Montag, 30. Januar 2017

Meine Lieblingsmusik aus dem Januar 2017

Ein unerwartet starker Januar für Musik! Ich hatte noch nicht genug Zeit das neue Fred Thomas-Album zu hören, aber der Ersteindruck ist: wieder ungewöhnlich, tiefgründig und witzig. Das neue Japandroids-Album reizt mich gar nicht, aber ich bin gerade auch nicht in Stimmung für "Classic" Rock. Und das neue Cloud Nothings-Album ist wieder poppiger, hat ein paar starke Momente, haut mich aber insgesamt so gar nicht um. Das neue Antilopen Gang-Album ist...lang und hat viele Fremdschäm-Momente...
Oh, und das dritte Run The Jewels-Album kam zwar eigentlich schon Ende Dezember heraus, aber es muss zumindest noch mal gesagt werden, dass El-P und Killer Mike  produktionstechnisch UND bei den Texten unglaublicherweise noch mal zwei, drei Schippen drauf gelegt haben und immer noch das Beste Rap-Duo zur Zeit seit langem aller Zeiten sind!     

Priests - Nothing Feels Natural 

Es ist einfach das beste Gefühl, wenn ein lang ersehntes Album, die hohen Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern noch bei weitem übertrifft. So geschehen bei dem großartigen Debüt-Album von Priests.

Die Band macht wütenden, politischen Punk mit einer guten Prise Pop und einer Psychedelic und Surf Rock-Schlagseite, die eigentlich kein Recht hat so gut zu funktionieren. Nothing Feels Natural verbindet die Energie und das Potential von Priests bisheriger Musik mit noch viel besserem Songwriting und hohem Abwechslungsgreichtum.

Das größte Alleinstellungsmerkmal der Band ist weiterhin Sängerin Katie Alice Greer. Sie schreit bis sich ihre Stimme überschlägt oder versagt, kann aber auch beeindruckend singen, irgendwo zwischen Schönheit, Zynismus und Trauer in der Stimme. Und selbst ein Spoken Word-Song wie No Big Bang wird in ihrer Hand absolut faszinierend.

Musikalisch wird diese neue stimmliche Bandbreite von Greer eindrucksvoll untermalt. Neben Highlights wie Jj und Pink White House, die Priests Formel aus manischem Punk und schrägem Surf Rock perfektionieren, gibt es den furchteinflössenden und ungewöhnlich experimentellen Opener Appropriate, der eindrucksvoll zeigt wo der Hammer hängt und Anhänger "schöner" Musik sicher direkt vergrault. Am aufregendsten aber sind die Songs Leila 20, Suck und der Titeltrack, die den Pop-Anteil im Sound von Priests deutlich erhöhen und mit großen Melodien fast schon Hymnen-Charakter haben. Die Songs sind tanzbar und haben Ohrwurmpotential, ohne aber jemals zahnlos zu wirken oder irgendetwas von ihrer Kratzbürstigkeit zu verlieren.

Ein grandioses Punk-Album ohne Schwachstellen, dass gerade in diesen Zeiten ebenso wichtige wie willkommen ist. 

Lieblingslieder: Jj, Leila 20, No Big Bang, Nothing Feels Natural

The xx - I See You 

Das Debüt-Album von The xx war eine zeit lang so omnipräsent, dass man leicht vergessen kann wie einzigartig und großartig es war und immer noch ist. In der Zwischenzeit ist die Band ein großer Act, was man nicht zuletzt an ihrem Einfluss auf die Popmusik der letzten Jahre sieht.
Doch the xx selbst stagnierten mit ihrem zweiten Album auf hohem Niveau - Coexist war ein gutes Album, aber es gab wenig, das wirklich hängen blieb.

Vier Jahre später sieht das zum Glück anders aus: I See You ist das poppigste und extrovertierteste Album von the xx, ohne dabei die Romantik, Erotik und Schönheit der Musik zu opfern. Gleich der Opener Dangerous ist dabei die größte Überraschung: eine kraftvolle Hymne für eine außergewöhnliche Liebe, mit einem fantastischen Bläser-Sample, der unvergleichlichen Chemie zwischen Romy Madley Croft und Oliver Sims und einer Produktion, die an Jamie Smiths Soloplatte erinnert.

Letztere ist generell die größte Stärke von I See You. Smith und Co. trauen sich einfach mehr und heraus kommt ein durchweg aufregendes Album. Ja, der Minimalismus machte vorher den Sound der Band aus, hätte aber auf Dauer nur für Langeweile gesorgt. Und auch wenn I See You deutlich größer und ausladender klingt, ist es nie leerer Bombast oder Anbiederung an den Pop. Alle großen Momente kommen mit der Emotionalität und Ehrlichkeit, die den Sound der Band auszeichnet.

Insgesamt ist das Album hoffnungsvoller und von der Stimmung her irgendwo zwischen der Schlafzimmermusik des Debüts und der Tanzfläche von Jamie xx Soloalbum angesiedelt. Großartig ist es gerade deswegen, trotzdem aber immer noch unverkennbar the xx.   

Lieblingslieder: Dangerous, Say Something Loving, A Violent Noise, Replica,

Allison Crutchfield - Tourist in this Town 

Allison Crutchfield ist erst 27, aber macht schon über 10 Jahre fantastische Musik - erst mit ihrer Zwillingsschwester in The Ackleys, P.S. Eliot und Bad Banana, dann in Swearin' und schließlich wieder im Projekt Waxahatchee von Schwester Katie.

Doch Tourist in this Town, entstanden nach der Aufösung von Swearin' und Trennung von ihrem Freund (und Swearin'-Mitglied) Kyle Gilbride, ist nicht nur Crutchfields erstes Album unter ihrem Namen (nach einer tollen, wenig beachteten EP), sondern auch das bisher Ungewöhnlichste und Persönlichste. Oh, und natürlich ist es auch wieder verdammt großartig!

Das Album hat Spuren des Pop Punks und Indie Rocks Crutchfields bisheriger Bands und nicht nur wegen der Stimme auch Ähnlichkeiten zu Waxahatchee, klingt aber oft auch ganz anders und aufregend neu. Neben dem höheren Pop-Anteil, sind es vor allem die Synths, die den ungewöhnlichen Sound komplett machen. Schon der Opener Broad Daylight zeigt mit einem umwerfenden Acapalla-Intro und schimmernden Synths die Richtung und Ambition des Albums deutlich. Die erste Single Dean's Room klingt wie eine Indie-Band, die The Cure covert und dabei richtig gute Laune hat. Und auch wenn es vielleicht schwer zu glauben ist, der Song ist fantastisch. Oder Mile Away, ein großer Song, der nach einem 80er-Hit klingt, aber gleichzeitig von Crutchfields sehnsüchtiger Stimme wieder zurück in die Moderne und Intimität geholt wird.

So funktioniert die Magie von Tourist in this Town oft. Es ist ein trauriges Album über eine zerbrochene Beziehung und der Angst vor dem was als nächstes kommt. Es ist aber auch ein euphorisches Album über ein neues Kapitel in Leben und Musik, voller Aufregung und neuer Entdeckungen. Der Sound der Songs gibt das alles wieder und aus den widerstrebenden Gefühlen und Stimmungen wird ein abwechslungsreiches Album, das auf die Stärken von Crutchfield aufbaut und ihnen noch ein paar Neue hinzufügt.  

Lieblingslieder: Broad Daylight, Charlie, Dean's Room, Mile Away, Secret Lives and Deaths 

Julie Byrne - Not Even Happiness
 
Das neue Album von Julie Byrne ist eines dieser perfekten Winteralben, über die es mir schwer fällt viel zu schreiben. Deswegen nur ein paar Worte...

Byrne hat eine dieser Alt-Stimmen, die wie Balsam für die Seele klingen, wie eine warme Decke an einem bitterkalten Tag. Und die Musik dazu klingt wie ein vertonter Winter in der Natur - mit viel Schnee, Sonne und weit und breit keinem Menschen in Sicht.

Das Ganze ist wohl so etwas wie Folk, mit einer prominenten Akkustik-Gitarre und nur dezent eingesetzten Streichern und Keyboard. Doch auch wenn es musikalisch nichts damit gemeinsam hat, erinnert es mich oft an Kirchenmusik und Gospel. Das liegt an der Klarheit von Byrnes Stimme und der Erhabenheit ihrer wunderschönen Musik.

Lieblingslieder: Sleepwalker, Melting Grid, Morning Dove, I Live now as a Singer  


Songs:

Pallbearer - Thorns: Auch wenn ich die Band mag, habe ich den Hype um Pallbearer nie so ganz verstanden. Sie machen guten, melodischen und etwas nostalgischen Doom Metal, aber nichts weltbewegendes. Bis jetzt! Dieser neue Song ist in jeder Hinsicht gigantisch und das obwohl er nur gut 5 Minuten lang ist. Gesanglich wie auch musikalisch ein Quantensprung für die Band. Heavy, aber klar, melancholisch und doch auch irgendwie hoffnungsvoll und episch, aber auch persönlich wie nie zuvor. Die Band benutzt zwar nach wie vor einen typischen Doom/Stoner-Sound, mit Black Sabbath-Verehrung und einem ruhigeren Teil, der an frühe Metallica erinnert, aber das Ganze klingt einfach so unbeschreiblich frisch und mitreißend! (Link zum Song) 

Strand Of Oaks - Rest Of It: Bisher machte Michael Showalter merkwürdige, aber tolle Musik zwischen Rock n Roll, Synth Pop und Jason Molina-Anbetung. Seine neue Single ist die erste richtige Hymne, die er geschrieben hat - mit feurigen Gitarren-Soli, Mitsing-Parts und einem Sound und Swagger, der an die Rolling Stones, zu ihren besten Zeiten erinnert. Und überraschenderweise funktioniert der Song absolut hervorragend. (Link zum Song)   

Xiu Xiu - Jenny GoGo: Das neue Album von Xiu Xiu soll ihr poppigstes bisher sein und die zweite Single Jenny GoGo unterstreicht diese Behauptung mit überraschender Eingängigkeit. Das heißt aber noch lange nicht, dass Jamie Stewart und Co. nicht weiterhin absolute verstörende, hypnotische Musik machen, die sich tief ins Unterbewusstsein eingräbt. Ein tanzbarer Alptraum sozusagen. (Link zum Song)


Mount Eerie - Real Death: Letzten Sommer starb Phil Everum's Frau Geneviève Castrée an unheilbarem Bauchspeicheldrüsenkrebs, ein Jahr nach dem die gemeinsame Tochter geboren wurde. Real Death ist der erste Mount Eerie-Song nach diesem unbeschreiblichen Verlust. Der Song ist nicht melodramatisch, hoffnungsvoll oder erleuchtet, sondern einfach eine anekdotische, fast nüchterne, aber nichtsdestotrotz todtraurige Erzählung über Verlust und Trauer: "I don't wanna learn anything from this. I love You." (Link zum Song)