Cerulean Salt
ist ein bemerkenswertes und ein überraschendes Album geworden.
Bemerkenswert, weil es schon die zweite Platte des alleinigen
Projekts von Katie Crutchfield ist, die mit gerade einmal Mitte 20
schon in diversen Bands und Projekten (allein und mit ihrer
Zwillingsschwester zusammen) spielte von Punk Rock bis hin zu
Lo-Fi-Musik. Und überraschend, weil es eben diese im Schlafzimmer
produzierten, kleinen Songs der Vorgängerplatte austauscht gegen
einen mutigeren, abwechslungsreicheren und einfach deutlich ausgereifteren Sound. Mehr
Instrumente, mehr Stile und vor allem mehr Kraft und
Selbstbewusstsein in Crutchfields Stimme, erzwingen das unbedingte
Zuhören auf Cerulean Salt. Dabei bewahren sich alle Songs zum Glück
trotzdem noch die Intimität früherer Schlafzimmer-Produktionen und
die kantige Frische ihrer Punk Rock-Wurzeln.
Die
größte Stärke von Waxahatchee ist aber wie hier kraftvolle, schöne
Musik, die sich durchaus jede Menge Eingängigkeit erlaubt,
mit so absolut direkten, brutal ehrlichen Texten zu großartigen
Songs verbindet. Ich habe mein persönliches Album-Highlight Peace
and Quiet an einem Tag
an die 30 Mal gehört und war jedes Mal wieder davon fasziniert wie
ein auf den ersten Blick so kleiner und simpler Song mich
gleichzeitig mit seiner Leichtigkeit einfängt und doch jedes Mal
wieder voll in die Magengrube trifft. Das gilt für mehr oder weniger
alle der 13 Lieder auf Cerulean Salt und macht das ganze Album zu
einer seltenen Meisterleistung. Immer wieder gibt es diese so
unglaublich treffenden und wahren Sätze aus Katie Crutchfields Mund,
in deren Texten sich Lakonie und Poesie unvergleichlich gut die
Klinke in die Hand geben. Mit der Mischung aus wütendem Punk Rock
und resignierten Folk gibt es dazu die perfekte musikalische
Untermalung für ein Album, das direkt ins Herz trifft und
gleichzeitig im Kopf hängen bleibt.
Die Musik von
Phosporescent ist wirklich zum weinen schön. Diesen Ausdruck
verbinde ich oft mit der Musik von Sigur Ros, deren Lieder es immer
eindrucksvoll schaffen eine oft überwältigende Melancholie mit
warmer Euphorie zu einem verwirrenden, aber zutiefst bewegenden
Hörerlebnis zu verbinden. Und auch wenn die Musik von Matthew Houck
alias Phosporescent musikalisch nur wenig mit den Isländern gemein
hat, mischt er ebenso gekonnt widerstrebende Stimmungen zu
wundervollen Liedern.
Im
weitesten Sinne sind die Songs auf Muchacho altmodischer Folk,
inklusive einer ganzen Batterie von Instrumenten und einem groß
angelegten, warmen Sound. Houcks Stimme ist kratzig und nicht
außergewöhnlich kraftvoll, zieht den Hörer aber sofort mit seiner Ausdrucksstärke in den Bann. Und die wunderbar detaillierte Musik
hält damit mühelos Schritt. So ist das wunderbare Song for Zula
gleichzeitig ätherische Ballade und lebhafte Hymne, während der Gesang zwischen Reue und Triumph, zwischen Trauer und
Euphorie schwankt. Und diese Dualität zieht sich durch alle folgenden Songs,
von dem überraschend rockigen Ride On / Right On - „Let's
Go for A Ride, Hej You turn me right on“ - zu einem tief traurigen
Song wie A New Anhedonia - „Oh, it's unbearable then, to
find you feeling so terrible, friend“.
Wenig
erstaunlich lesen sich die Texte alle wie persönliche Gedichte, die es verdienen
genau gelesen zu werden, auch wenn es schwer fällt nicht einfach in
den Songs zu versinken. Und auch wenn das meiste hier traurig und
schmerzhaft zu lesen ist – es verarbeitet nach Houcks eigenen
Worten „My Life falling apart“ - gibt es ebenso wie in der Musik
nicht bloß Schmerz und Selbstmitleid. Auch hier schleichen sich
Optimismus, stolzer Trotz und sogar wieder diese leise Euphorie in die Lyrics.
Daughter waren für mich eine der aufregendsten Newcomer der letzten Jahre. 2011 veröffentlichte Elena Tonra,
damals noch solo, zwei EPs, die ebenso schön, wie erdrückend
traurig waren. Tonras Stimme lässt einen einfach sofort alles
vergessen und zieht in den Bann. Dazu schreibt sie Texte, die bei
genauem Hinhören immer wieder das Herz schwer werden und den Mund
fassungslos offen stehen lassen. Auch auf dem ersten Album
If you leave zwei Jahre später ist es nicht anders. Tonra
singt mit dieser Wahnsinns-Stimme über zerbrochene Liebe und andere
schmerzhafte Lebenserfahrungen. Mit nur einem Satz schafft sie es
immer noch mein Herz schwer werden zu lassen. Unterstützt wird sie
dabei jetzt von einer richtigen Band, die Daughters Mischung aus
verträumten Folk und leichten Anklängen von Post Rock
unaufdringlich anreichern.
Die
Songs, die zur Hälfte bereits vorher bekannt und/oder in anderen Versionen veröffentlicht
waren, werden durch prominentere E-Gitarre und Schlagzeug teilweise
mit einem detaillierteren Soundteppich versehen oder einfach mit
etwas mehr Wucht ausgestattet. Am besten klappt das auf dem im
Albumkontext fast schon fröhlichen, vor allem aber rockigen Human
oder aber auf dem hypnotischen Tomorrow, auf dem sich Tonras
zärtlich-verzweifelter Gesang eindrucksvoll mit tösendem Post Rock verbindet.
Das vorab veröffentlichte Smother, fast schon zu schmerzhaft
zum hören, ist ein weiteres Highlight und erinnert am ehesten an den reduzierten Sound der EPs. Mein Lieblingslied der Eps –
Youth – verliert dagegen durch die zusätzliche Instrumentierung
leider etwas von seiner Unmittelbarkeit, der Text bleibt aber nach
wie vor zutiefst erschütternd. Ansonsten profitieren die Songs aber
meistens vom größeren Sound der Band, sogar laute, fast lärmende
Passagen haben einen Platz auf If you Leave um den Kontrast
zwischen der Schönheit von Tonras Stimme und der Dunkelheit ihrer
Worte zu überbrücken. Neben der alles zertrümmernden Traurigkeit,
gesellt sich so an manchen Stellen vertonte Wut und notwendige
Entladung.
Insgesamt
kann das Album meine astronomischen Erwartungen nicht ganz erfüllen,
trotzdem ist If you Leave ein absolutes Hörerlebnis und eines
das mit zunehmenden Durchgängen immer weiter wächst, vor allem in
diesem nicht enden wollenden Winter...
Raphaelle Standell-Preston und Alexander Cowan machen
einen Soundtrack zum Träumen – Warme, psychedelische und
entspannende Pop Musik, die doch immer wieder ungewöhnliche
Wendungen nimmt und den Hörer in eine hypnotische , andersartige
Welt entführt. Standell-Preston ist auch noch in der
gitarren-lastigeren Band Braids, die viele Ähnlichkeiten mit
Blue Hawaii aufweist und doch ganz anders klingt. Denn wo
Braids aus ungewöhnlichen Melodien und Sounds eingängige,
wenn auch angenehm schräge Popmusik macht, geht Blue Hawaii
den umgekehrten Weg. Die Beiden Musiker nehmen die zauberhafte Stimme von
Standell-Preston und jede Menge elektronisch-poppige Melodien und
dekonstruieren sie dann mit viel Gusto. Stimme und Musik werden
zerstückelt, manipuliert und dann wieder zusammen gesetzt. Heraus
kommen kühle, gespenstische Songs, aus denen sich langsam und
unerwartet doch wieder Pop-Melodien oder sogar Musik für die
Tanzfläche heraus schälen.
Am besten gelingt das auf dem
herzergreifenden Try to Be, das trotz oder auch wegen all der
Dekonstruktion immer noch ein lupenreiner Dream Pop Song bleibt.
Andere Highlights sind Sierra Lift, ein Song der die
stimmliche Manipulation auf die Spitze treibt und daraus
überraschenderweise eine große emotionale Wucht gewinnt und der In
Two-Zweiteiler, der sich fließend von einem hypnotischen Popsong
in einen hypnotischen Electro-Song wandelt. Am besten aber
funktionieren die Songs als Ganzes, als eine abwechselnd einlullende
und dann wieder wachrüttelnde Reise durch eine elektronische
Klanglandschaft.
Chvrches haben erst zwei Singles und diese EP
veröffentlicht, wurden aber bereits letztes Jahr von diversen
Plattformen von Spiegel Online bis Pitchfork als einer der interessantesten Newcomer 2013 auserkoren.
Doch hinter dem herrlich frischen Electro-Pop der Band, die es nur
für kurze Zeit mit Anonymität versuchte, stecken keine blutjungen
Anfänger, sondern schon lange etablierte Mitglieder der Glasgower
Indie-Szene. Iain Cook war Mitglied der großartigen Aereogramme
und ist jetzt Teil der Nachfolgeband The Unwinding Hours,
Martin Doherty war Tour-Mitglied der ebenso großartigen The
Twilight Sad. Gemeinsam versuchten sie sich an einem elektronischen Nebenprojekt und holten sich Lauren Mayberry ins Boot, Sängerin der
Post-Rock-Indie-Band Blue Sky Archives.
Heraus
gekommen sind Synth Pop-Songs, die ein wenig an The Knife oder Purity Ring
erinnern, aber viel offener mit ihrer Poppigkeit und Eingängigkeit
umgehen. Bei den Melodien und Texten scheint aber dann doch die
Vergangenheit der drei Musiker durch und ihr Anspruch nicht bloß
hirnlose Popmusik zu machen. Das Ergebnis sind auf Recover
drei spannende Songs, die auf der Tanzfläche, im Radio aber auch
zuhause im dunklen Schlafzimmer funktionieren und Lust auf mehr
machen. Der abschließende Remix des Titelsongs zeigt dann noch das große Potential der Chvrches-Songs in dieser Hinsicht. Man kann nur hoffen, dass Chvrches seinen Mitgliedern
neben dem unzweifelhaften kritischen Erfolg, auch endlich einmal
etwas finanzielle Stabilität bringen wird.
Auf dieser 7'' geht Anja Plaschg ihren musikalischen Weg zwischen
ergreifender, klassisch anmutender Klaviermusik und
modernen, verstörenden Klangwelten konsequent weiter. Doch die drei
Songs hier klingen noch größer und wuchtiger, als das meiste, was
Soap
& Skin
vorher produziert hat. Me And The Devil
klingt dank dramatischen Streichern und kraftvollem Gesang riesig und
leidet in meinen Augen nur darunter, dass sowohl das brillante
Original von Robert Johnson, als auch das fantastische Cover von Gil
Scott-Heron
noch zu gut im Gedächtnis sind. Pray
ist eine wunderschöne, todtraurige Klavierballade, die aber deutlich
mehr Wucht hat, als die ruhigeren Songs auf Plaschgs letzter EP
Narrow.
Uneingeschränktes Highlight ist jedoch der Titelsong, der es schafft
einen tanzbaren Beat mit einem lateinischen Chor und einem Vibe
abgrundtiefer, verstörender Verzweiflung zusammen zu führen. Die
manipulierten Schreie zu Beginn klingen fast ein wenig zu echt und
die zentrale Zeile „Try to break one's heart in
perpetuity“ tut ihr übriges. Das der Song irgendwie trotzdem auch
noch eingängig ist, ein kleines Wunder...
Musik Videos:
Passion
Pit – Cry Like A Ghost
Die Protagonistin des Passion
Pit-Videos tanzt sich aggressiv und manisch durch den Schmerz zerbrochener Beziehungen. Parallel dazu sehen wir in beeindruckend
choreographierten und gefilmten Bildern eben diese vergangenen
Beziehungen im Schnelldurchlauf. Ein fantastisches Video, dass
sicherlich äußerst viel Planung benötigte und wie ein modernes Action-Ballett wirkt.
Altar
of Plagues – God Alone
Progressiver Black Metal mit
Grindcore-Einflüssen ist sicher nicht die Sache der meisten, aber
dieses faszinierende Schwarz-Weiß-Video würde auch ohne Ton
funktionieren. Drei Frauen und ein Mann tanzen etwas, das wie eine
Mischung aus Ritual, Vorspiel und Erkundung des menschlichen Körpers
anmutet. Das diese Bilder mit der Musik zu einem hypnotischen Ganzen
verschmelzen ist bemerkenswert und dürfte für einige rauchende Köpfe
bei altmodischen Metal-Fans sorgen.
Tokimonsta
ft. MNDR – Go with It
Ein erfolgreicher, oberflächlicher und
innerlich zutiefst unglücklicher Mann wird von einem vermeintlichen One Night Stand entführt und in der
Wildnis ausgesetzt. Von dort beginnt seine Reise zurück zu seinem
Ich und zu der Frau seiner Träume. So könnte man das Video zu Go
with It beschreiben. Vor allem aber erzählt es eine vollständige
Geschichte in hochwertigen, verträumten und romantischen Bildern. Die ungewöhnliche
Stimme von MNDR und der Percussion-lastige Sound von
Tokimonsta halten den dazugehörigen Song davon ab einfach nur
austauschbare Popmusik zu sein und untermalen das Gezeigte dazu noch
wunderbar.
Marnie
Stern – Immortals
Marnie Stern träumt in diesem Video davon
ein Rockstar zu sein. Eigentlich ist sie das ja schon längst und
diese Fantasie zeigt genau wie ich mir ein Marnie Stern Konzert
vorstelle. Sympathischste Gitarren-Fricklerin ever!