Aesop Rock - The Impossible Kid
Nach fast 5 Jahren in denen er mit sehr unterschiedlichen Künstlern zusammen gearbeitet hat, ist es wunderbar wieder ein Album zu haben, das
zu 100% von Aesop Rock geschrieben, produziert und gerappt wurde.
The Impossible Kid ist das Ergebnis einer Lebenskrise, die den Rapper in das selbst auferlegte Exil einer abgelegene Scheune trieb. Auch deshalb ist es das
wohl persönlichste und ungewöhnlichste Album von Aesop Rock. Im Gegensatz zu
allen bisherigen Alben sind viele Songs hier ungewöhnlich direkt und
autobiographisch, wobei das natürlich auch eng verknüpft ist. Denn persönlich
waren die lyrics von Aes schon immer, aber meistens so dicht und kryptisch,
dass vieles unverständlich oder zumindest unklar blieb. Der Wandel zu einem
"verständlicheren" Stil wirkt aber zum Glück überhaupt nicht
gezwungen oder gar kommerziell.
Auch die unglaubliche Wortgewalt des Rappers leidet dadurch keineswegs. Im Gegenteil. So wird etwa aus einem gewöhnlichen Besuch beim
Therapeuten in dem Song Shrunk ein lustiges, bedrohliches und zutiefst surreales Erlebnis.
Und selbst das lyrisch wohl simpelste Lied Blood Sandwich macht aus
gewöhnlichen Anekdoten über die Brüder von Aesop Rock, ebenso humorvolle wie
melancholische Kurzgeschichten über Kindheit und Familie. Diese Qualitäten
ziehen sich durch alle Stücke auf The Impossible Kid: Der Rapper schafft es immer wieder auf zutiefst kreative Weise das Persönliche so spezifisch und
idiosynkratisch zu vertonen - ohne dabei die Nachvollziehbarkeit der Themen und
Gefühle aus den Augen zu verlieren.
Die blumige Wortwahl und die manchmal fast schon außerirdische Sicht selbst auf alltägliche Dinge steht im Kontrast zu der größeren Nachvollziehbarkeit von Aesop Rocks Geschichten, aber gerade das macht The Impossible Kid zu einem so großartigen
Hörerlebnis. Immer wieder gibt es Textzeilen, die einen zuerst verwirrt zurück
lassen, sich aber dann doch ins Gehirn fräsen und lange nachhallen.
Für einen großen Fan, der seit jeher abwechselnd damit beschäftigt war
die erwähnte Wortgewalt zu bewundern und die versteckten Themen in den
kryptischen Texten der vorherigen Alben von Aesop Rock zu entschlüsseln, ist die
Offenheit des neuen Albums oft überwältigend, fast schockierend. Letztendlich
gibt es den Songs aber nur noch eine größere Wucht.
Und es ist auch nicht so, als ob die Themen etwas ganz Neues für den Rapper wären. Eine Lebenskrise führte zur Entstehung von The Impossible Kid in einer einsamen Scheune und sowohl das Leben abseits der Zivilisation, aber auch die Gründe für dieses Leben werden auf vielfältige Weise thematisiert. So sind Depression, Reue über verpasste Chancen, das Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit und der Geist seines verstorbenen Freundes und Rappers Camu Tao wiederkehrende Themen. Das klingt schwer und düster, ist es auch oft. Gleichzeitig ist The Impossible Kid aber absolut kein negatives Album und Aesop Rock weit entfernt von etwas, das ich als "Emo Rap" bezeichnen würde. Die Songs regen oft zum nachdenken an und sind durchzogen von einer tiefen Melancholie, aber sie sind ebenso einfach verdammt witzig, unterhaltsam und vor allem so treffend. Absolut dunklen Zeilen wie "Question: If I died in my apartment like a rat in a cage. Would the neighbors smell the corpse before the cat ate my face?" oder eine knappe Selbstbeobachtung wie "Party over here, I'll be over there", stehen ganze Songs wie Kirby entgegen, der eine extrem lustige Liebeserklärung an das Katzenbaby gleichen Namens ist. Oder die erste Begegnung eines misstrauischen Aesop Rock mit seiner neuen Therapeutin:
Und es ist auch nicht so, als ob die Themen etwas ganz Neues für den Rapper wären. Eine Lebenskrise führte zur Entstehung von The Impossible Kid in einer einsamen Scheune und sowohl das Leben abseits der Zivilisation, aber auch die Gründe für dieses Leben werden auf vielfältige Weise thematisiert. So sind Depression, Reue über verpasste Chancen, das Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit und der Geist seines verstorbenen Freundes und Rappers Camu Tao wiederkehrende Themen. Das klingt schwer und düster, ist es auch oft. Gleichzeitig ist The Impossible Kid aber absolut kein negatives Album und Aesop Rock weit entfernt von etwas, das ich als "Emo Rap" bezeichnen würde. Die Songs regen oft zum nachdenken an und sind durchzogen von einer tiefen Melancholie, aber sie sind ebenso einfach verdammt witzig, unterhaltsam und vor allem so treffend. Absolut dunklen Zeilen wie "Question: If I died in my apartment like a rat in a cage. Would the neighbors smell the corpse before the cat ate my face?" oder eine knappe Selbstbeobachtung wie "Party over here, I'll be over there", stehen ganze Songs wie Kirby entgegen, der eine extrem lustige Liebeserklärung an das Katzenbaby gleichen Namens ist. Oder die erste Begegnung eines misstrauischen Aesop Rock mit seiner neuen Therapeutin:
"She says,
"I'm not your enemy"
I said, "That sounds like something that my enemy would say"
Instead of playing off the chemistry she said, "You're being
difficult"
I said,
"I'm being guarded. You're a quarter mil in debt, I get more guidance from
my barber. [...]."
Gemeinsam haben diese Beispiele vor allem wie treffend sie etwas
beschreiben, das jeder kennt. Es gibt noch hunderte solcher Textstellen, die
(schwarzen) Humor, tiefgründige (Selbst)-Reflektion und ein fast übernatürliches
Talent dafür das Alltägliche, ebenso wie das Außergewöhnliche, unvergleichlich gut zu
beschreiben.
Als Produzent bekam Aesop Rock noch nie besonders viel
Aufmerksamkeit und das absolut zu unrecht. The Impossible Kid ist fast
ausschließlich von ihm selbst produziert und ist dabei so organisch, lebendig
und einfach "passend" wie vielleicht noch keines seiner Alben. Wohl platzierte Samples und ein großzügiger
Einsatz von fantastischen Scratches komplettieren einen Gesamtsound, der mehr ist als nur ein
Rahmen für einen ungewöhnlichen Flow. Es ist sicher eine große Herausforderung
Musik zu einem so dichten, wie schrägen Rapstil zu produzieren, ohne das diese
Musik stört oder verblasst. Hier ist sie dagegen mal perfekter Untergrund, mal
die Hauptattraktion. Und auch das macht aus einem ohnehin schon großartigen
Rapalbum, das vielleicht Beste in einer Karriere, die an Highlights wahrlich
nicht arm ist.
Lieblingslieder: Dorks, Blood
Sandwich, Shrunk, TUFF, Water Tower
Beyoncé - Lemonade
Beyoncé ist der wohl größte Popstar der Welt. Ihre Karriere ist perfekt
durchgeplant und hat ihr neben kommerziellem Erfolg auch ein mythischen Status
als makellose Überfrau eingehandelt. Durch die scheinbar perfekte Ehe mit Jay-Z
wurde dieser Eindruck noch verstärkt, vor allem auch weil die Öffentlichkeit
nur wohl kalkulierte Einblicke in das Privatleben des Power Couples bekam.
Lemonade, ihr neues Überraschungsalbum, ändert das jetzt
(scheinbar) auf spektakuläre Weise. Es ist ein zutiefst persönliches Album, das
eine chronologische Geschichte über Betrug und Vergebung erzählt. Die Musik von
Beyoncé war vielleicht auch vorher schon irgendwie persönlich, aber hier ist
sie verletzlich, wütend und emotional wie noch nie.
Und als ein eher sporadischer Hörer ihre Musik, kann ich sagen, dass
ihr das enorm gut steht. Auch wenn ich es langweilig finde zu analysieren wie
genau die Texte zu einer vermeintlichen Untreue von Jay-Z passen oder wer
"Becky with the good hair" ist, bleibt Lemonade ein phänomenales
Trennungsalbum, auch wenn am Ende offenbar eine Versöhnung steht.
Hold Up beschreibt den Moment der Realisierung, dass "er"
fremd geht, verbindet schmerzhafte lyrics mit einem Reggea-Beat, einer Yeah
Yeah Yeahs-Hommage(?) und wurde unter anderem von Ezra Koenig und Father John
Misty geschrieben. Was sich anhört wie eine Katastrophe ist in Wirklichkeit ein
früher Anwärter auf den Song des Sommers. Auch in anderen Songs bedient sich
Beyoncé mit einem scheinbar übernatürlichen Gespür an Musikrichtungen und
Musikern. Daddy Lessons ist ein Country-Song, der vor allem im Kontext dieses
Albums nicht funktionieren sollte, es aber tut. James Blake macht aus dem
leider viel zu kurzen, aber wunderschönen Foward praktisch einen James
Blake-Song und auch im Alternative RnB des Opener Pray You Catch Me ist sein
Einfluss unverkennbar. Und da ist da noch Jack White, der hilft aus Don't Hurt
Yourself einen absolut elektrisierenden Rocker zu mache in dem Beyoncé
problemlos die großen Schuhe von Allison Mosshart ausfüllt.
Doch auch mit den unzähligen Beteiligten bleibt Lemonade doch ganz klar
die Beyoncé-Show. Auf dem erwähnten Don't Hurt Yourself spuckt sie Gift, Galle
und Feuer, dass einem die Spucke weg bleibt. Und auf dem gigantischen Freedom
zwingt sie nicht nur zu absoluter Aufmerksamkeit, sondern verdammt sogar ein
richtig gutes Feature von Kendrick Lamar zur Nebensache. Beyoncés Stimme ist in
Topform auf dem Album und erhebt selbst die weniger spektakulären Songs auf
Lemonade weit über die Durchschnittlichkeit.
Starke (schwarze Frauen) spielen die Hauptrolle auf Lemonade und auch
in dem Film, der das Album begleitet. In den Videos sehen wir schwarze Stars,
Tänzerinnen, aber auch die Mütter von ermordeten schwarzen Männern und die
Großmutter von Jay-Z, die dem Album mit dem Satz "I was served lemons, but
I made Lemonade" den Namen gab. Und dann sind da noch die sehr persönlichen Gedichte von Warsan
Shire, die in dem Musikvideo wiederholt vorgelesen werden und eine eindeutige
thematische Inspiration für Beyoncé gewesen sind. Die Hauptrolle spielt aber
natürlich Beyoncé selbst. Sie ist die Betrogene und schließlich die Frau, die
ihrem Mann vergibt; aber darin steckt nie Schwäche - im Gegenteil. Ihre Reaktionen auf die Untreue lassen sich mit den Textzeilen "What are you doing, my love?" und "This is your final warning!" zusammen
fassen. Und auch wenn sie auf dem Album an sich selbst zweifelt, kommt auch die
anschließende Vergebung aus einer Position der Stärke: "Nothing real can be threatened". Diese Stärke spiegelt
sich auch in der ungewohnt politischen Ausrichtung der Vorabsingle Formation
wieder, die das weiße Amerika schockierte, ihr aber außerordentlich gut steht.
und schließlich sieht man die Stärke von Beyoncé eben auch in diesem so
selbstbewussten, mutigen Popalbum.
Lieblingslieder: Pray You Catch Me, Hold Up, Sorry, Daddy Lessons, Freedom,
All Night
Mamiffer - The World Unseen
Es gibt keine Musik, die sich so gut zum Hausarbeit schreiben, lernen
oder einfach zum abschalten eignet, wie die von Faith Coloccia. Von der äußerst
experimentellen Musik ihrer Vorgängerband Everlovely Lightningheart hin zu dem
etwas strukturierteren Nachfolgeprojekt Mamiffer war es ihre Musik, die am
häufigsten bei mir in Phasen der Konzentration und Kontemplation gespielt
wurde. Das soll aber nicht heißen, dass vor allem Mamiffers Musik nur zum
Nebenbei hören geeignet ist. Ganz im Gegensatz steckt hinter den geduldigen,
scheinbar formlosen Songs jede Menge Liebe zum Detail und ein thematischer
Überbau, der sich durch die Songtitel, spärlichen Texten und ausführlichen
Interviews der Bandmitglieder offenbaren.
Auf ihrem dritten Album The World Unseen sind Mamiffer endgültig ein
gleichberechtigtes Duo aus Faith Coloccia und ihrem Mann Aaron Turner (Ex-Isis,
Old Man Gloom, Sumac). Das spiegelt sich für mich vor allem in dem brillanten
Songwriting wieder, dass aus The World Unseen ein eindrucksvolles, oft sogar
eingängiges Gesamtkunstwerk macht ohne dabei das Offene, Experimentelle und scheinbar
Ungeplante zu vernachlässigen.
Die Musik besteht dabei hauptsächlich aus Coloccias Klavier, umwebt von
Turners Gitarrenklängen und warmen, erdigen Ambientklängen für die die
Bezeichnung Ambient Noise vielleicht richtig, aber doch irgendwie unpassend
wäre. Die große Kunst des Duos ist es dabei diese so simplen Zutaten zu etwas
so einzigartigem zusammen zu fügen. Mal klingt das wunderschön und zärtlich,
dann wieder absolut mächtig und fast bedrohlich. Mehr als zuvor steht dabei
Faith Coloccias Stimme im Vordergrund, die beladen mit Echos in und aus manchen
Songs schwebt und ihnen gleichzeitig etwas poppiges verleiht aber auch die
Spiritualität von Mamiffer noch betont.
Diese Spiritualität ist auch ohne Kenntnis der Texte und Themen des
Albums schnell ersichtlich. Durch die acht Songs auf The World Unseen zieht sich
ein, mal meditativer, mal erhabener, manchmal sogar ekstatischer Charakter,
immer aber wirkt die Musik absolut natürlich und ursprünglich.
Lieblingslieder: -
Frightened Rabbit - Painting Of A Panic Attack
Painting Of A Panic Attack ist das fünfte Album von Frightened Rabbit, ihr
zweites für ein Major Label und das erste Mal, dass sie mit Aaron Dessner von
The National als Produzent zusammen arbeiten. Das sind auf den ersten Blick die
wichtigsten Eckpunkte des Albums. Viel bedeutender aber ist hier wieder die
Frage, ob die Band das Spannungsfeld aus "Indie-Cred", musikalischer
Weiterentwicklung und kommerzieller Erwartungen erfüllen kann. Midnight Organ
Fight, ihr zweites Album ist ein Meisterwerk, das die Band in die Stratosphäre
schoss, aber auch fortan einen gigantischen Schatten über das weitere Schaffen
der Band warf. Die Folgealben wurden dann größer, rockiger, fröhlicher und
musikalisch vielseitiger. Pedestrian Verse, Frightened Rabbits Major Label
Debüt, führte diesen Trend fort und war dabei finanziell äußerst erfolgreich. Musikalisch
gab es auch hier viele gute Songs und Ideen, es fehlte aber leider ein wenig
die einzigartige Schwermut der Schotten, ebenso wie Lieder und Texte, die sich
wirklich dauerhaft einprägten.
Painting Of A Panic Attack schlägt da in eine ähnliche Kerbe. Der
gewohnte Bandsound um Scott Hutchinsons unvergleichliche Stimme wird ergänzt um
eine noch vielseitigere Instrumentierung. Das machen schon die vorab
veröffentlichten Songs deutlich. Death Dream ist eine wunderschöne Ballade, die
das Album überraschenderweise, aber durchaus willkommen einleitet. Get Out
dagegen ist ein explosiver Rocksong, der durch seine Intensität weit über die
Mittelmäßigkeit des eigentlichen Sounds hervor gehoben wird. Und Woke Up
Hurting ist handwerklich einwandfrei, aber auch irgendwie sehr langweilig und
fast im Territorium von Mumford And Sons.
Die restlichen Songs befinden sich (für Frightened Rabbit-Verhältnisse)
eher am lauteren, rockigen Ende des Spektrums, schwanken aber ebenso zwischen
ziemlich großartig und ziemlich austauschbar. Break ist dabei nicht nur der
"wildeste" Song, sondern auch so ziemlich der Beste. Er klingt neu
und aufregend, meistert aber gleichzeitig die seltsame Mischung aus Melancholie
und Euphorie, die Scott Hutchinson und Co. gemeistert haben, wie keine andere
Band. Ebenso großartig ist 400 Bones, das sich von zärtlichen Anfängen zu einer
großen Power-Ballade, mit Streichern und allem , entwickelt.
An anderen Stellen wird Hutchinsons Stimme aber fast zum Problem; er
könnte auch Einkaufszettel in Poesie verwandeln, täuscht dabei aber an einigen
Stellen über wenig bemerkenswerte Songs hinweg.
Die Produktion von Dessner bewegt sich irgendwo zwischen kompetent und
großartig. In Zweitere Kategorie fallen sicher der absolut volle Sound und die
Liebe zum Detail. Insgesamt profitiert Painting Of A Panic Attack, vor allem
gegenüber dem Vorgänger, von einer größeren "Wuchtigkeit", von einem
abwechslungsreichen, aber doch auch etwas einheitlicheren Sound und eben
besseren Songs. An frühere Glanztaten kommt das Ganze natürlich trotzdem nicht heran.
Das mag unfair sein, aber damit muss die Band eben leben. Und ein Album, das
wegen der glorreichen Vergangenheit von Frightened Rabbit automatisch so
kritisch beurteilt wird und halbwegs stand hält, kann so schlecht ja wirklich
nicht sein.
Lieblingslieder: Death Dream, Get Out, Break, 400 Bones
Tim Hecker - Love Streams
Tim Hecker hat sieben Alben wunderschöne und fordernde elektronischer
Musik heraus gebracht und dabei die Genres Ambient, Drone und Noise gründlich
ausgelotet und zusammen geführt. Nach eigener Aussage hat er seinen Stil
ausgereizt und wusste musikalisch nicht mehr wohin. Das ist wenig verwunderlich
- Virgins, sein letztes Album, ist zutiefst anstrengend, verstörend, aber
ebenso zärtlich und beruhigend.
Um einen neuen Ansatz zu finden hat Hecker über zwei Jahre in einer
isländischen Kirche aufgenommen und erstmals einen Chor zum Mittelpunkt seiner
Musik gemacht. Doch schon dieser Satz ist eigentlich in zweierlei Hinsicht
ungenau. Denn der Chor wurde erst digitalisiert und dann bis zur
Unkenntlichkeit bearbeitet und zerstückelt. Was davon bleibt ist mehr ein
weiteres Instrument in Tim Heckers gespenstischem Baukasten. Auch gibt es auf
Love Streams keinen wirklichen Mittelpunkt. Vielmehr steht der Hörer im Mittelpunkt,
den aus allen Richtungen Stimmen, Sounds und Geräusche umgeben, oder eher
vollkommen einhüllen.
Das ist für die Musik von Hecker nichts neues, aber Love Streams klingt
verträumter und kontemplativer als die oft so konfrontativen und ungemütlichen
Vorgängeralben. Auch wenn viele Hörer die fordernde Art der Musik auf
Lovestreams vermissen, gefällt mir diese Eingängigkeit und Schönheit hier
außerordentlich gut. Die fremdartige, fast außerirdische wirkende Qualität
kommt dadurch noch besser zur Geltung und auch einen Chor in den Mittelpunkt zu
stellen, der keine menschlichen Worte mehr zu singen scheint, verstärkt diesen
ätherischen, gespenstischen Effekt enorm.
Trotz allem macht Tim Hecker aber immer noch keine Easy
Listening-Musik: Unerwartete Elemente in der Musik und plötzliche
Noise-Attacken, sorgen für Kontraste im Sound und kleine Schockmomente beim
Hören, sind aber dabei nie willkürlich, sondern beeindruckend gut in die Musik
eingefügt.
Lieblingslieder: Obsidian Counterpoint, Castrati Stack, Black Phase