Empress Of - Me
"Why don't we make up our own rules. And break them
when we like."
Ich hatte noch nie von Empress Of gehört, dann wurde sie
gleichzeitig von Pitchfork und Stereogum in den Himmel gelobt. Das macht
neugierig, aber auch skeptisch. Die Skepsis war schon nach Sekunden weg geblasen,
da "Me" meine Erwartungen bei weitem übertroffen hat...
Empress Of ist das Projekt von Lorely Rodriguez, die das
Album fast vollkommen alleine geschrieben, aufgenommen und produziert hat. Doch
entgegen meiner Vorurteile macht sie mit Empress keine Lo-Fi oder
Singer-Songwriter-Musik, sondern wirklich exzellent produzierten,
ambitionierten Dance Pop.
Rodriguez ist eine klassisch ausgebildete Sängerin,
verzichtet aber hier auf gesangliche Schnörkel zugunsten eines einfachen,
erzählerischen Gesangsstils. Gleichzeitig hat die Sängerin enormes Charisma und
eine beeindruckende gesangliche Präsenz auf diesen Songs. Me wirkt am Anfang kurz wie ein persönliches,
intimes Album. Doch das macht es nur um so aufregender, wenn die Musik sich
plötzlich Richtung Tanzfläche bewegt und da auch erst mal bleibt. Die Songs
sind auf jeden Fall Pop und oft sehr tanzbar, gleichzeitig bewahren sie sich
einen experimentellen Charakter und haben ungewöhnliche Ideen, die das Album
davor bewahren jemals oberflächlich oder vorhersehbar zu werden. Ganz im
Gegenteil gibt es bei Empress Of immer wieder Momente in denen ich nicht fassen
kann, wie gut das eigentlich ist und was da überhaupt gerade passiert. Die
Musik klingt so vertraut, aber doch nie wie eine Kopie von etwas anderem. Schon
beim ersten Hören überlegte ich mir woher ich das bloß schon kannte, nur um
dann wieder ganz aus dem Häuschen zu sein, weil etwas spannendes, unerwartetes
in einem Song passierte.
Rodriguez erfindet das musikalische Rad natürlich nicht neu,
aber es fällt doch schwer die Musik zu beschreiben oder etwas vergleichbares zu
finden. Nach einiger Überlegung fallen mir nur Iamamiwhoami und Dillon ein. Doch
die Musik von Empress Of klingt viel größer, positiver und aufregender als
diese eher düsteren und mysteriösen Projekte. Und vor allem vollführt sie erstaunlich
gut den Balanceakt zwischen Pop und Indie. Rodriguez' Songs könnten problemlos
in großen Clubs laufen, funktionieren aber auch allein zuhause im dunklen
Zimmer.
Lieblingslieder: Water Water, How Do You Do It, Kitty Kat, Make
Up
Carly Rae Jepsen - E•MO•TION
"Not a flower on the wall, I am growing ten feet, ten
feet tall.
In your head and I won't stop, Until you forget me, get me
not."
Carly Rae Jepsen hat ein Problem und das heißt "Call Me
Maybe". Der Song wurde zum Hit und dann zum kulturellen Phänomen. Jepsen
hatte weitere erfolgreiche Songs und macht gute Popmusik, schreibt sie sogar
oft selbst und kommt doch nie aus dem Schatten dieses einen Songs heraus. Nicht
zuletzt wird sie von einem Großteil der Musikhörer wegen Call Me Maybe sofort
mit Ignoranz oder Verachtung gestraft. Und das ist wirklich schade, denn
Emotion ist ein großartiges Gutelaune-Popalbum.
Das Album ist vor allem 80er-Nostalgie und Dance Pop,
vollgepackt mit Hits aber auch einer guten Prise künstlerischer Freiheit und
Experimentierfreude. Das kommt sicher davon, dass neben Sia und Ariel
Rechtshaid auch Rostam Batmanglij von
Vampire Weekend und Dev Hynes an der Produktion beteiligt waren. Vor allem aber
hilft es, dass Carly Rae Jepsen musikalisch genau zu wissen scheint, was sie
will und enorm viel Spaß dabei hat.
Die erste Single I
Really Like You versuchte noch ein wenig das zweite Call Me Maybe zu sein, ist
aber trotzdem ein schöner Song. Und der Rest von Emotion ist so randvoll mit
Hits, dass es schon merkwürdig ist, dass das Album nicht viel erfolgreicher
ist. Das liegt zwar sicher auch an der katastrophalen Veröffentlichungspolitik
ihres Labels, aber wohl auch an dem Popstar selbst. Jepsen ist keine
kontroverse Sexbombe, sondern eher Girl Next Door. Wenn einen das aber nicht
stört und man dann noch ihre musikalische Vergangenheit ausblendet, sollten die
Songs eigentlich für sich sprechen. Run Away With Me und der Titelsong haben
gigantische Refrains und wären in den 80ern sicher Superhits geworden. Und so
geht es immer weiter auf dem Album. Es gibt kleine Überraschungen wie das
psychedelische, hypnotische Warm Blood, aber alles in allem gibt es bei Carly
Rae Jepsen typische Popmusik mit typischen Texten. Doch die Songs auf Emotion
haben eine einzigartige Wirkung. Man merkt Jepsen einfach an, wie viel Spaß sie
hat. Man kann sie auf jedem Song förmlich grinsen hören und ihr ehrlicher Spaß
an der Sache ist einfach ansteckend. Es hilft natürlich auch, dass es hier
einfach nur wunderbare Songs zu hören gibt...
Lieblingslieder: Run
Away With Me, Emotion, Making The Most Of The Night, Let's Get Lost, Warm Blood
"We are made of our longest days. We are falling but
not alone.
We will take the best parts of ourselves. And make them gold."
The Bones Of What You Believe, das Debüt-Album von Chvrches,
war ein kleines Wunder. Es war ein modernes Synth Pop-Album voller Hits, aber
auch mit jeder Menge Gefühl und Persönlichkeit und überzeugte Kritiker ebenso
wie Indie Musik- und Popmusikfreunde. Binnen kürzester Zeit schafften es die
Mitglieder von der Vergangenheit in geliebten, aber mäßig erfolgreichen Post
Rock-Bands zu großen Hallen, ins Fernsehen und zu kommerziellem Erfolg. Und es
hätte keine bessere Band treffen können. Abgesehen von ihrer tollen Musik
traten Chvrches als sympathische, bodenständige Freunde auf, die sich mutig
gegen Onlinehetze und Frauenfeindlichkeit aussprachen.
Vor diesem Hintergrund muss der Druck sicher enorm gewesen
sein, einen würdigen Nachfolger zu präsentieren. Auch ich war skeptisch und
befürchtete eine schwache Kopie ihres Erstlings. Doch schon nach einem
Hördurchgang ist klar: Every Open Eye ist seinem Vorgänger mindestens
ebenbürtig und Chvrches haben es geschafft genau heraus zu arbeiten, was ihre
Musik so besonders macht...und natürlich haben sie auch einfach wieder
grandiose Songs geschrieben.
Die Band macht immer noch strahlenden Synth Pop mit einer
bemerkenswerten Balance aus Pop-Sensibilitäten und einer gewissen emotionalen
Wucht, die vielen ähnlichen Bands total abgeht. Auf Every Open Eye sind die
Synths insgesamt noch größer und besser produziert. Es gibt eine etwas stärkere
Hinwendung zur Tanzfläche und man merkt, dass diese Songs das Ergebnis von
ausgiebigen Touren sind und deshalb hervorragend bei Konzerten funktionieren
werden.
Sängerin Lauren Mayberry verzichtet immer noch auf Effekte
oder Gesangsakrobatik. Stattdessen vertraut sie ganz auf ihre klare Stimme und
die Kraft ihrer Texte und Betonungen. Dank Gesangsunterricht und vermutlich
auch der Live-Erfahrung klingt sie auf Album Nr. 2 aber selbstsicherer. Das
gibt den Liedern oft noch einen weiteren Schub. Sie gehen sofort ins Ohr, haben
aber trotzdem auch wieder eine bemerkenswerte "Halbwertszeit" im
Vergleich zu ähnlich gelagerten Bands. Da kann man nur hoffen, dass der Erfolg
noch größer wird und vor allem auch anhaltend ist!
Lieblingslieder: Leave A Trace, Make Them Gold, Clearest Blue,
Bury It
Miley Cyrus - Miley Cyrus And Her Dead Petz
"They say love grows, but I've only seen it die. I'm
too young to feel like I'm runnin' out of time."
Ist Miley Cyrus eine selbst verliebte, exhibitionistische
und aufmerksamkeitsgeile Nervensäge ohne Filter oder ein selbstbestimmter,
feministischer und kreativer Lichtblick im langweiligen Popgeschäft? Die
Antwort liegt sicher irgendwo dazwischen und wird immer schwerer zu
beantworten, je länger Mileys Karriere voran schreitet.
Auch wenn ich nie wirklich Musik von Miley Cyrus gehört habe
und bis vor kurzem hauptsächlich etwas von ihren "schockierenden" Klatsch-Stories
mitbekam, wurde mir der ehemalige Teenie Star langsam sympathischer. Sie
erzählte freimütig von ihrem Leben als Kinderstar in dem sie keinerlei
Selbstbestimmung hatte und von ihrem Selbstbild, das nicht wirklich in die
typische Rolle Mann-Frau zu passen scheint. In diesem Licht macht ihr bewusster
und anhaltender Bruch mit dem Leben eines Kinderstars doch schon mehr Sinn. Und
nicht zuletzt gründete sie eine Stiftung, die sich für obdachlose Jugendliche
und Mitglieder der LGBTQ-Gemeinde einsetzt und spielte unter anderem mit Laura
Jane Grace von Against Me!. Das lässt das Image der oft etwas hirnlosen
Skandalnudel nicht vergessen, hilft aber dabei ihr neues Überraschungsalbum
etwas unvoreingenommener anzuhören.
Miley Cyrus And Her Dead Petz erschien kostenlos und
unabhängig von Mileys Label oder dem Druck der Popindustrie. Sie konnte also
machen, was sie wollte.
Das ist die größte Stärke und die größte Schwäche des Albums
zugeich. Die Schwäche wurde in Form von Kritikpunkten schon an ganz vielen
Orten zusammen gefasst. Dead Petz hat 23 Songs und ist 90 Minuten lang. Es gab
also offenbar keinen Auswahlprozess und keinen Filter, alles durfte mit und das
Gute ertrinkt angeblich in den vielen schlechten Ideen. Dazu kommt die Kritik,
dass viele Songs klingen wie Überbleibsel von Aufnahmen der Flaming Lips, die
bei vielen Liedern mitgeschrieben haben. Das kann ich nicht beurteilen, da ich
die Band nie wirklich gehört habe. Und zuletzt werden die albernen Texte
kritisiert, die von Sex, Drogen und toten Haustieren handeln.
Ich halte dagegen, dass es auf einem Album von dem ich
wirklich nichts erwartet habe, wirklich viele tolle Momente, Ideen und Songs
gibt. Ich finde nichts unhörbar, aber einiges einfach gut, ja sogar berührend.
Der erste Song ist ziemlich nervig und auch andere Songs wirken eher albern
oder anstrengend. Doch Miley Cyrus hält die Songs zusammen mit ihrer wandelnden
und großen Stimme. Man merkt ihr an, dass sie Spaß hat, ihr die Musik am Herzen
liegt und sie wirklich hinter diesem psychedelischen Kiff- und Sexalbum steht,
das drei toten Haustieren gewidmet ist.
Lieblingslieder: Karen Don't Be Scared, BB Talk, I Get
Scared, Tiger Dreams (featuring Ariel Pink)
Songs:
Ane Brun - Hanging: Ich bin noch nicht wirklich dazu
gekommen das neue Album von Ane Brun zu hören. Das liegt zu einem großen Teil
an diesem Opener des Albums. Hanging führt die Wandlung von Bruns Musik zu
ihrer logischen Konsequenz. Von ihren akustischen Anfängen bleibt nur noch die
Intimität der Musik und die fantastische Stimme der Norwegerin. Auf Hanging
schafft es die Künstlerin gefühlt ein gesamtes Orchester in den Song zu
integrieren, ohne das er überladen wirkt. Stattdessen strahlt Hanging eine
Leichtigkeit und Wärme aus, obwohl er dann auch doch wieder eine Melancholie
ausstrahlt, die fast überwältigend ist. In gut fünf Minuten hebt und senkt sich
Hanging, löst ganz große Gefühle aus und macht es unmöglich ihn nicht sofort
wieder und wieder zu hören. (Link)
Amenra - The Longest Night: Die akustische Seite von Amenra
schaffte es schon immer auf beeindruckende Weise die Emotionalität und
Intensität der Band zu vermitteln, ganz ohne die Härte oder Wucht des üblichen
Bandsounds. The Longest Night wurde scheinbar schon länger live gespielt, aber
erst jetzt veröffentlicht mit einer Widmung an das ertrunkene Flüchtlingskind
Aylan Kurdi und alle Opfer der Flüchtlingskatastrophe. Der Text des Liedes
bekommt so eine tragische, neue Bedeutung, der Song bleibt wunderschön, aber
auch fast erdrückend traurig. (Link)
Kelela - Rewind: A Message, Kelelas letzte Single, war ein
düsterer, kraftvoller Abgesang auf eine schmerzhafte Beziehung. Rewind dagegen
beschreibt die Aufregung und Unsicherheit des ersten Verliebens. Der Song ist
leicht, flatterhaft und sexy, hat Hitpotential und trotzdem eine beeindruckend
detaillierte Produktion und natürlich Kelelas große, wandelbare Stimme. (Link)