt einer gewaltigen Best Of-Liste am Jahresende, versuche ich mich mal an monatlichen Rückblicken zu Film und Musik. Mal schauen, wie lange ich das durchhalte... 


Filme:


The Master
Worum geht’s: Ein zielloser, instabiler und getriebener Kriegsveteran (Joaquin Phoenix) begegnet in den 50er Jahren durch Zufall einem brillanten und charismatischen Philosophen (Philip Seymour Hofmann), der gerade versucht eine Scientology-ähnliche Bewegung zu etablieren. Die beiden so diametral verschiedenen Männer sind zutiefst fasziniert von einander und können trotz ständiger Konflikte nie ganz los lassen.
Stärken: Der Film ist in fast jeder Hinsicht eine Meisterleistung: Von der Regie, über die Kameraarbeit bis hin zu Schnitt und Kostümen ist er optisch ein absoluter Genuss. Und dank der fantastischen Darsteller und den grandiosen Dialogen ist der Film auch unter der Oberfläche vom ersten Moment an fesselnd.
Das Beste: Philip Seymour Hofmann und Joaquin Phoenix sind wie gewohnt absolut grandios, scheinen sich aber hier gegenseitig zu ganz neuen Höhenflügen an zu stacheln. Es ist ein Vergnügen den beiden dabei zu zuschauen!
Probleme: The Master funktioniert als intensiver Blick in die komplexe Beziehung zweier außergewöhnlicher Männer, als Portrait eines zutiefst verwirrten Mannes oder auch gar als tiefgründige Analyse einer Zeit voller Umbrüche in der amerikanischen Geschichte. Ein leicht verdaulicher Film mit klarem Handlungsbogen und einem erfüllenden Ende ist es aber nicht – Wer so etwas erwartet wird enttäuscht und gelangweilt werden.  


A Good Day To Die Hard
Worum geht’s: John McClane ist zurück! Im fünften Teil der Stirb Langsam-Reihe muss (darf? will?) der mittlerweile 58-jährige Bruce Willis noch mal in die legendäre Rolle schlüpfen. Diesmal versucht er seinen Sohn Jack zu retten (zum letzten Mal zu sehen als Baby im ersten Teil), der in Moskau unter Mordverdacht festgehalten wird. Schnell stellt sich heraus, dass Jack ein CIA-Agent ist, der versucht einen politischen Gefangenen zu retten, der im Besitz brisanter Informationen über den designierten Verteidigungsminister Russlands ist. Vater und Sohn versuchen im Rest des Films am Leben zu bleiben, die Welt zu retten und dazwischen ihre zerrüttete Beziehung zu kitten. Mehr sollte man nicht verraten...und viel mehr kann man auch nicht verraten, da das schon die ganze Story ist, abgesehen von zwei eher vorhersehbaren Wendungen...
Stärken: Der Film hat Qualitäten, die viele Action-Filme in letzter Zeit vermissen lassen: Er ist nicht zu lang, er hält sich nicht mit einer pseudo-komplexen Story auf und er vergisst nicht auch Spaß zu machen. Darüber hinaus ist ein kompetenter Side-Kick auch mal was tolles...
Dieser John McClane ist zwar meilenweit von dem sensiblen, interessanten Mittelklassehelden der ersten Teile entfernt, aber im Gegensatz zu vergleichbaren Figuren immer noch äußerst interessant und unterhaltsam.
Das Beste: Überlange Verfolgungsjagden und zu viel CGI sind meistens das schlimmste an modernen Action-Filmen. Doch selbst ich muss zugeben, dass die Verfolgungsjagd im ersten Drittel des Films spektakulär ist und das Ende ein visueller Augenschmaus ist, auch wenn es stellenweise fast wie ein (sehr hochklassiges) PC-Spiel aussieht. Abgesehen davon ist es eben immer noch John McClane, die coolste Sau auf dem Planeten!
Probleme: Erst einmal das unvermeidliche aus dem Weg – Stirb Langsam 5 kann natürlich den ersten 3 Teilen keinesfalls das Wasser reichen, aber das erwartet auch niemand mit realistischen Erwartungen. Doch auch mit deutlich kleineren Ansprüchen sind die „herzergreifenden“ Vater-Sohn-Momente zwischen der Action oft so schwerfällig und schlecht umgesetzt, dass es weh tut. Das mag auch daran liegen, dass neben John McClane nicht viel Raum für eine interessante Sohn-Rolle bleibt.
Leider fehlt dazu nicht nur die Story, sondern auch oft der nötige Humor, um die konstante Action etwas auf zu lockern. So bleibt ein solider Action-Film, der zumindest stellenweise witzig ist und die Vergangenheit der Reihe nicht zu sehr beschmutzt.


Musik:
 

Aly Spaltro, die alleinige Song-Writerin von Lady Lamb the Beekeeper ist erst 23, ihre meisten Songs hat sie gar mit 18 oder 19 geschrieben und man könnte sie auf den ersten Blick als hübsch oder gar niedlich bezeichnen. Doch in der schmalen Dame steckt eine überraschend gewaltige Stimme und jede Menge angenehm kantige, leidenschaftliche und intelligente Texte. 
Die Musik dazu könnte man im weitesten Sinne als Folk bezeichnen oder ihnen gar den eher nichtssagenden Stempel „Singer-Songwriter“ aufdrücken. Doch die Musik auf Ripely Pine sprengt diese Kategorien mühelos und es bleiben kraftvolle, wahnsinnig emotionale Lieder zwischen zarter Folk-Ballade und wütendem Gitarren-Rock. Spaltro schlägt dabei lyrisch und musikalisch wilde Haken, statt Vorhersehbarkeit gibt es über die gesamte Laufzeit eine elektrisierende Spannung und immer wieder Momente, die für pure Gänsehaut sorgen.

Die größte Kunst von Aly Spaltro ist dabei ihren Songs, die fast allesamt bereits Jahre zuvor als mehr oder weniger hochwertige Schlafzimmer-Aufnahmen veröffentlicht wurden, neues Leben einzuhauchen. Denn oft verlieren so intime und emotionale Heimaufnahmen, wie sie Lady Lamb the Beekeeper macht, an Wucht im Studio; sie werden glatt gebügelt, überproduziert und verlieren ihre Unmittelbarkeit. Diese Sorgen sind hier nicht nur unbegründet, sondern werden schnell lachhaft, wenn man hört wie aus diesen bereits ausnahmslos großartigen, kleinen Songs noch viel bessere "große" Songs werden. Es hilft natürlich, dass alle Lieder auf Ripely Pine auch schon vorher große Hymnen waren, auch wenn sie sparsam instrumentiert und im Schlafzimmer/Waschkeller aufgenommen wurden. Die Studioversion haben dazu aber nun endlich die Produktion, die sie verdienen, um die gigantische Power von Spaltro gebührend wieder zu geben. 
 
Dazu kommt noch alles von Bläsern über Streichern bis zu einem Chor und trotzdem klingen die Songs dadurch nie künstlich oder nach leeren Bombast. Das ist Spaltros so verblüffend ausgereiftem und mitreißenden Song-Writing zu verdanken, aber natürlich auch ihrer riesigen Stimme, die den Hörer mit ihrer Ehrlichkeit und Kraft förmlich an die Wand drückt. Diese Frau wurde zum Rockstar geboren und Ripely Pine ist schon jetzt mein kaum noch anfechtbares Album des Jahres!


Frightened Rabbit haben ein Luxusproblem – vor 5 Jahren haben sie mit Midnight Organ Fight eines der besten Folk-Alben aller Zeiten geschrieben, ein melancholisches Meisterwerk. Seitdem haben sie sich vom Folk weitgehend verabschiedet und sind zu einem Major Label gewechselt. Das macht natürlich nervös, doch Pedestrian Verse zerstreut alle Ängste schnell - die Magie ist immer noch da.
Der Grund dafür steckt dabei bereits im Titel: Sänger Scott Hutchinson schrieb sich in ein Heft für die Albumtexte die Warnung „Pedestrian Verse“, um eben genau solche klischee-beladenen, nichtssagenden Texte zu vermeiden. Und so steckt trotz neuem Sound und größerem Erfolg immer noch genau so viel Herz, Witz, Gefühl und Charme in Hutchtinsons Texten, die er dann mit seiner so wundervoll unvollkommenen Stimme noch einzigartiger macht.
Darüber hinaus zeichnet sich Pedestrian Verse aber auch durch eine größere Vielfalt aus – sowohl von den Stimmungen, als auch von der Musik – eine Qualität, die das letzte Album „The Winter of Mixed Drinks“ manchmal vermissen ließ. Hier gibt es große Hymnen, die sich trotzdem eine intime Qualität bewahren und kleine Balladen mit großer emotionaler Schlagkraft. Heraus kommt epischer Folk Rock im weitesten Sinne, mit ein klein wenig Experimentierfreude, aber ohne leeren Bombast. Pedestrian Verse könnte zwar sicher Stadien füllen, funktioniert aber auch zuhause, alleine im Wohnzimmer an einem trüben Regentag – da, wo Frightened Rabbit schon immer am besten hin passten.


Es fällt mir schwer die Musik von Torres zu beschreiben ohne mit Genres oder vergleichbaren Künstlerinnen um mich zu werfen. Doch auch wenn beides notwendig ist, wird es dem fantastischen Album der Dame aus Nashville nur schwer gerecht. Denn wie ausgereift, abwechslungsreich und nicht zuletzt wuchtig dieses Debüt ist, kann man nur schwer in Worte fassen. Die Songs lassen sich widerstrebend als Folk einordnen, doch es gibt sowohl bittersüße Balladen, als auch ordentliche Gitarren zu hören. Das auffälligste Vorbild ist sicher Sharon van Etten, aber bei Torres ist alles etwas düsterer, gewaltiger, gleichzeitig doch auch irgendwie farbenfroher und diese Stimme ist einfach nur groß.
Bevor ich also weiter vollkommen unzureichend beschreibe, werfe ich einfach mal „aufregendstes Debüt 2013“ in den Raum...


Es gibt nur eine handvoll Alben dieses Jahr, die ich sehnlicher erwarte, als Fourth Corner. Eine solche Erwartungshaltung kann eigentlich nur enttäuscht werden und nach ausführlichem Hören, muss ich zumindest eingestehen, dass Trixie Whitley ihr gewaltiges Potential nicht gänzlich ausreizt auf ihrem offiziellen Debüt-Album. Nach zwei hervorragenden, weil musikalisch reduzierten EPs, ist auf dem Album leider vieles etwas zu überproduziert und glatt. Die Songs, die auf der EP oder live absolute Gänsehaut erzeugen, werden in neuen Versionen mit zu vielen Instrumenten und zu viel Produktion überfrachtet. Im Mittelpunkt steht natürlich trotzdem noch diese riesige Stimme, die auf jedem Song klingt, als ob sie um ihr Leben singt. Am besten wäre Whitley aber immer noch, wenn man sie mit höchstens einer Gitarre oder einem Klavier in einen Raum stecken würde. 
Die besten Stücke auf Fourth Corner sind dann auch die mit möglichst wenig drumherum. Und dann kann Trixie Whitley immer noch mühelos Gänsehautschübe erzeugen. Ansonsten höre ich mir lieber die alten Versionen der Songs an und freue mich auf das Live-Erlebnis nächste Woche.



Nach dem spaßigen, aber unspektakulären Debüt der Foals war das ambitionierte, epische Total Live Forever eine große Überraschung und eine mutige Veränderung und Erweiterung des Sounds der Band. Von diesem Ausgangspunkt ist es natürlich schwierig noch einmal ähnlich große Sprünge in Qualität oder Klangwelt zu schaffen, doch Holy Fire ist deswegen keinesfalls eine Enttäuschung. Stattdessen gibt es noch mehr Experimente, einen gigantischen Sound und eigentlich nur Volltreffer. Die Post Rock-Elemente sind dabei noch einmal deutlich gestiegen und die meisten Songs bersten fast vor Leidenschaft und Spannung. Die Vorabsingle My Number ist dabei am ehesten der eingängige und poppige Hit, während mein persönliches Album-Highlight Inhaler eine gigantische Hymne ist, die den Hörer eher von hinten durch die Brust erwischt und dabei deutlich nach Jane's Addiction oder gar den Deftones klingt. Die anderen Lieder bewegen sich zwischen diesen beiden Polen, kleine oder unauffällige Nummern sucht man dabei zum Glück vergeblich.


Videos:


Cold Mailman – My Recurring Dream
Bei My Recurring Dream fungiert das durchaus schöne Lied nur als nebensächlicher Soundtrack zu einem unglaublich hochwertigen, ambitionierten und einfach nur beeindruckenden Video. Die Kamera wandert scheinbar ohne Schnitte von einer Traumsequenz zur nächsten und benutzt dabei Gegenstände oder Momente darin, um absolut fließend von einer Szene zur nächsten zu springen. Wie es die Beteiligten geschafft haben, so ein Unterfangen so großartig um zu setzen, erst recht mit einem moderaten Budget, ist mir eben so ein Rätsel, wie die Tatsache, dass dieses Video nicht überall ein Thema ist...


Rhye – Open
Video-Link
Zu den atemberaubend schönen, atemberaubend traurigen Balladen von Rhye gibt es bereits zwei ebenso tolle und äußerst passende Musikvideos. Jetzt bekommt der Song Open ein weiteres Video zur Seite gestellt, das ein junges Paar einen Tag lang an ein Strandhaus begleitet und vor toller Kulisse erneut das eigentlich so ausgelutschte Thema „Beziehungen sind kompliziert“ ebenso bitter-süß, wie treffend umsetzt.



James Blake – Retrograde
Das Video von Retrograde benutzt die selben Komponenten wie ältere James Blake-Videos. Satte Farben, wunderschöne Kulissen, eine neugierig verweilende Kamera und eine schwer greifbare, melancholische Stimmung. Das Ergebnis ist fesselnd und komplementiert einen der zweifellos besten Song des Jahres bisher wunderbar.






Soap & Skin – Sugarbread
Sugarbread lässt sich, wie alle Songs und Videos von Anaja Plaschg beschreiben – Verstörend, ergreifend und ein kleine wenig prätentiös. Neu ist hier nur die noch erfolgreiche Symbiose von elektronischem Bombast und Plaschgs melancholischer Stimme, die unheimliche Wucht der Musik ist nach wie vor intakt.