Ein unerwartet starker Januar für
Musik! Ich hatte noch nicht genug Zeit das neue Fred Thomas-Album zu hören, aber der Ersteindruck ist: wieder
ungewöhnlich, tiefgründig und witzig. Das neue Japandroids-Album reizt mich gar nicht, aber ich bin gerade auch
nicht in Stimmung für "Classic" Rock. Und das neue Cloud Nothings-Album ist wieder
poppiger, hat ein paar starke Momente, haut mich aber insgesamt so gar nicht
um. Das neue Antilopen Gang-Album
ist...lang und hat viele Fremdschäm-Momente...
Oh, und das dritte Run The Jewels-Album kam zwar
eigentlich schon Ende Dezember heraus, aber es muss zumindest noch mal gesagt
werden, dass El-P und Killer Mike produktionstechnisch
UND bei den Texten unglaublicherweise noch mal zwei, drei Schippen drauf gelegt
haben und immer noch das Beste Rap-Duo zur Zeit seit langem aller
Zeiten sind!
Priests
- Nothing Feels Natural
Es ist einfach das beste Gefühl, wenn ein lang ersehntes Album, die
hohen Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern noch bei weitem übertrifft. So
geschehen bei dem großartigen Debüt-Album von Priests.
Die Band macht wütenden, politischen Punk mit einer guten Prise Pop und
einer Psychedelic und Surf Rock-Schlagseite, die eigentlich kein Recht hat so
gut zu funktionieren. Nothing Feels Natural verbindet die Energie und das
Potential von Priests bisheriger Musik mit noch viel besserem Songwriting und
hohem Abwechslungsgreichtum.
Das größte Alleinstellungsmerkmal der Band ist weiterhin Sängerin Katie
Alice Greer. Sie schreit bis sich ihre Stimme überschlägt oder versagt, kann aber auch beeindruckend singen, irgendwo zwischen Schönheit, Zynismus und
Trauer in der Stimme. Und selbst ein Spoken Word-Song wie No Big Bang wird in
ihrer Hand absolut faszinierend.
Musikalisch wird diese neue stimmliche Bandbreite von Greer
eindrucksvoll untermalt. Neben Highlights wie Jj und Pink White House, die
Priests Formel aus manischem Punk und schrägem Surf Rock perfektionieren, gibt
es den furchteinflössenden und ungewöhnlich experimentellen Opener Appropriate,
der eindrucksvoll zeigt wo der Hammer hängt und Anhänger "schöner"
Musik sicher direkt vergrault. Am aufregendsten aber sind die Songs Leila 20,
Suck und der Titeltrack, die den Pop-Anteil im Sound von Priests deutlich
erhöhen und mit großen Melodien fast schon Hymnen-Charakter haben. Die
Songs sind tanzbar und haben Ohrwurmpotential, ohne aber jemals zahnlos zu
wirken oder irgendetwas von ihrer Kratzbürstigkeit zu verlieren.
Ein grandioses Punk-Album ohne Schwachstellen, dass gerade in diesen
Zeiten ebenso wichtige wie willkommen ist.
Lieblingslieder: Jj, Leila 20, No Big Bang, Nothing Feels Natural
The
xx - I See You
Das Debüt-Album von The xx war eine zeit lang so omnipräsent, dass man
leicht vergessen kann wie einzigartig und großartig es war und immer noch ist.
In der Zwischenzeit ist die Band ein großer Act, was man nicht zuletzt an ihrem
Einfluss auf die Popmusik der letzten Jahre sieht.
Doch the xx selbst stagnierten mit ihrem zweiten Album auf hohem Niveau
- Coexist war ein gutes Album, aber es gab wenig, das wirklich hängen blieb.
Vier Jahre später sieht das zum Glück anders aus: I See You ist das
poppigste und extrovertierteste Album von the xx, ohne dabei die Romantik,
Erotik und Schönheit der Musik zu opfern. Gleich der Opener Dangerous ist dabei
die größte Überraschung: eine kraftvolle Hymne für eine außergewöhnliche Liebe,
mit einem fantastischen Bläser-Sample, der unvergleichlichen Chemie zwischen Romy
Madley Croft und Oliver Sims und einer Produktion, die an Jamie Smiths
Soloplatte erinnert.
Letztere ist generell die größte Stärke von I See You. Smith und Co. trauen
sich einfach mehr und heraus kommt ein durchweg aufregendes Album. Ja, der
Minimalismus machte vorher den Sound der Band aus, hätte aber auf Dauer nur für
Langeweile gesorgt. Und auch wenn I See You deutlich größer und ausladender
klingt, ist es nie leerer Bombast oder Anbiederung an den Pop. Alle großen
Momente kommen mit der Emotionalität und Ehrlichkeit, die den Sound der Band
auszeichnet.
Insgesamt ist das Album hoffnungsvoller und von der Stimmung her
irgendwo zwischen der Schlafzimmermusik des Debüts und der Tanzfläche von Jamie
xx Soloalbum angesiedelt. Großartig ist es gerade deswegen, trotzdem aber immer
noch unverkennbar the xx.
Lieblingslieder: Dangerous, Say Something Loving, A Violent Noise,
Replica,
Allison
Crutchfield - Tourist in this Town
Allison Crutchfield ist erst 27, aber macht schon über 10 Jahre
fantastische Musik - erst mit ihrer Zwillingsschwester in The Ackleys, P.S.
Eliot und Bad Banana, dann in Swearin' und schließlich wieder im Projekt Waxahatchee von Schwester Katie.
Doch Tourist in this Town, entstanden nach der Aufösung von Swearin' und Trennung von ihrem Freund (und Swearin'-Mitglied) Kyle Gilbride, ist nicht nur Crutchfields
erstes Album unter ihrem Namen (nach einer tollen, wenig beachteten EP),
sondern auch das bisher Ungewöhnlichste und Persönlichste. Oh, und natürlich
ist es auch wieder verdammt großartig!
Das Album hat Spuren des Pop Punks und Indie Rocks Crutchfields
bisheriger Bands und nicht nur wegen der Stimme auch Ähnlichkeiten zu
Waxahatchee, klingt aber oft auch ganz anders und aufregend neu. Neben dem
höheren Pop-Anteil, sind es vor allem die Synths, die den ungewöhnlichen Sound
komplett machen. Schon der Opener Broad Daylight zeigt mit einem umwerfenden
Acapalla-Intro und schimmernden Synths die Richtung und Ambition des Albums
deutlich. Die erste Single Dean's Room klingt wie eine Indie-Band, die The Cure
covert und dabei richtig gute Laune hat. Und auch wenn es vielleicht schwer zu glauben
ist, der Song ist fantastisch. Oder Mile Away, ein großer Song, der nach einem
80er-Hit klingt, aber gleichzeitig von Crutchfields sehnsüchtiger Stimme wieder
zurück in die Moderne und Intimität geholt wird.
So funktioniert die Magie von Tourist in this Town oft. Es ist ein
trauriges Album über eine zerbrochene Beziehung und der Angst vor dem was als
nächstes kommt. Es ist aber auch ein euphorisches Album über ein neues Kapitel
in Leben und Musik, voller Aufregung und neuer Entdeckungen. Der Sound der
Songs gibt das alles wieder und aus den widerstrebenden Gefühlen und Stimmungen
wird ein abwechslungsreiches Album, das auf die Stärken von Crutchfield aufbaut
und ihnen noch ein paar Neue hinzufügt.
Lieblingslieder: Broad Daylight, Charlie, Dean's Room, Mile Away,
Secret Lives and Deaths
Julie
Byrne - Not Even Happiness
Das neue Album von Julie Byrne ist eines dieser perfekten Winteralben,
über die es mir schwer fällt viel zu schreiben. Deswegen nur ein paar Worte...
Byrne hat eine dieser Alt-Stimmen, die wie Balsam für die Seele
klingen, wie eine warme Decke an einem bitterkalten Tag. Und die Musik
dazu klingt wie ein vertonter Winter in der Natur - mit viel Schnee, Sonne
und weit und breit keinem Menschen in Sicht.
Das Ganze ist wohl so etwas wie Folk, mit einer prominenten
Akkustik-Gitarre und nur dezent eingesetzten Streichern und Keyboard. Doch auch
wenn es musikalisch nichts damit gemeinsam hat, erinnert es mich oft an
Kirchenmusik und Gospel. Das liegt an der Klarheit von Byrnes Stimme und der
Erhabenheit ihrer wunderschönen Musik.
Lieblingslieder: Sleepwalker, Melting Grid, Morning Dove, I Live now as
a Singer
Songs:
Pallbearer - Thorns: Auch
wenn ich die Band mag, habe ich den Hype um Pallbearer nie so ganz verstanden.
Sie machen guten, melodischen und etwas nostalgischen Doom Metal, aber nichts
weltbewegendes. Bis jetzt! Dieser neue Song ist in jeder Hinsicht gigantisch
und das obwohl er nur gut 5 Minuten lang ist. Gesanglich wie auch musikalisch
ein Quantensprung für die Band. Heavy, aber klar, melancholisch und doch auch
irgendwie hoffnungsvoll und episch, aber auch persönlich wie nie zuvor. Die
Band benutzt zwar nach wie vor einen typischen Doom/Stoner-Sound, mit Black
Sabbath-Verehrung und einem ruhigeren Teil, der an frühe Metallica erinnert,
aber das Ganze klingt einfach so unbeschreiblich frisch und mitreißend! (Link zum Song)
Strand Of Oaks - Rest Of It:
Bisher machte Michael Showalter merkwürdige, aber tolle Musik zwischen Rock n
Roll, Synth Pop und Jason Molina-Anbetung. Seine neue Single ist die erste
richtige Hymne, die er geschrieben hat - mit feurigen Gitarren-Soli,
Mitsing-Parts und einem Sound und Swagger, der an die Rolling Stones, zu ihren
besten Zeiten erinnert. Und überraschenderweise funktioniert der Song absolut
hervorragend. (Link zum Song)
Xiu Xiu - Jenny GoGo: Das
neue Album von Xiu Xiu soll ihr poppigstes bisher sein und die zweite Single
Jenny GoGo unterstreicht diese Behauptung mit überraschender Eingängigkeit. Das
heißt aber noch lange nicht, dass Jamie Stewart und Co. nicht weiterhin
absolute verstörende, hypnotische Musik machen, die sich tief ins
Unterbewusstsein eingräbt. Ein tanzbarer Alptraum sozusagen. (Link zum Song)
Mount Eerie - Real Death: Letzten
Sommer starb Phil Everum's Frau Geneviève Castrée an unheilbarem
Bauchspeicheldrüsenkrebs, ein Jahr nach dem die gemeinsame Tochter geboren
wurde. Real Death ist der erste Mount Eerie-Song nach diesem unbeschreiblichen
Verlust. Der Song ist nicht melodramatisch, hoffnungsvoll oder erleuchtet, sondern einfach
eine anekdotische, fast nüchterne, aber nichtsdestotrotz todtraurige Erzählung
über Verlust und Trauer: "I don't wanna learn anything from this. I love
You." (Link zum Song)